Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. An diese Nonsens-Weisheit fühlte man sich am Samstag nachmittag errinnert, als die Borussia in Mainz auf erstaunlich überzeugende Weise gewann. 1:1, 0:3, 0:2, 0:2, 1:2. So hatten die Tipps der Seitenwahlredaktion aus Borussensicht gelautet. Nun ist die Vorhersagekraft dieser Tipps notorisch schwach, aber der dadurch ausgedrückte Pessimismus beschränkte sich nicht auf unsere Redaktion sondern hatte grosse Teile der Gladbach-Anhängerschaft ergriffen. Zu deprimierend war das Pokalausscheiden gegen die Eintracht aus Frankfurt gewesen, zu ängstlich (1. Halbzeit) und unispiriert (der Rest) war das Spiel der Borussia dabei und zu wenige Alternativen standen zur Verfügung um irgendeine Hoffnung auf neue Impulse im Team wecken zu können.

Natürlich ist ein Auswärtssieg eines CL-Teilnehmers bei einem Abstiegskandidaten jetzt als solches nicht eine Riesensensation, aber für die scheinbar in Tristesse versinkende Borussia kam er doch einigermassen überraschend. Einen „Sieg der Moral“ nannten das  dann auch gleich diverse Zeitungen. Im Prinzip hätte man nicht überrascht sein sollen, denn solch moralisches Verhalten zieht sich bei der Borussia schon durch die gesamte Rückrunde. Mit „groβer Moral“ (laut sportschau.de) hatte man im Januar in Leverkusen aus einem 0:2 noch ein 3:2 gemacht, „Gladbach beweist Moral“ konnte dann kurze Zeit später der Kicker nach dem 4:2 in Florenz schreiben, eine „tolle Moral“ bescheinigte Dieter Hecking seinen Spielern als man wenige Tage nach dem EL-Aus gegen Bayern beim 0:1 wacker dagegen hielt und das Online-Portal Fohlen-Hautnah konnte selbst bei einem eher bedeutungslosen Testspiel gegen den FC St. Pauli (4:4) eine „starke Moral“ der Fohlenelf feststellen.

Auch spielübergreifend zeigen sich die Borussen 2017 als Stehaufmännchen. Nach Niederlagen gegen Florenz und den RB Leizpig glaubten einige der Effekt des Trainerwechsels sei schon verpufft, was die Mannschaft mit 4 Pflichtspielsiegen in Folge aber eindrucksvoll widerlegen konnte. Ähnlich war es dann im März, als man in der EL ausschied, 2 mal in Folge in der Liga verlor, dann aber Anfang April mit 2 starken Spielen gegen die Hertha und in Köln wieder den Anschluss an die vorderen Ränge schaffte. Wie es aussieht ist es dem Team mit dem Sieg in Mainz zum dritten Mal in diesem Jahr gelungen einen drohenden Abwärtstrend aufzuhalten.

All das steht in ziemlichen Gegensatz zum „unmoralischen“ Auftreten der Mannschaft im Herbst 2016. Dass man in der Lage ist guten Fussball zu spielen konnte man auch damals immer wieder andeuten (bei Celtic, gegen Barca, gegen Hoffenheim), genauso wie man in diesem Fruehjahr auch immer wieder schwache Auftritte (Darmstadt, 2 x Frankfurt) dabei hat. Aber lag man erstmal hinten, war in der Hinrunde meist alles verloren und zum Teil liess man sich dann willenlos abschiessen wie in Schalke, Manchester, Berlin oder Barcelona. Auch das was zunächst nur eine Ergebniskrise zu sein schien, liess sich nicht aufhalten sondern kostete letztendlich den Kopf von Trainer Schubert.

Es ist nicht leicht diesen charakterlichen Wandel des Teams zu erkären. Der Trainerwechsel ist der offensichtliche Erklärungsversuch, aber man kann wohl davon ausgehen, dass auch André Schubert seinem Team nicht gesagt haben wird, nach gegnerischer Führung den Spielbetrieb einzustellen. Und was auch immer Dieter Hecking der Mannschaft so mit auf den Weg gibt, fällt es  schwer zu glauben dass es seine Ansprachen allein sind, die den Unterschied ausmachen. Plausibler erscheint es dass indirekte Mechanismen am Werke sind. Die Rückehr zum bewährten simpleren 4-4-2 mag der Mannschaft die nötige Sicherheit verliehen haben, die man braucht um sich wieder aufzurappeln; vielleicht stimmte zum Schluss unter Schubert auch das Verhältnis zwischen Mannschaft und Trainer nicht mehr so und führte zu Hemmungen in der Spielweise, vielleicht gibt es aber auch uns gänzlich unbekannte andere Gründe.

Wo auch immer sie herkommt so ist es dieser neugewonnen Resilienz zu verdanken, dass die Borussia auch 3 Spieltage vor Schluss immer noch eine Chance hat sich für die Europa-League zu qualifizieren. Auch wenn man dabei weiterhin durch eine lange Verletztenliste gehandicappt ist, macht es Hoffnung wie gut sich ein Nico Schulz kurzfristig ins Team eingefügt hat und in Mainz sogar als Torschütze glänzen konnte. Auch Youngster Laszlo Benes deutete erneut an, dass er eine Alternative fürs defensive Mittelfeld ist. Bei nur noch 3 Spielen ohne die Belastung irgendwelcher Spiele während der Woche reicht hoffentlich auch der arg zusammengeschrumpfte Kader bis zum Saisonende. Es ist gut möglich, dass die Borussia alle 3 Spiele gewinnen muss, um noch in die EL zu rutschen und selbst  dann ist solche eine Qualifikation noch nicht garantiert. Die Rückrundenstatistik gibt dabei etwas Hoffnung. Gegen die Teams ausserhalb der CL-Plätze hat Borussia in 10 Spielen 8 Siege, 1 Unentschieden und 1 Niederlage geholt. Die noch ausstehenden Spiele finden gegen den 13., 15. und 18. statt. Hoffen wir dass wir weiterhin auf die Moral unserer Mannschaft bauen können.