Im Trubel um das spannende Rennen um die verbleibenden EL-Plätze, an dem die halbe Liga teilnehmen darf, sollte nicht vergessen werden, dass am Dienstag mit dem Spiel gegen Frankfurt ein nicht gewöhnlicher Termin für die Borussia ansteht. So ein Pokal-Halbfinale gibt es für den VFL nämlich nur alle Jubeljahre (die eingeblendeten Bilder zeigen die einzigen 3 Spieler aus dem aktuellen Kader, die schon einmal in solch einem Halbfinale für die Borussia aufliefen) , wobei „Jubel“ den Durchschnittswert von 5.2 hat, wenn man mal den Aufstieg 1965 als Beginn der Zeitrechnung nimmt. Ob das jetzt verhältnismäβig häufig ist oder die Borussen eher chronische Pokalversager sind, ist nicht so leicht zu beantworten. Unter der Annahme einer völlig ausgeglichenen Liga und dass primär Erstligisten ins Halbfinale kommen, würde man erwarten alle 18/4 = 4.5 Jahre im Halbfinale zu stehen. Da aber nun Teams wie Bayern München dort offensichtlich einen Stammplatz gebucht zu haben scheinen und es auch immer mal wieder ein Team aus den niedrigeren Ligen soweit schafft, scheint alle 5.2 Jahre im Rahmen dessen zu sein, was man so als Bundesligist erwarten kann.

Dabei war es nicht immer so, dass die Topteams der Liga auch den Pokal komplett dominierten. In den 70er Jahren kamen z.B. die Bayern nur 3 mal ins Halbfinale, Gladbach gar nur einmal und nur ein einziges Mal wurde der Pokal auch vom Meister gewonnen (ausgerechnet dem FC Köln gelang dies 1978), wohingegen auch der Bundesliga-Siebte (Fortuna Düsseldorf 1979) sich schon mal in die Siegerliste eintragen durfte. In den letzten 10 Jahren hingegen kommen die Bayern und Dortmund allein schon auf 6 bzw 5 Endspielteilnahmen. Hier zeigt sich dass die Lücke zwischen den Ligabesten und dem Rest über die Jahre grösser geworden ist.

Für die Borussia gab es das erste Pokalhalbfinale bereits 5 Jahre vor dem Bundesligaaufstieg. Am 7.September (das Finale fand erst im Oktober statt!) gewann der VFL in Hamburg mit 2:0. Borussias damaliger Starstürmer  Albert Brülls schoss dabei eines der Tore und verlieβ den Verein 2 Jahre später um in Italien beim FC Modena zu spielen. Borussia war halt damals schon „Ausbildungsverein“. Schaut man sich die Einträge im Internet zu diesem Spiel an, so war das Halbfinale gleichzeitig auch die erste Runde im DFB-Pokal, was aber unterschlägt, dass diesem Halbfinale regionale Pokalwettbewerbe voran gegangen waren. Borussia hatte dabei, wie sich das gehört, den FC Köln im Finale des westdeutschen Pokals mit 3:1 besiegt.

Erst einen Aufstieg, 2 Meisterschaften und 13 Jahre später erreichte der VFL wieder ein Pokalhalbfinale. Im damals mit Hin und Rückspiel ausgetragenem Wettbewerb gewann man mit 3:1 und 4:2 gegen Werder Bremen und legte damit den Grundstein zum legendären Pokalfinale 1973 gegen den FC Köln. Alle 3 Tore für Bremen schoss dabei der Ex-Gladbacher Herbert Laumen. In den Folgejahren holte man zwar nochmals 3 Meistertitel, wurde zweimal Vizemeister und sackte nebenbei noch 2 Uefa-Pokal-Trophäen ein, aber im Pokal blieb die Borussia in dieser Glanzzeit verblüffend blass. Das Warten sollte sich aber lohnen, denn 1984 erlebten nicht nur Gladbachfans sonder die ganze Nation begeistert die „Mutter aller Halbfinals“. Mit einem atemberaubenden 5:4 (nach 3:1 und 3:4) setzt sich Gladbach letzendlich wieder gegen Werder Bremen durch. Der eingewechselte Hans-Jörg Criens hatte dabei seinen ersten grossen Auftritt im Borussia-Trikot und erzielte die entscheidenen letzten beiden Tore. Dieses Spiel blieb allerdings nur gut 24 Stunden lang das beste Halbfinale aller Zeiten, denn am Tag drauf lieferten sich Schalke 04 und die Bayern ein noch wahnsinnigeres 6:6 in Gelsenkirchen.

Die Borussia war nun auf den Geschmack gekommen und erreichte in den folgenden 3 Jahren gleich noch zweimal die Runde der letzen Vier. 1985 verlor man unglücklich in der Verlängerung durch einen von Sören Lerby getretenen Elfmeter bei den Bayern, die dann später überraschenderweise das Endspiel gegen Bayer Uerdingen verloren. Obwohl gefühlte 60-70% meines Gedächtnisses mit Erinnerungen an Spiele und andere Ereignisse rund um Borussia Mönchengladbach belegt sind, und damit den Platz für durchaus nützliche Information wie „wo habe ich meine Socken hingelegt?“ versperren, findet sich dort erstaunlicherweise so gut wie keine Erinnerung an die 0:1 Halbfinalniederlage beim HSV im Frühjahr 1987 durch Manfred Kastls Tor 5 Minuten vor Spielende. Vermutlich ist der Frust hier von dem noch viel ärgerlicheren Ausscheiden im Semifinals des UEFA-Cup gegen Dundee United im gleichen Frühjahr überschattet und das alles in einer Phase wo die Borussia mit 10 Liga-Siegen in Folge die beste Serie der Vereinsgeschichte hinlegte.

Unvergesslich hingegen war 5 Jahre später das Halbfinalspiel gegen Leverkusen. Die Borussia war mittlerweile von einem der Topteams Mitte der 80er Jahre zu einem regelmässigen Abstiegskandidaten verkommen, aber am Abend des 7. April 1992 war das zumindest für einen Moment vergessen. Wie 8 Jahre zuvor war es „der Lange“ Criens, der Borussia in der Verlängerung zur Führung schoss, aber in der 119. Minute gelang Andreas Thom noch der Ausgleich für die Werkself. Das anschliessende Elfmeterschiessen ist fester Bestandteil der deutschen Fussballgeschichte. Vier Elfmeter konnte Uwe Kamps parieren und damit kaschieren, dass sich die Gladbacher mit Fehlschüssen von Neun und Steffen auch nicht gerade mit Ruhm bekleckerten. In Errinnerung bleibt auch die Ankekdote, dass ZDF-Reporter Rolf Töpperwien im Trubel nach dem Spiel die Brieftasche mit einem 4-stelligem DM-Betrag darin gestohlen wurde. Man kann nur spekulieren, warum „Töppi“ soviel Geld bei sich hatte, aber spätere Ereignisse legen nahe, dass er der damaligen Stadionwerbung am Bökelberg gut zugehört hatte (nein, nicht die mit Oscar Esser und dem Umzug).

Drei Jahre später genoss die Borussia eine kurze Blütezeit unter Bernd Krauss und traf im Halbfinale auf den FC Kaiserslautern, der damals eine der Spitzenmannschaften der Liga war und am Ende auch noch vor der Borussia auf dem vierten Platz in der Bundesliga stand (nur um ein Jahr später überraschend abzusteigen). Das Spiel war entsprechend eng und es war Heiko „who the f*** is“ Herrlich, der letztendlich in der Verlängerung das entscheidene 1:0 erzielte. Anders als drei Jahre zuvor konnte man dann auch diesmal einen Zweitligisten im Finale besiegen und somit den bisher letzten Titelgewinn der Borussia (wenn wir mal den Wintercup und „Krawattenmann des Jahres“ ignorieren) verbuchen.

Es folgten bittere Jahre für die Anhänger des VFL gipfelnd im Abstieg 1999. Hans Meyer kam und führte den Verein 2001 zurück in die erste Liga und auch ins Pokalhalbfinale, noch dazu gegen die damals drittklassigen Unioner aus Berlin. Da der Finalgegner der damalige Meister der Herzen Schalke 04 gewesen wäre, hätte ein Finaleinzug gleichzeitig auch Teilnahme am Europapokal bedeutet, ein nach Jahren der Misere wundervoller Gedanke für alle Borussen. Aber natürlich kam es wie es kommen musste. Obowhl man nach 2 Toren durch Arie van Lent bis 10 Minuten vor Schluss mit 2:1 führte, glichen die Berliner nicht nur noch aus, sondern gewannen dann letztendlich das Elfmeterschiessen mit 4:2.

Damit die Gladbacher nicht vergessen wie sich so ein tragisches Scheitern anfühlt, gab es drei Jahre später eine Wiederholung des Ganzen. Wieder spielte man auswärts bei einem unterklassigen Gegner (diesmal Alemannia Aachen), wieder winkte der UEFA-Pokal und wieder ging es schief. Ivica Grlic beraubte mit einem Freistoβtor die Borussen aller Träume und das Schiedsrichter Steinborn in der Schlussminute den Gladbachern einen klaren Handelfmeter verwehrte, passte dann irgendwie auch ins Gesamtbild.

Das vorerst letzte Halbfinale bestritt die Borussia vor 5 Jahren gegen den FC Bayern. In der Liga hatte man die Münchener zu diesem Zeitpunkt bereits zweimal besiegt, so dass die Euphorie vor dem Spiel gross war, auch wenn in der Liga der Höhenflug der Borussia in jenem Jahr etwas ins Stocken geraten war. Gladbach schaffte es dann auch in den 120 Minuten selten Gefahr vor das Münchener Tor zu bringen sondern sondern sich weitesgehend in der Defensive. Dank der besten Abwehr der Vereingeschichte (Jantschke-Stranzl-Dante-Daems liessen in der Liga nur 24 Gegentore zu) konnte man die Bayern aber nach zähem Kampf ins Elfmeterschiessen zwingen. Ein grosses Palaver gab es zu jener Zeit um den anstehenden Wechsel Dantes nach München und als der Brasilianer dann zum Elfmeter anlief, schwante den Gladbach-Anhänger Böses. Und natürlich säbelte der Innenverteidiger den Ball auch prompt in den Nachthimmel über dem Borussiapark und da Nordtveit kurz danach auch noch vergab, blieb der Borussia der krönende Höhepunkt einer sonst so märchenhaften Saison verwehrt.

So sind es nun schon 22 Jahre die man auf ein erneutes DFB-Pokalfinale wartet. Insgesamt zehnmal stand man bislang unter den letzten Vier, fünfmal kam man weiter, fünfmal scheiterte man. Nur einmal (2012) schied man dabei im  Halbfinale auf eigenem Platz aus. Was auffällt ist, dass die guten Pokaljahre nicht unbedingt mit guten Ligajahren einhergingen. Der legendäre Sieg 1973 fand z.B. im schlechtesten Ligajahr der goldenen Zeit 1968-78 statt (auch wenn man dieser Tage schon sehr froh über einen fünften Platz wäre). 1992 und 2004 war man tief im Abstiegskampf verstrickt und 2001 gar Zweitligist. Insofern ist es nicht so erstaunlich, dass man in einer sonst eher enttäuschenden Saison auf einmal die Chance hat mal wieder ein Finale zu erreicht. Ob es am Dienstag jetzt ein legendäres Spiel wie gegen Werder 1984 oder Leverkusen 1992 wird, ist den meisten Borussen wohl einigermassen egal, solange man es irgendwie gewinnt. Tragik oder Triumph, Finale oder Fiasko, der VFL schreibt gegen Frankfurt ein weiteres Kapitel seiner langen Geschichte.