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Max Eberl wurde in den vergangenen Jahren immer wieder als "Transfermeister" und "Manager der Bundesliga" ausgezeichnet - zuletzt an diesem Wochenende durch die 11-Freunde-Redaktion. Tatsächlich ist die Trefferquote seiner Einkaufspolitik so beachtlich, dass sie nicht nur auf den Zufall zurückgeführt werden kann. Fernab davon, dass Eberl zur Verbesserung seiner Scouting-Abteilung selbst nicht davor zurückschreckt, altehrwürdigen Online-Magazinen ihre größten Experten abspenstig zu machen, profitiert er besonders von der konsequenten Einhaltung einer vorgegebenen Philosophie, von der er kaum abzuweichen bereit ist.

So werden zum einen nur Spieler verpflichtet, die bereit sind, sich ins überschaubare Gehaltsgefüge der Fohlenelf einzufügen. Hohe Ablösen, die nur einmalig anfallen und buchhalterisch über mehrere Jahre hinweg abgeschrieben werden können, sind besser zu verkraften als jährlich anfallende Topgehälter, die zudem Begehrlichkeiten bei anderen wecken. Leistungsträger, wie Granit Xhaka, Alvaro Dominguez oder Patrick Herrmann, können sich durch konstant gute Auftritte auf aktuell geschätzte 2,5 - 3 Mio. Euro brutto hochverdienen. Viel mehr wird am Borussia-Park vorläufig aber nicht gezahlt. Die Grenze wird sich kontinuierlich, aber bedächtig nach oben verschieben, sofern sich die Mannschaft auf diesem hohen Niveau stabilisieren kann. Spieler vom Typ Max Kruse, die schneller höher hinaus möchten, passen nicht in diesen Teil der Vereinsphilosophie, so dass die Trennung in diesem Sommer nur folgerichtig war. Gleichzeitig erklärt dies, warum der Verein den Abgang seines etablierten Topstürmers relativ kampflos hinnahm. Die Philosophie des Vereins steht über dem Wohl des einzelnen.

Die Einkäufe der letzten Jahre lassen sich zudem in grob zwei Kategorien einteilen, die meist einem ähnlichen Muster entsprechen. Der Typus des erfahrenen Kracherspielers mit großem Namen ist darunter nicht zu finden. Die Zeiten, in denen Spieler wie Giovane Elber oder Christian Ziege ihre Karriere in Mönchengladbach ausklingen ließen, sind vorbei. Dies musste zuletzt u. a. Marcell Jansen erfahren, der für seinen Herzensverein vermutlich gar zu Gehaltsabstrichen bereit gewesen wäre, aber vergeblich auf ein entsprechendes Angebot wartete.

Borussia sucht hingegen primär Spieler, die sich idealerweise schon auf hohem Niveau bewährt haben, aber noch als entwicklungsfähig gelten. Schließlich hat man mit Lucien Favre einen Trainer, der Spieler wie kaum ein zweiter zu entwickeln fähig ist. In die erste Kategorie können die Spieler gefasst werden, die sich bereits ihre Sporen verdient haben. Hierunter fallen national Akteure wie Max Kruse oder André Hahn, die mit einem überragenden Jahr auf sich aufmerksam machten und von Borussia sehr zeitig zu einem Transfer überredet werden konnten. Oder auch Spieler, wie Ibrahima Traoré, Fabian Johnson und Raffael, die sich über Jahre hinweg in der Bundesliga bewährt haben. Lars Stindl reiht sich nahtlos in diese Kategorie ein. Im Vorjahr hätte Josip Drmic unumstritten dazugehört. Aufgrund seines höchst enttäuschenden letzten Spieljahres birgt sein Transfer nunmehr ein gewisses Risiko. Zwar hatten auch Traoré oder Raffael vor ihrer Borussen-Zeit kleinere Krisen zu überstehen. Sie konnten aber auf mehrere erfolgreiche Jahre zurückblicken und spielten insgesamt auf relativ konstanterem Niveau. Trotz der jüngsten Achterbahnfahrt in seiner Karriere besitzt der Transfer von Drmic aber genügend Fantasie, um sich dieser Erfolgskategorie zuordnen zu lassen.

Eine internationale Variante dieser ersten Kategorie bezieht sich auf Spieler, die sich in Europa bereits auf relativ hohem Niveau bewährt hatten. Granit Xhaka, Yann Sommer, Alvaro Dominguez und Oscar Wendt sind hier zu nennen. Sie alle waren Leistungsträger in international hochklassigen Klubs wie Atletico Madrid, FC Basel oder FC Kopenhagen und setzten diese Qualität - teilweise nach einer gewissen Eingewöhnungsphase - nunmehr auch bei Borussia um. Luuk de Jong hätte auch in diese Kategorie fallen sollen, war er doch ebenfalls bei Twente Enschede ein etablierter Torjäger. Zum einen ist Enschede aber international eine Klasse niedriger anzusiedeln als Basel oder Atletico. Zudem scheiterte der Holländer weniger an seinen Qualitäten, die er zuletzt in Eindhoven mehr als deutlich unter Beweis stellte.

Das Missverständnis de Jong war vielmehr Anlass für Borussias Management, ihre Transfer-Philosophie um einen weiteren Aspekt zu schärfen, nämlich Spieler zu verpflichten, die zur Spielphilosophie des Trainers optimal passen. Das war beim Holländer eindeutig nicht der Fall, da er für den Favreschen Tempofußball nicht die nötige Geschwindigkeit mitbrachte. Fortan wurde bei jedem Transfer auf eine gewisse Grundschnelligkeit und Spielintelligenz geachtet.

Die meisten Einkäufe der aktuellen Transferperiode fallen aber eher in die zweite Kategorie, nämlich der jungen, entwicklungsfähigen Talente, die bislang im Profifußball noch relativ wenig bis gar nicht auf sich aufmerksam machen konnten und im Borussia Park ihre ersten Schritte auf hohem Niveau gehen sollen. National machte man hier z. B. mit Christoph Kramer oder Marco Reus sehr gute Erfahrungen, die aber immerhin schon in der 2. Bundesliga starke Leistungen abgeliefert hatten und somit auch als Mini-Variante der ersten Kategorie angesehen werden können. Sie sind mitunter gute Beispiele dafür, dass eine Einteilung in solche Schubladen selbstverständlich nicht trennscharf erfolgen kann, sondern die Übergänge oft fließend sind.

Branimir Hrgota und Thorgan Hazard sind hingegen typische Vertreter dieser Talente-Kategorie. Sie waren den meisten Fans zuvor kein allzu großer Begriff und konnten für (zunächst) kleines Geld an den Verein herangeführt werden. Beide zeigten schnell ihre Qualitäten und dass sie grundsätzlich das Zeug zum Profifußballer mitbringen. Der ganz große Durchbruch zum konstanten Leistungsträger wird von ihnen aber erst noch erwartet. So saßen sie nach dem Ende der Rotation in der Saisonendphase meist auf der Bank, weil ihnen (noch) die Klasse fehlt, um einen Raffael oder Kruse gleichwertig zu ersetzen.

Von den aktuellen Einkäufen kann Nico Elvedi zwar immerhin auf ein ordentliches erstes Jahr beim FC Zürich zurückblicken. Insgesamt war er dort aber noch zu wenig Leistungsträger, um ihn mit Spielern wie Xhaka oder Sommer zu vergleichen, die beim Meister und Champions-League-Dauerteilnehmer aus Basel zu den Stützen gehörten.  Er ist somit wie Andreas Christensen - oder auch die zunächst primär für die U23 eingeplanten Sow und Egbo - ebenfalls der Talente-Kategorie zuzuordnen. Gemein ist ihnen allen, dass sie relativ kostengünstig zu haben waren und für Lucien Favre und den Verein eine größere Herausforderung darstellen.

In dieser Kategorie sind nämlich auch am ehesten Fehlschläge zu erwarten, denn nicht jedes Talent entwickelt sich stets wie gewünscht und kann sich gegen die Profis durchsetzen. Dies gilt umso mehr, als dass die etablierten Borussen in den letzten Jahren regelmäßig stark auftrumpften und zudem wenig verletzungsanfällig waren. Spieler wie Mathew Leckie, Matthias Zimmermann, Yuki Otsu, Joel Mero, Sven Michel oder auch Lukas Rupp haben den Borussia-Park daher schon nach relativ kurzer Zeit wieder verlassen müssen.

Auch Peniel Mlapa misslang der Durchbruch in Gladbach. Er kann aber als einziger Einkauf der letzten Jahre gelten, der nicht in die aufgezeigte Transferphilosophie des Vereins passte. Für den Talentstatus war er bereits zu lange, nämlich 3 Jahre, im Profifußball etabliert. Dies allerdings bei 1860 München und der TSG Hoffenheim mit sehr mäßigem Erfolg, so dass der ausbleibende Entwicklungsschritt bei Borussia keine so große Überraschung mehr darstellte.

Zusammengefasst sucht Borussia also entweder bereits etablierte Profis, die auf hohem Niveau ihre Qualitäten nachgewiesen haben - dies bislang aber noch nicht auf dem allergrößten internationalen Top-Niveau, sondern in einer Weise, die noch Fantasie für weiteres Entwicklungspotential bietet. Oder aber es werden - intern oder extern - junge Talente gesucht, die erst von Lucien Favre oder ggf. zunächst noch über den Umweg der U23 zu künftigen Topspielern geformt werden können. Bei letzteren ist die Erfolgsquote in den letzten Jahren deutlich geringer und streng genommen hat bislang noch keiner von ihnen den ganz großen Durchbruch im Borussen-Kader geschafft. Mit Blick auf die bevorstehende Champions League-Saison wäre somit ein weiterer Transfer aus der ersten Kategorie wünschenswert, der eine größere Wahrscheinlichkeit für eine sofortige Qualitätsverbesserung des Kaders bietet. Für Borussias mittel- bis langfristige Zukunft wird es aber ohnehin elementar darauf ankommen, ob sich gerade auch die Jungfohlen zu Leistungsträgern entwickeln lassen, um abwandernde oder alternde Führungsspieler aus dem Team zu ersetzen.

Der grundlegende Weg einer gezielten, nachvollziehbaren Philosophie, die Borussia seit einigen Jahren bei Transfers wie auch allgemein im Verein konsequent anwendet, ist aber in jedem Fall der richtige. Gerade dies unterscheidet den Verein nämlich von eher intuitiv und emotional geführten Klubs wie Stuttgart oder Hamburg, die mit zeitweise weit höheren Finanzmitteln deutlich geringere Erfolge einfahren.