Am 11. Dezember 2009 gewann Borussia Mönchengladbach 5:3 gegen Hannover 96. Ich war im Stadion. Gladbach lag beständig in Führung, unter anderem durch 3 Eigentore von Hannover, eines kurioser als das andere. Trotzdem hatte ich jederzeit das Gefühl, dass an diesem Abend für die Borussen noch alles schiefgehen kann. Ich habe seither viele Spiele gesehen und mit Ausnahme der Relegationsspiele gegen Bochum (die ich allerdings zuhause auf dem Sofa erleben musste) kann ich mich an keines erinnern, das in vergleichbarer Weise zu Bluthochdruck und grauen Haaren führte wie die Begegnung am Samstag in Sinsheim.

 Was für den neutralen Zuschauer ein Riesenspektakel war, geriet nicht nur für uns Gladbach-Fans zum Thriller, der erst mit dem 5:3 in letzter Minute entschieden war. Vermutlich ging es vielen, die am Samstag blau gekleidet im Stadion waren genau wie mir in 2009, sie mussten bis zum letzten Tor damit rechnen, dass der Sieg noch aus der Hand gegeben bzw. durch Borussia noch verhindert wird.

Damit ist auch das benannt, was man an positiven Aspekten aus dem Spiel mitnehmen kann und was auch nach dem Spiel von allen auf Gladbacher Seite Aktiven richtig benannt wurde: Die Mannschaft hat Moral bewiesen, sie hat zu keinem Zeitpunkt aufgegeben und war zu jeder Zeit in der Lage, den derzeitigen Tabellendritten der Liga unter erheblichen Druck zu setzen.

Zur ehrlichen Einordnung des Spiels gehört aber auch, dass Hoffenheim vollkommen verdient gewonnen hat, in erster Linie auch deshalb, weil die Gladbacher Aufholjagd nach dem deutlichen Rückstand in der ersten Hälfte durch mehrere gelinde gesagt merkwürdige Schiedsrichterentscheidungen begünstigt wurde. Auch wenn Oliver Baumann mit seinem langatmigen Abwarten und dem darauffolgenden panischen Ballwegschlagen einen Riesenanteil am Ausgleichstreffer zum 2:2 hatte, hätte sich niemand auf Gladbacher Seite beschweren dürfen, wenn die Szene mit Handspiel und Gelber Karte für Hofmann abgepfiffen worden wäre. Ebenso wären Proteste unangebracht gewesen, hätte es nach Vestergaards Einsteigen gegen Kramaric Elfmeter gegeben. Hierüber waren sich trotz Vereinsbrille alle Gladbach-Fans in meinem Umfeld einig. Mich haben dann die Fernsehbilder auch davon überzeugt, dass da mehr war als ein Kreuzen des Weges zwischen Vestergaard und Kramaric.

Andererseits war der Sieg für Hoffenheim auch glücklich. Geht Borussia in der überlegen gestalteten ersten Viertelstunde nach der Pause durch die Chancen von Traoré oder Hahn in Führung, kann das Spiel in eine vollkommen andere Richtung kippen.

Dass es das nicht tat, dafür sorgte eine für Yann Sommer äußerst unangenehme Freistoßsituation. Von außen auf das Tor gedrehte Freistöße sind für Torhüter tückisch – kann man doch kaum vorher erahnen, ob die sich in die Flugbahn des Balles werfenden gegnerischen Stürmer an den Ball kommen. Ist das der Fall und der Torwart deckt die lange Ecke, sieht der Torwart schlecht aus. Ist das nicht der Fall – wie am Samstag – und der Torwart geht in die Mitte, sieht der Torwart schlecht aus. Gibt es für diese Situation eine Lösung? Die altmodische Variante wäre, in solchen Fällen jemanden an den langen Pfosten zu stellen.

Insgesamt hat die Mannschaft in der Defensive genau die Befürchtung erfüllt, die ich im Vorbericht geäußert hatte: Man ließ sich – natürlich auch bedingt durch den Spielverlauf, der sicherlich eine Eigendynamik entwickelt hat – von Hoffenheim zu einem Offensivspektakel einladen, an das sicherlich noch mancher denken wird, vergaß dabei aber die Absicherung des eigenen Tores und gestattete Hoffenheim neben den Toren zahlreiche weitere Chancen. 

Auf dem Platz kann Borussia den Ausfall von Spielern wie Raffael, Johnson, Kramer und Hazard nicht gleichwertig kompensieren. Den Nachrückern, namentlich Hahn, Herrmann und Drmic, fehlt der Spielrhythmus und das Selbstvertrauen. Hofmann gewinnt selbiges allmählich, kombiniert gefällig mit, ist aber gerade offensiv noch immer zu umständlich, zu wenig zielstrebig, strahlt kaum Gefahr aus. Jeder der genannten ist an sich ein guter Bundesligaspieler. In der Summe, als Mannschaft, reicht es aber ohne die derzeit fehlenden Korsettstangen nicht zu Höherem.

Bleibt also für die kommenden Aufgaben zu hoffen, dass wenigstens Raffael und Hazard schnell zurückkommen und dass andere vielleicht doch noch die Kurve kriegen.