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Mit der Entlassung von Michael Frontzeck an diesem Abend hat der Verein sehr spät die Konsequenzen der sportlichen Talfahrt in dieser Saison gezogen und dem öffentlichen Druck nachgegeben. Michael Frontzeck sei trotz aller Kritik, die in konstruktiver Form an ihm zu äußern ist, zugestanden, dass er zu jeder Zeit versucht hat, das aus seiner Sicht Beste aus dieser Mannschaft herauszuholen. Aufgrund seiner sympathischen, humorvollen Art ist es ganz besonders tragisch, dass ihm kein Erfolg beschieden war und er sich letztlich nicht als der gute Trainer herausgestellt hat, mit dem man voller Überzeugung durch dick und dünn gehen sollte.


Noch in der Winterpause hatte man sich – entgegen den Gepflogenheiten im Geschäft Bundesliga – zu einer bemerkenswerten Entscheidung durchgerungen und am umstrittenen Trainer festgehalten. Die sportliche Leitung um Max Eberl und Rainer Bonhof zeigte sich von Michael Frontzeck überzeugt und traute ihm mit einer neu aufgestellten Mannschaft die Aufholjagd in der Rückrunde zu. Aussortiert oder zurückgesetzt wurden schwierige Charaktere (Bobadilla, Bradley, Bailly, Arango). Mit Stranzl, Fink, Nordveidt und Hanke kamen im Gegenzug bundesligaerfahrene Profis hinzu. Mit zwei glücklichen Auswärtssiegen gestartet, erstickte der doppelte Niederschlag gegen die direkte Konkurrenz aus Stuttgart und St. Pauli jede aufkommende Hoffnung auf den Klassenerhalt gleich wieder im Keim. Folgerichtig sahen es die Verantwortlichen jetzt an der Zeit, die Reißleine zu ziehen und mit einem neuen Trainer vielleicht doch noch die Impulse zu setzen, die zu einer wundersamen Rettung des Vereins dringend nötig sind.

Der eine oder andere Frontzeck-Kritiker wird jetzt wieder optimistischer auf die Rest-Rückrunde blicken. Doch die Erwartungshaltung, mit der Trennung vom vielerorts ungeliebten Übungsleiter werde jetzt automatisch alles gut, erscheint allzu trügerisch. Dies wäre nur dann realistisch, wenn die Mannschaft zuletzt gegen ihren Trainer gespielt hätte. Bei allen unsäglichen Leistungen der letzten Wochen und Monate ist davon aber (leider) nicht auszugehen. Die Probleme in der Mannschaft scheinen vielmehr tiefer zu liegen, in einer Mischung aus fehlender Qualität, unzureichender Hierarchien und mangelndem Charakter. Michael Frontzeck muss sich vorwerfen lassen, dieser Probleme zu keiner Zeit habhaft geworden zu sein und ihnen rat- wie hilflos gegenübergestanden zu haben. Dies rechtfertigt zwar seine Entlassung. Es sollte aber jedem klar sein, dass die Misserfolge keinesfalls nur dem sympathischen Ur-Gladbacher alleine anzulasten sind.

Michael Frontzeck hat in seinem ersten Jahr als Borussen-Trainer vieles richtig gemacht. Er präsentierte uns gepflegten Offensivfußball, wie wir ihn lange nicht von einer Mannschaft mit der Raute gesehen hatten. Zu keiner Zeit war der Abstiegskampf ein ernsthaftes Thema. Die positiven Auftritte einiger Jungspieler (Reus, Hermann, Bäcker) machten Hoffnung, dass hier endlich wieder so etwas wie eine echte Fohlen-Elf heranwachsen könnte, die sich dauerhaft in der 1. Bundesliga etablieren würde. Dies alles fand mit dem 6:3 in Leverkusen am 2. Spieltag der neuen Saison seinen Höhepunkt. Der Gala-Auftritt ließ so manchen Experten davon fabulieren, in der Borussia die kommende Positivüberraschung der Saison zu erkennen. Bei den ohnehin gewohnt überschwänglichen Fans war zu diesem Zeitpunkt bereits ein einstelliger Tabellenplatz als Mindestziel vorgesehen.

Doch es kam anders. Bereits 2 Spiele und 11 Gegentore später war Borussia aus allen Träumen gerissen. Spätestens mit dem folgenden 1:2 gegen den FC St. Pauli war Europa vergessen und knallharter Abstiegskampf angesagt. Beungünstigt durch das Pech mit diversen Schiedsrichterentscheidungen sowie durch die Verletzungen der beiden Stamm-Innenverteidiger Dante und Brouwers  strudelte die Mannschaft endgültig in einen Negativlauf, aus dem sie bis heute kein Entrinnen gefunden hat. Michael Frontzeck beging in dieser Situation so einige Fehler, die ihm am heutigen Tage endgültig zum Verhängnis wurden.

Versuchte er es in der Vorrunde noch in manchen Interviews beiseite zu wischen, so sind mittlerweile 7 Platzverweise ein zu deutliches Zeichen. Zu viele Spieler der Borussia erweisen ihrer Mannschaft mit ihren Undiszipliniertheiten einen Bärendienst. Ob Bobadilla, Arango oder jüngst de Camargo mit ihren Roten Karten. Ob Bailly, Idrissou und Co. mit diversen Interviews. Borussia vereint in seinem Kader eine Reihe schwieriger Charaktere – eine Tatsache, die beiVertragsabschluss all dieser Spieler bekannt gewesen ist. Natürlich kann man Frontzeck nur begrenzt anlasten, wenn ein de Camargo unbeherrscht auf seinen Gegner zurennt, dieser sich armselig fallen lässt und der Schiedsrichter das dermaßen unpassend sanktioniert. Nur: Wenn sich solche Aktionen dermaßen oft wiederholen, dann ist das auch ein Problem des Trainers, der den Charakter dieser Spieler nicht in den Griff bekommt. Ihm sei zugestanden, in diesem Punkt mit diversen Suspendierungen viel versucht zu haben. Letztlich aber ohne Erfolg. Dafür wurden Bobadilla, Bradley und Arango geopfert und es ist zu hinterfragen, ob es für den Trainer spricht, wenn er das Problem löst, indem er diese Spieler einfach rasiert. In einer Situation, in der man auf eine richtig gute Rückrunde angewiesen war, ist das jedenfalls ein gehöriger Luxus. So richtig es allgemein sein mag, auf Spieler mit Charakterschwächen keinen Wert zu legen, so muss ein guter Trainer sich immer auch der Situation anpassen können, was Frontzeck nur sehr bedingt gelang.

Sich gleich vier bis fünf charakterliche Problemfälle aufzuhalsen, damit haben sich Frontzeck und Eberl offensichtlich keinen Gefallen getan. Ganz besonders, weil es gerade jene Spieler waren, die ganz wesentlich zur (vermeintlichen) Qualität hätten beitragen sollen. Vom Marktwert, vom Anspruch und vom Talent her hört sich eine Achse aus Bailly - Dante - Bradley - Arango - Bobadilla zumindest theoretisch gar nicht schlecht an. Es wird erst dadurch zum Problem, dass vorne und hinten zwei intellektuell arg eingeschränkte Egozentriker die Achse umschlossen. Dazwischen befinden sich zwei weitere Spieler, die in schlechten Zeiten offensichtlich nicht zuerst an den Verein, sondern an ihre eigene Karriere denken. Und dazu ein Dante, der lange Zeit verletzt ausfiel.

In guten Zeiten war diese Achse ein Garant für Erfolg und ansehnlichen Fußball, denn wenn es läuft, stehen die genannten Spieler für richtig hohe Qualität, mit der uns tatsächlich auch in dieser Saison eine Positivüberraschung hätte gelingen können. In schlechten Zeiten hingegen musste dies angesichts des Charakters der Achsenspieler genauso schlüssig in sich zusammenbrechen. Vorige Saison lief vieles rund und "normal". Da kam die Qualität der Achsenspieler gut zum Tragen und das reichte für eine ordentliche Saison. In dieser Saison hatte die Mannschaft zu Beginn viel Pech, so dass sie auf die schiefe Bahn geriet. In dieser Situation kam der Negativcharakter der Schlüsselspieler zum Tragen. Und damit verselbstständigten sich die Probleme immer mehr und es begann ein tödlicher Teufelskreis.

Im Winter wurde das Problem zum Teil erkannt und die schwierigen Charaktere wurden weitgehend entsorgt. Was aber zur Folge hatte, dass zunächst einmal gar keine Achse mehr bestand und zudem einiges an Qualität weggebrochen ist. Mit Stranzl, Fink, ggf. Hanke und dem zurückgekehrten Dante sollte eine neue Achse aufgebaut werden. Ein grundsätzlich richtiger Schritt, der aber Zeit benötigt, die der Verein nicht wirklich hat. Fraglich zudem, ob die neuen Achsenspieler genügend Qualität mitbringen, um das Wunder Klassenerhalt noch zu bewältigen. Hier stellt sich die Frage, ob die sportliche Leitung im Winter nicht vehementer hätte einfordern müssen, mehr Geld in die Hand zu nehmen, um mit noch mehr Qualität die Chancen auf den Klassenerhalt zu erhöhen. Fernab davon, dass bei einem Abstieg ein hoher zweistelliger Millionenbetrag verloren geht und es alleine deshalb betriebswirtschaftlich sinnvoll erscheint, das Risiko dieses Szenarios zu minimieren. Hätte man Bradley und ggf. Bobadilla direkt verkauft anstatt sie zu verleihen, so wäre ein beachtlicher Millionenbetrag für neue Spieler zur Verfügung gestanden. Wenn man für diese 5-6 Millionen Euro einen (zusätzlichen) Topspieler bekommen hätte, der die Mannschaft qualitativ richtig weitergebringt, dann wären die Chancen auf den Klassenerhalt nicht unerheblich gestiegen. In den letzten beiden Spielen war ganz klar zu erkennen, dass es teils nur Nuancen waren, die uns von einem erfolgreicheren Abschneiden getrennt haben. Überspitzt gesagt: Ein van Buyten in alter HSV-Form oder ein Simunic in alter Hertha-Form hätten gegen Stuttgart oder St. Pauli den Unterschied ausmachen können. Ob die beiden (die hier nur exemplarisch genannt seien) diese alte Form hätten erreichen können und ob sie mit noch so viel Geld zu einem Transfer hätten bewegt werden können, sind weitergehende Fragen. Man hätte es allermindestens aber versuchen müssen, in diesen Kategorien zu denken.

Die Zusammensetzung des jetzigen Kaders ist alles andere als optimal, was sich neben Manager Max Eberl zum Teil auch der Trainer vorwerfen lassen muss. Die Einkäufe der letzten Jahre sind zwar vielfach besser als es von einigen dargestellt wird. Selbst ein Bobadilla ist sportlich mitnichten ein Vollblinder und man konnte in einigen Spielen erkennen, welche Erwartungen man in diesen Spieler gesetzt hatte. In der Gesamtheit haben sich aber leider zu wenige dieser Erwartungen erfüllt. Zudem wurden und werden Fähigkeiten diverser Spieler zu optimistisch eingeschätzt. Dies betrifft in ganz besonderem Maße Sebastian Schachten, an dem Michael Frontzeck extrem lange festhielt, obwohl er über mehrere Monate hinweg jegliche Bundesligatauglichkeit vermissen ließ. Auch Karim Matmour und Thorben Marx genossen allzu lange sehr hohes Vertrauen des Trainers, das sie am Ende nicht zurückzahlen konnten.

Der Ausfall von Brouwers/Dante stellte Frontzeck vor unlösbare Probleme, obwohl die vorgesehenen direkten Reservespieler (Schachten, Anderson, Wissing) überwiegend einsatzbereit waren, aber leider keinen auch nur ansatzweise adäquaten Ersatz darstellten. Die Fehleinschätzung der sportlichen Leitung bzgl. dieser Spieler führte zu einer über weite Strecken der Vorrunde untauglichen Viererkette. Schon im Vorjahr war die Zahl der Gegentore zu hoch. Spätestens nach den 11 Toren aus Frankfurt/Stuttgart musste bei Michael Frontzeck ein Denkprozess einsetzen, wie die defensiven Schwächen abgestellt werden könnten. Glaubt man seinen öffentlichen Aussagen, dann endete dieser Prozess stets in dem erschöpfenden Verweis auf das Verletzungspech, was den Profis zu allem Überfluss ein dankbares Alibi lieferte. Selbst wenn der Ausfall der beiden Innenverteidiger über mehrere Monate zweifelsohne ein schwerer Schlag für einen jeden Bundesligisten wäre. Die Aufgabe des Trainers besteht auch darin, aus den gegebenen Möglichkeiten das Optimum herauszuholen.

Sicher waren die Alternativen zu Schachten mit Wissing oder Neustädter nicht hochklassig. Aber sie waren da. Und später wiesen beide nach, dass sie zumindest nicht ganz so katastrophal spielten wie der Ex-Paderborner. Doch fernab von den Personalien: Es dauerte bis zum 17. Spieltag ehe der Trainer eine erkennbare Reaktion zeigte und sein Spielsystem hinterfragte. Ein Hans Meyer hätte spätestens am 11. oder 12. Spieltag alles daran gesetzt, die Defensive um jeden Preis zu stabilisieren. Notfalls durch die Installation eines Liberos. Wenn man eine (durch Verletzungspech) dermaßen schwache Viererkette aufstellen muss, dann kann es nicht gut gehen, wenn im defensiven Mittelfeld zwei offensiv ausgerichtete 6er stehen. Weder Marx und schon gar nicht Bradley sind klassische 6er, so dass Borussias Mittelfeld (zusätzlich mit z. B. Arango und Reus als Außen) insgesamt viel zu offensiv ausgerichtet war, um der Viererkette in ihrer Notbesetzung helfen zu können. Das nicht zu erkennen und abzustellen, war ein kaum zu entschuldigender Fauxpas des Trainers. Taktische Fehlgriffe konnte man ihm auch bei diversen Einwechselungen vorwerfen. So am Samstag, als er beim Stand von 1:1 den defensiven Marx für einen offensiveren Hermann brachte und damit die Zeichen eindeutig auf Rückzug legte. Oder in der Vorwoche gegen Stuttgart, als er das ab der 35. Minute immer stärker überforderte Jungduo im defensiven Mittelfeld nicht durch die Einwechselung von Fink stabilisierte. Immerhin war dieser doch genau dafür verpflichtet worden, in schwierigen Phasen für Struktur und Ordnung zu sorgen.

In der Gesamtheit stand Frontzeck den Schwächen seiner Mannschaft viel zu lange viel zu hilflos gegenüber. Wenn eine Mannschaft innerhalb von 22 Spielen insgesamt 25 Punkte nach einer Führung liegen lässt, dann ist dies nicht normal. Das ist eine Frage des Charakters und der fehlenden Hierarchie und dies ist dann im besonderem Maße auch dem Trainer anzulasten, der dafür Sorge zu tragen hat, dass sich aus einer Ansammlung talentierter Fußballer eine brauchbare Mannschaft formt. Es war zu keiner Zeit zu erkennen, wie Frontzeck auch nur ansatzweise diesen Problemen sinnvoll begegnen wollte. Es wurde vielmehr kontinuierlich weiter gearbeitet in der Hoffnung auf ein Wunder, dass es irgendwann irgendwie besser wird. Das wurde es nicht. Die Mannschaft bricht nach jedem Funken Gegenwehr in sich zusammen: Sei es ein stärker werdender Gegner, ein (unerwartetes) Gegentor und/oder eine Rote Karte. Sobald irgendwo Schwierigkeiten auftreten, ist die Mannschaft verloren und stellt das Fußball spielen ein. Der Trainer schaute dem hilf- und ratlos zu und präsentierte keinerlei Lösungen, wie er dies zu ändern gedachte. Dies wäre zu akzeptieren, wenn es kurzfristig in einigen Spielen passiert. Wenn es aber über 19 Spiele so läuft, dann ist vom Trainer mehr zu erwarten. Selbst die erfolgreichen Spiele waren fast alle davon geprägt, dass die Mannschaft gute Phasen hatte, in denen sie zeigte, was vielleicht möglich sein könnte. Diese Phasen dauerten aber fast immer nur über maximal eine Halbzeit an. Wie kann es sein, dass eine Mannschaft fortlaufend nicht in der Lage ist, zumindest ein gewisses Grundniveau über 90 Minuten abzuliefern? Wer, wenn nicht der Trainer, kann hierfür mit verantwortlich gemacht werden? Ob darüber hinaus noch konditionelle Defizite vorherrschen, sei dahingestellt. Der regelmäßige Einbruch in Halbzeit 2 spricht zumindest auch nicht wirklich für Michael Frontzeck.

Von daher ist die Entscheidung der Verantwortlichen zu begrüßen und zu verstehen, den weiteren Verlauf der Saison in die Hände eines anderen Übungsleiters zu begeben. Ob dieser sämtliche angeführten und aufgestauten Probleme noch in dieser Saison zu lösen imstande ist, mögen nur große Optimisten erwarten. Zu groß erscheinen die beschriebenen Defizite, zu groß erscheint bereits der Rückstand auf die Plätze 15 und 16. Versuchen muss man es natürlich trotzdem, ob mit einem klassischen Feuerwehrmann, einer Newcomer-Lösung der Marke Demandt oder einem perspektivischen Trainer, der auch für den Wiederaufstieg im kommenden Jahr bereit stünde.

Sofern die nächsten Spiele nicht überraschende Erfolge bringen, werden die Diskussionen aber nicht verstummen. Max Eberl hat sich durch seine Nibelungentreue zu seinem Trainer Frontzeck selbst in eine schwierige Lage begeben. Einige der angesprochenen Kritikpunkte sind in nicht unerheblichem Maße auch ihm anzulasten. Dem gegenüber steht eine Transferbilanz, die neben einiger Schatten auch einiges an Licht (insb. Marin, Reus, Dante) aufzuweisen hat. In aller Regel wird ein Manager nicht gleich mit dem ersten Trainer rausgeworfen. Die Tatsache, dass Borussia hier einen ganz besonderen Weg gehen wollte, könnte aber auch diesen sonst üblichen „Mechanismus“ des Geschäfts Bundesliga außer Kraft setzen. Bis zur Jahreshauptversammlung im Mai wird noch einiges passieren und bei aller Frustration über die wieder einmal so verfahrene Situation unseres Vereins sollten wir uns ganz genau anschauen, wem wir zukünftig die Geschicke unseres Vereins anvertrauen möchten.