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SEITENwechsel Martin ist aus Frankreich zurück und ärgert sich seit dem Überqueren der deutschen Grenze bereits wieder. Wir hingegen falten uns zu einer Lotosblüte zusammen und summen beim VfLog fernöstlich gelassen "Om". Wir vergleichen eben nicht Koller-Birnen mit Frontzeck-Äpfeln, und auch der "F"C Köln schreckt uns nicht - gegen die spielen wir ja noch zweimal, und deshalb stehen in unserer Privattabelle bereits 13 Punkte auf dem Gladbach-Konto. Aber in einem hat Martin recht: Die Gelassenheit kann uns noch vergehen. Vielleicht schon am Sonntag, dann aber eher wegen der Bundestagsqual.


Lieber Joachim,

drei Wochen Urlaub sind etwas Feines. Aber sie konnten keinen anderen Menschen aus mir machen. Tausend Kilometer habe ich ähnlich meditativ zurückgelegt vor wenigen Tagen wie Du es in Deinem Brief schilderst. An der Camargue links hoch, die Rhone entlang, durch das Elsass und an Freiburg vorbei, ein Gruß in den Schwarzwald, noch kurz über den Main, und ich war daheim, bestens erholt. Aber nach zwei Borussiaspielen seit meinem Grenzübertritt und der Wiedereinreise ins Bundesligaland ist es mit der Gelassenheit schon längst wieder vorbei.
 
Ja, natürlich sind diese Abendpokalspiele atmosphärisch, knisternd, emotional aufrührend, und natürlich ist es dumm, das zu vergessen, nur weil ein Tor fällt. Aber so bin ich. Ich könnte heulen, kratzen, schreien, beißen, kotzen.

Ja, natürlich hast Du auch recht: es ist idiotisch, Spiele nur nach ihren Ergebnissen zu bewerten. Das machen Sportreporter, wie es Maik vorgestern so schön beschrieben hat, und allein das kann uns lehren: es muss falsch sein. Ich gestehe auch gern: ich war vorgestern im Müngersdorfer Stadion (das angeblich heute irgendwie anders heißt), weil mein Bruder Geburtstag hatte. Der alte FC-Fan konnte feiern, aber hätten diese eiskalt-ekligen Wolfsburger doch noch das Spiel gedreht, ich hätte ihn nicht nur wegen seines Feiertages aufgemuntert mit genau jenem Hinweis: Man darf nicht nur aufs Ergebnis schauen, gegen den deutschen Meister drei Tore zu schießen und phasenweise derart aufzuspielen ist eine Leistung, die „F“C Fans Hoffnung machen kann. Kopf hoch, Bruder! Nun: Er hatte den Kopf ohnehin oben, und auf mich selbst gemünzt wirken die weisen Worte nicht: 2:0 gegen Hoffenheim geführt. 4:2 verloren. Gefühlte 4000 Bobadillatorschüsse im Pokal. 0:1 verloren. Und ich könnte heulen, kratzen, schreien, beißen, kotzen.

Ja, natürlich ist Bochum kein Vorbild. Zu hohe Erwartungen von ahnungslosen und pöbelbereiten Fans gegenüber einem nachweislich vereinshistorisch überdurchschnittlich erfolgreichen Trainer sind verachtenswert. Hier allerdings regt sich mein Intellekt nun doch zu Widerspruch gegen Deinen impliziten Vergleich Koller/Frontzeck. Frontzeck hat noch nichts Vergleichbares für Gladbach geleistet wie Koller für den anderen VfL. Auch bei seinen bisherigen Vereinen hat Michi genau das, wofür Koller in Bochum stand – die Wiedergeburt der Unabsteigbarkeit – eben nicht verkörpert. Frontzeck hatte mit Aachen einen Schnitt von 1,12 Punkten pro Spiel, mit Bielefeld 0,87 (mit Borussia bisher 1,25). Koller hat sich in Bochum mit einem Schnitt von 1,34 aus 149 Spielen verabschiedet – ein Wert also, den Frontzeck (wohl mit der in Gladbach heute nominell besseren Mannschaft) nie erreicht hat.
 
Nein, zum Frontzeckverteidiger werde ich wohl nicht so bald werden. Das ist mir fast so fern wie der „F“C Köln, der mich allerdings gestern das Fürchten lernte: Was, wenn Gladbach und Kölns Linien wiedereinmal gegenläufig verlaufen? Was, wenn Gladbach am Anfang der Saison kurz Hoffnung bei seinen Fans weckte und nun, nach vier Niederlagen aus fünf Spielen, schon im September der Absturz kommt? Was, wenn Köln, nach nun zwei Siegen in Folge, die Kurve gekriegt hat und an uns vorbeizieht? Was, wenn sich genau dann rausstellt, dass Soldo eben tatsächlich der gute Trainer ist, für den alle ihn halten, die mal mit ihm näher zu tun hatten, und Frontzeck der fragwürdige Coach, für den die meisten ihn halten, die sich seine bisherigen Leistungen und nicht seinen Erstwohnsitz anschauen? Dann wird dies wieder eine Saison wie so viele: Bedrohlich und zum heulen, kratzen, schreien, beißen, kotzen. Aber mit diesen Emotionen liefert Gladbach bisweilen ja am Ende dann doch Platz 15 oder 14 und die Chance zum Schluss wieder so zu Jubeln wie ganz am Anfang. Im Moment fürchte ich aber, wir können uns bis dahin wieder auf eine heftige Durststrecke einstellen, in der auch Dir das meditative Autofahren noch vergehen könnte. Mit Angie kann ich nun nach drei Wochen Urlaub sagen: Ich habe die Kraft für diese Saison. Und Du solltest Dir schleunigst Pathos-Rock und Richard Wagner in den CD-Wechsel Deines Autos legen.

Weiter gute Fahrt und bis nächste Woche herzlich

Dein Martin