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Die Defensive

Die alte, so erfolgreiche Saison ist gerade erst vorbei, da hat die Vorbereitung auf die neue bereits begonnen. Wie ist Borussia kurz nach dem Trainingsstart auf den Defensiv-Positionen aufgestellt? Reicht der Kader aus, um sich den wachsenden Ansprüchen in der Liga und den anspruchsvollen Aufgaben in der Champions League stellen zu können?

Torwart

Auf keiner Position lässt sich die Frage so eindeutig mit Ja beantworten wie im Tor. Mit Yann Sommer sollte Borussia für die nächsten Jahre gut aufgestellt sein. Der Schweizer hat sich innerhalb eines Jahres als einer der besten Torhüter der Bundesliga etabliert, der sich auch international nicht zu verstecken braucht. Von den statistischen Werten lag er sogar besser als Welttorhüter Manuel Neuer. Mit seinen 26 Jahren ist er zudem im besten Torhüteralter. Die einzige Sorge könnte darin bestehen, dass er bei weiter herausragenden Leistungen, u. a. im Schaufenster Champions League, Begehrlichkeiten bei anderen Vereinen wecken könnte. Die zwischenzeitlich kolportierte Ausstiegsklausel von angeblich 5 Mio. Euro darf zwar getrost als absurdes Internet-Gerücht abgehakt werden. Es ist aber bekannt, dass Eberl ein Freund des Systems "Ausstiegsklausel" ist und mittlerweile wohl jeder Leistungsträger eine solche in seinen Vertrag reinverhandelt haben wird.

Da Borussia aber langfristig mit Sommer plant, erscheint es aktuell nicht zwingend nötig, einen jungen Keeper aufzubauen. Stattdessen wird ein ähnlicher Weg beschritten wie beim FC Bayern, der seit einigen Jahren auf das Heranzüchten junger Talenttorhüter verzichtet - im besten Wissen, dass für die nächsten Jahre sowieso kein Keeper an die unumstrittene Nr. 1 vorbeikommen wird - und stattdessen auf routinierte Ersatzkeeper setzt. In Gladbach sind dies Neuzugang Tobias Sippel, der als ehemaliger Stammtorwart des Fast-Aufsteigers Kaiserslautern die eindeutige Nr. 2 sein wird, sowie Christofer Heimeroth als Stand By für den Notfall. Eine perfekte Strategie, wenn auf lange Sicht mit der Nr. 1 geplant werden kann. Als problematisch könnte sie sich erweisen, wenn Sommer im kommenden Jahr bereits von einem internationalen Topklub abgeworben werden sollte. Dann müsste Borussia definitiv einen starken neuen Keeper verpflichten und einmal mehr auf ihr Einkaufsgeschick vertrauen, da weder Sippel noch Heimeroth dauerhaft zur Nr. 1 taugen. Für die bevorstehende Saison lässt sich aber mit Fug und Recht sagen, dass sich Borussia mit ihren Torhütern qualitativ vor keinem anderen Bundesligisten oder Champions-League-Teilnehmer zu verstecken braucht.

Abwehr

In der Defensive hat es bislang die größten Neuerungen gegeben, wenngleich der von vielen Fans so herbeigesehnte „Kracher“ (noch) nicht verpflichtet wurde. Aus Belgien halten sich hartnäckig die Gerüchte, Borussia sei an dem alterlosen Chancel Mbemba Mangulu aus Anderlecht interessiert, aber bislang noch nicht bereit die geforderte Ablösesumme von 10 Mio. Euro zu bezahlen. Max Eberl nahm in diesem Zusammenhang deutlich Stellung, dass ein Einkauf dieser Größenordnung für die Abwehr in dieser Transferperiode nicht mehr zu erwarten sei. Dies würde auch nicht zur bisherigen Strategie passen, denn qualitativ ist Borussia bereits jetzt hochkarätig aufgestellt. In der kicker-Rangliste zur Innenverteidigung landeten gleich 3 Borussen auf den 7 Top-Plätzen. Tony Jantschke wurde zudem 2. auf der defensiven Außenbahn. Da selbst ein Havard Nordtveit für die Viererkette in Frage kommt und er – genau wie Jantschke und Dominguez – flexibel einsetzbar ist, sollte hier nicht zwingend ein Engpass zu erwarten sein.

Die Probleme liegen eher in der Altersstruktur, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass Martin Stranzl (35) und Roel Brouwers (33) weiterhin so nonchalant ihren Alterungsprozess ignorieren wie in den vergangenen Jahren. Beim Österreicher machten sich zuletzt bereits vermehrt Verletzungen bemerkbar, so dass Borussia auf alle Eventualitäten vorbereitet sein sollte. Eberl hat sich entschieden, auf junge, viel versprechende Talente zu setzen, in der Hoffnung, dass sich (mindestens) einer von ihnen schon (kurz- bis mittelfristig) durchsetzen möge. Nico Elvedi musste beim Europa League Auftritt in Gladbach ebenso Lehrgeld auf internationalem Parkett zahlen wie zuletzt Julian Korb bei der U21. Eben jener Korb war der letzte junge Newcomer, der sich bei Borussia nach oben gekämpft hat. Mit Elvedi, Egbo, ggf. Christensen oder auch Marvin Schulz verfügt Borussia jetzt wieder über einige talentierte Akteure mit aussichtsreicher Zukunftsperspektive. Borussias Scouting hat in den vergangenen Jahren so gut funktioniert, dass ihnen auch hier der eine oder andere Volltreffer zuzutrauen ist, wenngleich sich dies ggf. erst in der übernächsten Saison offenbaren könnte.

Die Diskussion darf geführt werden, ob mit Blick auf die historische Chance, erstmals in der Champions League spielen zu dürfen, der Kauf eines etablierten Spielers sinnvoller gewesen wäre, der mit größerer Wahrscheinlichkeit schon in dieser Saison Stammplatzpotential aufweist. Also allermindestens die Kategorie Dominguez, die Max Eberl vor 3 Jahren nach dem Abgang von Dante aus dem Hut zauberte. In diesem Jahr hat er sich für den riskanteren, aber im Optimalfall zukunftsträchtigeren und ungleich billigeren Weg entschieden. Nicht zuletzt deshalb, weil einige der etablierten Kandidaten, wie Ginter oder Mbemba, in diesem Sommer nicht für einen akzeptablen Preis zu erstehen waren. Für diese Spielzeit erscheint der Kader defensiv quantitativ wie qualitativ noch ausreichend stark besetzt. Wer in der gesamten Rückrunde nur 10 Gegentore in der Bundesliga kassiert und u. a. den Bayern in zwei Partien überhaupt keinen Treffer gestattet, der sollte auch in der Champions League bestehen können. Sollten die jungen Spieler aber nicht wie erhofft einschlagen, stünde der Verein im kommendem Sommer unter ungleich stärkeren Druck, weil spätestens dann mindestens eine potentielle Stammkraft für die Viererkette benötigt wird.

Defensives Mittelfeld

Der Abgang von Christoph Kramer schmerzt, da Borussias Weltmeister mit Granit Xhaka extrem gut harmonierte. Bei aller Wertschätzung für die Top-Leistungen von Sommer, Stranzl, Herrmann und Co. Diese Doppel-6 war der allergrößte Erfolgsgarant der vergangenen Saison, da sie zum einen vieles von Borussias Defensive fernhielt und zum anderen das Offensivspiel ankurbelte und lenkte. Kramer war hierbei das Arbeitstier, das mit seinen Dauerläufen die Fleißarbeit verrichtete. An seine Stärken ist Havard Nordtveit in den vergangenen Jahren leider nicht herangekommen. Zur Erinnerung: Noch vor einigen Jahren war der damals sehr junge Norweger zeitweise bester Akteur der Fohlenelf und galt schon mit 21, 22 Jahren als Führungsspieler. Seitdem hat er aber stagniert und gehört angesichts der gestiegenen Ansprüche des Vereins mittlerweile eher zu den Mitläufern. Seine Flexibilität könnte ihm zugute kommen, da er im Notfall auch als Innen- oder Rechtsverteidiger eingesetzt werden kann. Die größten Hoffnungen setzt er aber darin, zukünftig die Rolle von Kramer ausfüllen zu dürfen, da diese Position bislang noch nicht wirklich 1:1 ersetzt wurde.

Lars Stindl hat zwar in Hannover früher in dieser Funktion agiert. Seine besten Leistungen lieferte er aber in offensiverer Rolle ab. Es erscheint zumindest fraglich, ob er gemeinsam mit Xhaka auf der Doppel-6 so gut funktioniert wie es Kramer gelungen ist. Vorstellbar ist, dass Lucien Favre sein System entsprechend anpassen könnte, damit ein Zusammenspiel der beiden in der Mittelfeldzentrale optimal passt.

Als Alternative zu Nordtveit und Stindl wird Eberl mit ziemlicher Sicherheit noch einen weiteren Akteur für diese Position verpflichten. Nach aktuellem Stand scheint dies die Billiglösung Andreas Christensen zu werden, der analog zu Kramer für 2 Jahre vom FC Chelsea ausgeliehen werden soll. Da auch ein Tony Jantschke theoretisch auf der Kramer-Position einsetzbar wäre und mit Djibril Sow sowie Mo Dahoud weitere Talente mit den Hufen scharen, ergeben sich somit schon einige fantasievolle Optionen, die Favre zu einem gelungenen Gesamtkonstrukt zusammensetzen kann. Ob ihm dies allerdings in ähnlicher Qualität gelingt wie es mit dem Alt- und Neu-Leverkusener möglich war, ist zumindest fraglich. Zusammengefasst: Qualitativ ist noch nicht erkennbar, welcher Spieler den Verlust von Kramer auf dieser Position vollumfänglich wird kompensieren können. Quantitativ bieten sich Favre aber mehr Optionen als zuletzt, von denen sich vielleicht ja eine ähnlich stark entwickelt wie der vor 2 Jahren ebenso klein gestartete 20-Minuten-Weltmeister.