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Rechtzeitig zum Rückrundenstart krönen wir den Reigen der Feierlichkeiten zum 100. SEITENwechsel mit Martins Antwort auf unsere Vorlage beim VfLog. Wir staunen dabei nicht schlecht: Martin, sonst Ausbund an koketter Bescheidenheit und kritischem Rationalismus, enthüllt exklusiv sein wahres Inneres als einer der ganz wenigen elNuwaG (aka einzige legitime Nachfahren unseres weiland alten Goethe): Ihm geht es nicht nur um Fußball, sondern um die sprachlichen Subtilitäten, gleichsam das Hohe C (Hier könnte auch Ihre Werbung stehen!) des Sportjournalismus, die ihm selbst so ein erdiger Kick wie Osnabrück gegen Wesnabrück entlockt. Bravo, alter Meister, jauchzen wir ihm zu, zumal er mit dem ewig zeitlosen Dreiklang endet: VfL! VfL! VfL! (Feiern wir noch zumindest bis Samstag, denn dann wird es wieder körnig-knackig von uns heißen: Drei Punkte müssen her!)


Lieber Joachim, liebe Co-Ms,

das ist das schöne am Seitenwechsel, auch noch nach 100 Ausgaben: Alle Stimmen sind vertreten, alle Stimmungen sind dabei. Nicht zuletzt unsere beiden anderen Ms bieten einen Kontrast, der unseren Briefen in den Anfangsjahren die erste Würze gab, der eine flirtet sich todesmutig durch die Welt, während der andere jeden verstreichenden Tag nur als Wunde in seinem Fleische sieht, gezeichnet von Weltschmerz und Verbitterung.

Auch Dein Brief, Joachim, ist wieder eine Freude, voll staatsmännischer Souveränität, gewandt in Fußball von der Kreisliga bis zum Afrika-Cup, doch genauso versiert in der Hochkultur von Oper bis zum Zwergenwerfen. Was meine Rolle ist, kann ich da gar nicht recht charakterisieren. Als lapidarer Nörgler, der ungeachtet aller Ergebnisse seine Antihaltung frönt, habe ich mich zuletzt sehr wohl gefühlt, doch vielleicht verlangt das neue Jahrzehnt auch neue Haltungen, wollen die nächsten hundert Briefe mit einer neuen Hybrididentität geschrieben sein? Denn das ist ja das Schöne am Internet und insbesondere am Seitenwechsel: während im ‚real life’ alles beim Alten bleibt (wie Maik uns so bitter vor Augen führte), können wir im Seitenwechsel immer wieder aufs Neue ansetzen, uns mit jedem Federstrich neu erfinden (OK, diese Metapher ist in Bezug auf das Internet wohl selten benutzt worden).

Da ja die neuen Medien gedächtnislos sind, wie die eine oder andere Theoretikerin immer wieder zurecht behauptet, wollen wir auch nicht fragen, was aus den ersten hundert Briefen bleibt. Die richtige Frage stellt wie immer Joachim: Warum machen wir das eigentlich? Wieso setzen wir uns immer wieder hin, um ausgerechnet über VfLs zu schreiben, wo wir doch genauso gut in der kostbaren Zeit FIFA 2010 an unserer Playstation spielen könnten, um Borussia endlich einmal zum deutschen Meister zu machen?

Reich sind wir jedenfalls nicht geworden mit dieser Liebelei, und wenn in diesen Tagen Webseiten wie Galore eingestellt werden, die einen ähnlich eklektischen Zugang zur Wirklichkeit und zum Thema Journalismus an den Tag legen wie wir (wenn auch, natürlich, sehr viel weniger radikal als wir), dann zeigt dies, dass auch in naher Zukunft kommerziell für uns nichts zu holen sein wird. (Obwohl es einen Versuch wert wäre, liebe Kollegen von Seitenwahl: Für den Launch eines kostenpflichtigen Premiumbereichs Eurer Seite würde sich der Seitenwechsel doch sicher bestens als Gold-Content für die Upper-Mobile-Excellence-Readership-Abos anbieten, oder nicht?)

Ich würde aber auch nicht nur behaupten wollen, dass es allein die Liebe zum Fußball ist, die uns motiviert. Natürlich, Fußball ist der Ausgangspunkt, der Anlass für alle Briefe, und Fußball ist und bleibt die Nummer eins der sinnfreien Freizeitbeschäftigungen, und, lieber Joachim, ich würde auch noch weitergehen: sehr viele der vermeintlichen sinnvollen Tätigkeiten können mit Fußball ebenso wenig mithalten (Arbeit, Fortpflanzung usw.). Aber dieser Meinung sind viele, doch Briefe schreiben sich wenige Fußballfans. Daher seien wir doch einmal ehrlich, Schluss mit der Bescheidenheit: Wir greifen zu unserer alten Olympia-Schreibmaschine auch aus der Liebe zur Sprache, aus der gleichermaßen eitlen wie berechtigten Überzeugung, dass, was wir tun, einfach niemand anders so kann wie wir: Fußball in narrative, bisweilen auch lyrische oder sonst wie experimentelle linguistische Miniaturen zu verwandeln, die über den Spieltag hinaus Bestand haben. Wer soll’s denn sonst machen, wenn nicht wir? Der Beckmann? Der Kerner? Pocher mit seiner bescheuerten Bayern-WG? Ja selbst Reif und Jauch sind doch nur noch ein müder Abklatsch ihrer selbst, von DSF-Personal wie Wontorra oder ZDF-Ekel-Steinbrecher mal ganz zu schweigen. OK, es gibt die 11 Freunde, aber auch die unterliegen immer noch dem Wahn, sie könnten ein Fußballheft mit Berichten über Mannschaften wie Duisburg oder Hannover bestreiten.

Wirklich erleuchtet sind eben nur wir. Die wahre Bedeutung der VfLs kennen nur wir. Und die sprachliche Wortmacht, diese Wahrheit in die Welt zu tragen, haben nur wir. Wir machen diesen Job, weil wir ihn machen müssen. Weil wir einen Auftrag haben. Und deshalb ist auch keine Frage, dass wir weitermachen. Auf die nächsten 100, liebe Freunde!

VfL! VfL! VfL!

Euer Martin