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SEITENwechsel Es ist Frühling (irgendwie, irgendwo), die Sonne scheint, wir liegen auf einer Wiese, die Vöglein zwitschern, und wir haben gerade eine faszinierende Erscheinung namens "Borussia" den Weg entlangkommen sehen. Schnell ein Blümlein gerupft und dann Blättchen gezupft: Ist's Liebe, ist es keine? Während wir beim VfLog noch ein wenig grummeln und knöttern, eher preußisch-schnoddrig im Sinne von "Wird schon was werden!", fließt Martin nachfolgend dahin: Er ist verliebt, und in seiner neuen Liebe erkennt er seine alte (oder heißt es hier nicht besser: seine Alte?). Goethe könnte kaum besser schmachten, und wir schluchzen ganz gerührt mit Martin mit (doch Hand aufs Herz: Punkte aus Bremen sollte sie schon mitbringen).

 

 


Lieber Joachim,

lass uns einmal über persönliche, ganz private Dinge sprechen. Kennst Du dieses Gefühl: Man ist lange Jahre, vielleicht Jahrzehnte in einer Beziehung, ist auch glücklich, oder würde das jedenfalls immer sagen, auch wenn man sich insgeheim, in einer stillen Minute, einer der zahllosen Werbepausen der Sportschau etwa, fragt, ob man nicht einmal glücklicher war: frisch verliebt, euphorisch, wild. Dunkel erinnert man sich und fragt sich, ob man diese Gefühle im Überschwang noch einmal erleben wird. Und dann trifft man wie Oli Kahn in der Disko, wie Horst Seehofer in der eigenen Partei, wie Boris Becker in der Besenkammer jemanden und fühlt sich wie von Amors Pfeilen durchbohrt: lebendig, hellwach, überschwemmt von Glück (und vielleicht, wenn man Zyniker ist so wie Du und ich, auch völlig kindisch, naiv und bescheuert – aber hier geht es um ein lyrisches Ich, nicht um uns).

Wenigen Menschen gelingt es, dieses Gefühl eben nicht für das P1-Luder oder die Samenräuberin zu entwickeln, sondern für den, mit dem man ohnehin schon zusammen ist. Diese Menschen dürfen sich glücklich schätzen. Und nun dürfen wir uns also glücklich nennen, verlieben wir uns doch gerade neu in Borussia. Lies Dir unsere alten Briefe durch! Dokumente voller Gram und Zweifel, voller enttäuschter Gefühle, voller Wirbleibenzusammendergemeinsamenvergangenheitwegen. Und jetzt? Gemeinsame Pläne für die Zukunft, Hoffnungen, Genuss! Nach all den Jahren fehlt mir die Tonlage für unsere Briefe, ich habe gar kein Register für derart erfüllte VfLiebe mehr.

„Ohje, jetzt übertreibt er schon wieder!“, denkst Du nun sicherlich. Und hast natürlich recht: Erstens war ich oft glücklich mit Gladbach, auch in all den schweren Jahren. Und zweitens ist nach zwei Spielen tatsächlich nichts gewonnen, es sei denn Du kommst mit Deinem Antrag beim Fußballgott durch, was ich aber bezweifle. ER liest seit gut zwei Wochen überhaupt nicht mehr, einmal die Woche kommt ein Fußballengel auf seine Wolke geflogen, wundert sich über die laute Musik und die Pupillen von IHM, trägt IHM die Ergebnisse aller Fußballspiele der letzten Woche vor und nimmt einige Aufträge entgegen.

Da wir also am Ende doch wieder an der Tabelle nach dem 34. Spieltag gemessen werden, ist alles was wir uns derzeit so denken nichts als Feuilleton (was für eine schön schäbige Beleidigung, ich musste das mal unterbringen). Aber ich denke tatsächlich: diese Saison scheint anders zu sein als andere. Diese Mannschaft scheint anders zu sein. Und insofern zittere ich zum ersten Mal nicht bei dem Gedanken an die nächsten Spieltage. (Und ich muss gestehen: bevor das Ruhrgebiet und mein Bruder ihre Arbeitsplätze verlieren, bin ich für andere Absteiger als Bochum und Köln.) Es wird also weiter gespielt und gewertet, am Ende kommt Gladbach nicht in den EDingsbums, und ich hoffe dennoch: wir werden viel Spaß gehabt haben. Und ein bißchen bin ich doch wieder frisch verliebt in Borussia.

You’ll never walk alone auf den Bund meiner Seidenunterhose bügelnd

grüßt Dich herzlich

Martin