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Igor de Camargo steht vor dem Abschied aus Mönchengladbach. Der Verein hat offenbar keine Verwendung mehr für den Stürmer. Lucien Favre setzt auf andere Spieler, womöglich muss de Camargo auch Platz für einen noch nicht näher benannten Last-Minute-Transfer in der Winterpause machen. Über den Stil, mit dem Borussia die wahrscheinliche Trennung vollzieht, lässt sich streiten. De Camargo hat sich auch während sportlich schwieriger Phasen immer korrekt verhalten, selbst seine ostentative Nichtberücksichtigung während des Trainingslagers trug der Belgo-Brasilianer nach außen mit Fassung. Dass man ihn zunächst derart demütigte, bevor man ihm mitteilte, nicht mehr gewollt zu sein, gibt der ganzen Angelegenheit einen etwas unangenehmen Beigeschmack.



In Fankreisen sorgt die aktuelle Entwicklung in der Causa de Camargo kaum für Empörung. Bei Licht betrachtet ist das genauso verwunderlich, wie die harte Entscheidung der Vereinsführung. Igor de Camargo hat es offenbar in zweieinhalb Gladbacher Jahren nicht geschafft, sich in den Augen der Anhänger wie der Verantwortlichen unentbehrlich zu machen. Geliebt wurde und wird der Stürmer nicht.

Das wiederum ist angesichts der Fakten wirklich erstaunlich. Denn ohne Igor de Camargo würde sich Borussia heute womöglich auf den Rückrundenauftakt bei Jahn Regensburg vorbereiten. Ohne Igor de Camargo wäre im Borussia-Park nie die Champions-League-Hymne erklungen und ohne Igor de Camargo gäbe es in diesen Tagen keine Vorfreude auf Lazio Rom.

„Der Mann für die wichtigen Tore“, das ist heute allerorten zu lesen und zu hören. Und es sind nicht nur die ganz spektakulären Treffer, de Camargo hat selbst in dieser Spielzeit dann getroffen, wenn vorne ansonsten gar nichts ging: gegen Freiburg, in Gelsenkirchen. Dass Borussia meint, auf einen solchen Spieler verzichten zu können, spricht für einiges Selbstbewusstsein. Es ist mutig, auf einen Stürmer wie de Camargo zu verzichten und stattdessen auf den keineswegs garantierten Durchbruch des zuletzt lange verletzten und davor nur langsam aus dem Quark gekommenen Luuk de Jong zu setzen. Mit der geplanten Trennung von Igor de Camargo setzen Lucien Favre und Max Eberl auf Risiko.

Natürlich gab es bei Igor de Camargo nicht nur Sternstunden. Es gab Spiele, in denen hing er in der Luft oder wirkte gar unbeteiligt. Es gab Spiele, da versprang ihm jeder Ball. Mit seiner Neigung zum „Diving“ und zu exaltierter Schauspielerei strapazierte er die Nerven auch der eigenen Fans (schweinigelte Borussia allerdings auch ins Halbfinale des DFB-Pokal).

Trotzdem: wenn ich an Igor de Camargo denke, dann denke ich an die Sternstunden. Ich denke an Gänsehautmomente, an Sekunden unbändiger Freude:

Da ist das Tor gegen Bayern München. Der krasse Außenseiter, gerade dem Tod von der Schippe gesprungen, besteht eine Abwehrschlacht beim Rekordmeister – und Igor de Camargo zwingt Manuel Neuer zum spielentscheidenen Fehler und köpft Borussia zum erst zweiten Sieg bei den Bayern überhaupt.

Da ist das Tor gegen Bayer Leverkusen. Borussia droht in der Rückrunde der vergangenen Saison doch noch die Teilnahme am internationalen Geschäft zu verdaddeln. Und als alle Borussia-Fans im Leverkusener Stadion nur noch darauf hoffen, dass das Team das Untentschieden halten kann, vollendet Igor de Camargo einen Konter kurz vor dem Abpfiff eiskalt zum Siegtreffer.

Da sind die Tore gegen Limassol. Borussia quält sich gegen den zyprischen Euro-League-Vertreter, vorne will nichts gelingen. Das Weiterkommen wäre ohne einen Sieg nur mehr theoretisch möglich. Dann wechselt Favre Igor de Camargo ein. Innerhalb weniger Minuten trifft der zweimal - am Ende des Spiels steht Borussia im Sechzehntelfinale.

Da ist das Relegations-Rückspiel in Bochum. Diesmal ist de Camargo nicht Vollstrecker sondern Vorbereiter. Mit einem blitzsauber getimten Pass setzt er Marco Reus (ach, Marco Reus…) ein, der die Bochumer Führung egalisiert und Borussia damit in der Bundesliga hält.

Und da ist zu guter Letzt das Tor, das das alles erst möglich gemacht hat. Das Tor, das die Grundlage dafür liefert, dass wir heute allenfalls Luxusprobleme diskutieren, dass wir Fußballfeste im Borussia-Park feiern können und relativ sorgenfrei in die Rückrunde schauen. 93. Minute - Havardt Nordtveit wirft, Camargo köpft, Luthe hält, Arango passt, Hanke verstoplert – und dann hält Igor de Camargo die Hacke hin. Camargotypisch: unkonventionell, aber effektiv. Und der Borussia-Park explodiert. In den 35 Jahren, in denen ich mit Borussia fiebere, war das für mich tatsächlich der bewegendste Moment. Bis heute gilt: wenn ich schlechte Laune habe, geh ich zu Youtube und gucke das Tor. Dann geht’s wieder.

Danke, Igor de Camargo!!!