Warnung
  • JUser: :_load: Fehler beim Laden des Benutzers mit der ID: 81

SEITENwechsel Traditionen sind doch schön: Borussia spielt Bundesliga, die SPD bereitet sich auf die nächste Wahlniederlage vor, und wir führen den SEITENwechsel fort. Martin fuhr im Juli die Tour von Franz mit und vermag im Angesicht eigener sportlicher Glanzleistungen bei Borussia noch Steigerungspotential zu sehen, wie er nachfolgend erläutert. Wir sagen beim VfLog gewohnt preußisch: Maul halten, freuen! Derweil leiert unser DVD-Spieler in einer Endlosschleife die erste Halbzeit vom Bochum-Spiel herunter, zumindest bis zum nächsten Sonntag. Das Leben kann so schön sein...


Lieber Joachim,

ach wie ist das schön. Erst bekamen wir nach langen Wochen den Ball wieder, und nun haben wir auch unsere Stifte und das Briefpapier wieder zur Hand! Ich freu mich, dass es weitergeht!

Natürlich hast Du recht: mal so eine Sommerpause zwischendurch ist auch nicht schlecht. Ich habe mich in diesem Jahr tatsächlich intensiv mit dem Fahrradfahren in Frankreich befasst, ich war nämlich am letzten Tour-Wochenende in Paris und bin praktisch mitgefahren. In der Seine-Stadt kann man nun nämlich an jeder Straßenecke kostenlos Fahrräder leihen, wie ich das auch schon aus Wien oder Berlin gewohnt bin. So fuhr ich, während Lance & Co. den Champs rauf und runter radelten in bester Laune dreimal um den Arc de Triomphe. Ich sage Dir: Es ist ein erhebendes Gefühl, auf einer achtspurigen Straße mit dem Velo gegen die Autos zu bestehen. Fast könnte man auch meine Fahrlinie als Triumphbogen bezeichnen.

Der richtige Urlaub kommt bei mir allerdings erst noch. In ähnlich skeptischer Erwartung der Liga dachte ich, dass ich spätestens nach dem 3. Spieltag dringend Erholung brauchen würde; daher habe ich erst für September gebucht, um dann rechtzeitig zur Entlassung von Frontzeck zurück zu sein und mich bei Eberl mit einer 700-seitigen philosophischen Bewerbung um die Nachfolge anzudienen. Stattdessen nun aber dieser Start. Ich gebe zu, ich war nach dem 3:3 dann doch wieder enttäuscht, dass die Borussia sich den Sieg noch aus der Hand nehmen ließ. Doch Deine Zeilen und Dein urlaubsgestählter Optimismus reißen auch mich mit: So juchze ich denn: Ja, Joachim! Yes, we can! Wir sind so gut wie lange nicht! Hurra! Diese Saison wird ein Fest!

Und das ist nicht einmal mehrheitlich ironisch gemeint. Auch ich war berauscht vom Spiel der 1. Halbzeit. So spielt man nicht aus Versehen, selbst Gladbach nicht. So spielt nur, wer es kann. Allein zu wissen, dass dieses Potential in der Mannschaft steckt, ist neu für mich und ein gutes Gefühl. Wenn es nun gelingt, ab und an auch künftig solche Szenen zu bieten, und ab und an auch einmal mit einem schwächeren Spiel drei Punkte zu holen statt mit einem berauschenden nur einen, dann könnte dies eine wunderbare Urlaubs-Saison werden. Eine Saison, in der wir nicht wegfahren müssen, um uns zu erholen.

Aber wir wären nicht die beinharten Journalisten als die wir bekannt sind, wenn wir nicht auch Kritik üben würden. Ja, die Trikots gehen gaaaar nicht! Dieser Streifen irritiert immer wieder auf den ansonsten ja durchaus hübschen Stramplern unserer Jungs. Immerhin kann man Postbank als Altphilologe, der Du ja offenbar dank Deines Lateinlehrers auch bist, als ein klares Plädoyer gegen die Finanzkrise und die verkommenen Banken lesen: Was heißt denn „Postbank“ anderes, als einen Ruf, ja ein Flehen, nach einer Zeit ohne Banken, post Bank eben. Gefühlte dreihundert Jahre nachdem Günter Netzer irrtümlich für einen Revoluzzer gehalten worden ist, kommt Borussia nun im Herzen der Systemkritik an. Dass dies mit grellen Farben, mit optischen Dissonanzen einhergeht, vielleicht ist das gar nicht vermeidbar.

Insofern seien wir auch hier nachsichtig. Wir können auf nicht weniger als auf eine neue Weltordnung hoffen. Postbank, Postabstiegskampf. Mit Frontzeck als Weltkanzler, Königs als Weltpräsident und dem Fußballgott als deus ex machina, der im Zweifel alles richtet.

Alles wird gut, ach was: endlich können wir einmal schreiben:alles ist gut! Möge es so bleiben für unsere nächsten 33 Briefe!

Dein Martin