Warnung
  • JUser: :_load: Fehler beim Laden des Benutzers mit der ID: 76

Wenngleich Christoph Kramer aufgrund seines brasilianischen Sommer-Intermezzos etwas später in die Saison starten darf, bestimmt er in den letzten Wochen die Schlagzeilen. Grund dafür ist seine Vertragssituation, nach der er ein weiteres Jahr an Borussia ausgeliehen ist, während er noch bis 2017 vertraglich an Bayer Leverkusen gebunden ist. Der Werksklub hatte Max Eberl vor der letzten Saison bewusst keine Kaufoption eingeräumt, weil man sich ihn im Bewusstsein seiner guten Entwicklung in Bochum schon damals als potentiellen Nachfolger für den alternden Simon Rolfes vorstellen konnte. Unter Lucien Favre entwickelte sich Kramer dann sogar noch positiver weiter als es selbst Optimisten zu hoffen gewagt hatten und verdiente sich seine WM-Teilnahme durch sein solides 6er-Spiel und seine unermüdliche Laufleistung.

Dass er als Bestandteil des Weltmeister-Kaders Begehrlichkeiten auch anderer Großvereine weckt, ist wenig überraschend. Da aber bei einem Transfer noch in diesem Sommer sowohl Borussia als auch Bayer millionenschwer hätten abgefunden werden müssen, sind all diese Spekulationen rein hypothetischer Natur gewesen. Auf den ersten Blick scheint auch die Ausgangslage für den kommenden Sommer eindeutig, da Rudi Völler mehrfach betont hat, den Spieler für die Saison 2015/16 wieder in Leverkusen begrüßen zu wollen. In den letzten Tagen aber meldete sich der Spieler selbst zu Wort und beklagte den vermeintlichen "Menschenhandel" um seine Person. Er selbst wolle ebenfalls gefragt werden, wo er denn spielen wolle und letzten Endes würde er nirgendwohin gehen gegen seinen ausdrücklichen Willen. Solche Aussagen in Verbindung mit der Bestätigung, dass er sich in Mönchengladbach sehr wohl fühlt, mögen in diesem speziellen Fall für Borussia und ihre Fans positiv klingen. Trotzdem erstaunt, wie unwidersprochen sie in den Medien und selbst von vielen Fans hingenommen werden.

Bei allem Wissen um die Realitäten des modernen Fußballgeschäfts: Selbst für einen Weltmeister sollten geschlossene Verträge Gültigkeit besitzen. Niemand hat Christoph Kramer dereinst gezwungen, in Leverkusen einen Vertrag bis 2017 zu unterschreiben. Damals dürfte ihn angesichts der noch ungewissen Zukunft die Aussicht auf solch langfristige (finanzielle) Sicherheit gereizt haben. Es ist sein gutes Recht, nunmehr auf die veränderte Situation zu verweisen und um ein höheres Gehalt zu pokern. Es ist aber anmaßend, wenn ein hochbezahlter Bundesliga-Profi, der aus freien Stücken Beschäftigungsverträge unterschreiben darf, seine Situation allen Ernstes mit dem selten allzu gut bezahlten "Menschenhandel" gleichsetzt. Die Selbstverständlichkeit, mit der sich Spieler heutzutage über von ihnen geschlossene Verträge hinwegsetzen möchten, ist auch als Borussen-Fan nicht gutzuheißen.

Dies umso weniger als dass Gladbach einen Spieler beschäftigt, der sich aktuell mit allen Mitteln um seine Vertragserfüllung drücken möchte. Sinan Kurt hat vor einigen Jahren einen Vertrag bis 2016 unterschrieben. Mit Verweis auf die DFB-Regularien möchten Spieler und Berater die Laufzeit nunmehr um ein Jahr verkürzen. Am allerliebsten will man aber von Borussia die Zusage, möglichst sofort zum FC Bayern München wechseln zu dürfen, wo das Riesentalent für das Verkümmern seiner sportlichen Perspektiven zumindest fürstlich entlohnt wird. Der Verein ist gut beraten, sich hier nicht einseitig vom Spieler die Vorgehensweise diktieren zu lassen. Genauso ist es aber auch Bayer zuzugestehen, dass man auf Kramers Vertragserfüllung pocht oder für einen Verkauf zumindest adäquat entlohnt werden möchte.

Mitleid mit Bayer angesichts der hochkochenden DIskussionen braucht sicherlich niemand zu haben. Spätestens seit der Transferposse um Hakan Calhanoglu weiß ein jeder, mit welchen Tricks Rudi Völler arbeitet. Auch hier setzte sich ein Spieler über einen noch vor kurzem geschlossenen Vertrag hinweg und meldete sich gar krank, als ihm der Wechselwunsch nicht gewährt werden sollte. Es ist traurig, dass solcherlei Gebaren in der heutigen Zeit als normal hingenommen und die höchst einseitige Macht der Spieler von der Öffentlichkeit nicht einmal mehr in Frage gestellt wird. Denn andersherum gibt es wohl keinen Spieler, der freiwillig auf die (überhöhten) Gehaltszahlungen eines langfristig geschlossenen Vertrags verzichtet, wenn seine sportliche Entwicklung zu wünschen hat übrig lassen.

Borussia wird sich trotz aller Spekulationen darauf einstellen müssen, zur Saison 2015/16 auf Kramer verzichten zu müssen. Eine überragende Saison und die potentielle Aussicht, im nächsten Jahr Champions League spielen zu können, könnten eine geringe Chance auf einen Verbleib bieten. Im Normallfall können andere interessierte Vereine dem Neu-Nationalspieler aber ein höheres Gehalt und vermutlich auch bessere sportliche Perspektiven aufzeigen. Für Borussia hat sich der Deal trotzdem gelohnt, denn für zwei Jahre hatte man einen hochwertigen 6er, der in der vergangenen Saison nicht unwesentlich zum Erreichen des Europapokals beitrug. Viel länger lässt sich ein Topspieler, der es bis in die deutsche Nationalmannschaft schafft, ohnehin kaum halten.

Für die anstehende Saison ist zu wünschen, dass sich Kramer von den schwelenden Diskussionen um seine Person nicht zu sehr beeinflussen lässt. Als einziger Weltmeister im Team steht er sowieso besonders im Fokus. Nicht zuletzt dank seiner Aussagen der letzten Tage werden die Medien zudem weiterhin kontinuierlich über seine Zukunft spekulieren bis sich - vermutlich erst zum Ende der Saison - eine endgültige Entscheidung ergibt. Unruhe ist also vorprogrammiert und bei jedem schwächeren Spiel von Kramer wird sich ein entsprechender Zusammenhang konstruieren lassen. Es wäre schade, wenn das (bislang) so erfolgreiche Gastspiel des grundsätzlich so sympathischen Christoph Kramer auf diese Weise einen unschönen Beigeschmack bekäme.