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SEITENwechsel Frankfurt gut, alles gut: Wir lesen Spiele wie Zeitungen und sind gut drauf, vor allem beim VfLog. Martin flüchtet daraufhin weiter unten in chinesische Weisheiten, weil so viel Glück anders gar nicht erträglich wäre. Wetten, daß die Chinesen noch jede Antwort auf unsere Fragen kennen, selbst Fragen, die wir noch gar nicht gestellt haben? Etwa: Wer wird am Samstag um 18.53 h als erstes links am Schiedsrichter vorbeilaufen? Wer steht als nächstes nicht abseits, ohne daß es die drei überflüssigsten Zeitungen Deutschlands merken? Und wer ist eigentlich der Irre bei uns im Tor? "Ihr Einsatz, bitte" raunen die Bambusstangen, und irgendwo am Yangtse bestellt sich gerade jemand einen neuen Mercedes.



Lieber Joachim,

manchmal, bevorzugt am Wochenende, lese auch ich die Zeitungen der letzten 7-14 Tage. Dies gehört auch zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, oft gesellt sich noch das eine oder andere Magazin hinzu. Die London Review of Books zum Beispiel hat die wunderbare Rubrik „Diary“, in der mal mehr, mal (mir) weniger bekannte Autoren über irgendein Thema schreiben, das sie gerade bewegt. Dort habe ich einen großartigen Text über Pokern gelesen oder eine Reflektion zur Bedeutung der VIP Lounge auf dem Flughafen von Haiti. Ja, diese Lektüren sind herrlich – ich weiß, wovon Du sprichst!

Und doch habe ich keine Ahnung, wovon Du sprichst! Ich weiß, man sagt, ein taktisch geschulter Kopf könne ein Spiel „lesen“, was ich prinzipiell für mich in Anspruch nehmen möchte. Doch diese Überraschungsmomente der Entdeckung, dieses Auftun ungeahnter Kontinente, dieser Genuss handwerklicher Könnerschaft, den mir die Wochenendlektüren manchmal schenken, wann fand ich das zuletzt bei Borussia? Sicher nicht beim Spiel gegen Frankfurt, dort ganz sicher nicht. Keine Frage: Gladbach hat mich in meinem Leben oft glücklich gemacht, auch unmittelbarer, körperlicher glücklich, als die allermeisten Zeitungslektüren dies je könnten. Doch scheint mir dies eine ganz andere Erfahrung zu sein, und gerade das Frankfurtspiel möchte ich nun kaum mit der einen Seite des Teekesselchens „Glück“ in Verbindung bringen. Glück haben wir gehabt, ja. Glücklich hat mich das Spiel nicht gemacht. (Aber sicher auch nicht so unglücklich wie den armen Nikolov…)

Aber dafür schätze, ja liebe ich Dich und Deine Briefe ja, dass sie das Glück dort sehen, wo andere blind sind, dass sie Optimismus gerade aus all dem schöpfen, was anderen die Hoffnung raubt. Und natürlich bin auch ich noch optimistisch. Denn, wie ein chinesisches Sprichwort sagt (man muss ja was für die Identifikation der fleißigen Leserschaft tun!): „Alle Dunkelheit der Welt kann das Licht einer einzigen Kerze nicht auslöschen.“

(An dieser Stelle bricht der Text ab. Ich hätte nicht auf Wikiquote nach chinesischen Sprichwörtern suchen sollen. Eine Quell der Weisheit tut sich mir auf, die just das Lektüreglück, von dem wir oben sprachen, produziert. Ja, den ganzen Fußball mag ich fortan nur noch mit chinesischen Sprichwörtern erklären. Zur Verletzungsmisere ruf ich: „Keine Arznei einzunehmen wirkt so gut wie einen mittelmäßigen Arzt zu haben“ Der „F“C Köln hat in der Kabine im Heimstadion offenbar dies  hängen: „In der Familie sei sparsam, doch Gästen gib reichlich.“ Und so weiter und so fort. Ich will mich zusammenreißen.)

Zurück also zum Thema: Auch ich bin optimistisch in Sachen Borussia, wenn Optimismus heißt, dass ich an den Klassenerhalt glaube. Auf schönen Fußball jedoch hoffe ich in dieser Saison und mit diesem Trainer vorerst nicht mehr. Und schon gar nicht bin ich so vermessen wie Du, ausgerechnet gegen Schalke Punkte zu fordern. (Höchstens rhetorisch, um den Druck auf Einwohnermeldeamt-Michi zu erhöhen und Ansprüche zu stellen, die er gar nicht erfüllen kann.) Doch ich will nicht zum ewigen Stinkstiefel werden. Schließlich mahnen mich diese weisen Worte: „Der Mann, der den Berg abtrug, war derselbe, der anfing, die kleinen Steine wegzutragen.“ Und das möchte ich Dich nun abschließend fragen: Warnt dieses Sprichwort uns, nicht die kleinen Steine fortzutragen, weil wir damit den Berg zerstören, oder ermuntert uns das Bild, auch vor großen Bergen nicht zu schrecken, sondern einfach mit den kleinen Steinen anzufangen? Und was heißt das für Borussia? Sag, bitte, Du es mir nächste Woche, lieber Joachim. Ich weiß es jedenfalls nicht.
 
Ich weiß nur dies: „Hüte dich vor Männern, deren Bauch beim Lachen nicht wackelt!“

Dein Martin