Warnung
  • JUser: :_load: Fehler beim Laden des Benutzers mit der ID: 83

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Manchmal zumindest. Zum Beispiel, wenn man am vergangenen Samstag als Borussen-Fan erst eine Viertelstunde nach Anpfiff seinen Platz einnahm. Da führte die Heimmannschaft nach einem verrückten Spielbeginn bereits 3:1 gegen den Meister und Champions-League-Finalisten aus München. Da hatte der Gladbacher Anhang bereits gejubelt, weil aus Frankfurt die Kunde der Wolfsburger 2:0-Führung kam. Nur noch zwei Tore trennte die Borussia von der EuroLeague. Das Wunder schien plötzlich in Reichweite zu sein. Das es hierzu nicht kam, hatte verschiedene Gründe. Zum einen gaben sich die Bayern nicht mit der Rolle des Schlachtopfers zufrieden und zeigten in der Folge, angetrieben von einem überragenden Ribery, warum der Meister derzeit das Non-plus-Ultra des europäischen Vereinsfußballs ist. Zum anderen offenbarten die Gladbacher zu viele Schwächen im Defensivverhalten und ließen in der Folge auch im Zweikampfverhalten den letzten Biss vermissen. Und zu guter Letzt bissen sich auch die Frankfurter zurück in die Partie und beseitigten mit ihrem Ausgleich die letzten Zweifel an der Qualifikation für das internationale Geschäft. Doch für ein paar Minuten war das Gefühl der Hoffnung da und ließ den Mönchengladbacher Anhang träumen.

Gefühle ganz anderer Art durfte man dann in den Katakomben des Borussenparks erleben. Jupp Heynckes gab seine letzte Bundesliga-Pressekonferenz.  Angesprochen auf seine Gefühlslage berichtete er von seinen Anfängen bei der Borussia, den großen Momenten als Spieler und Trainer, dem Wiedersehen mit seinen ehemaligen Wegbegleiter am Abend zuvor. Plötzlich stockte die Stimme. Heynckes rang kurz nach Luft, um dann seinen Tränen freien Lauf zu lassen. Solche Momente drohen oft in den Kitsch abzugleiten. Nicht in diesem Fall. Die Gefühlsregungen des Jupp Heynckes waren einer der ganz großen Augenblicke im Borussenpark. Alle Anwesenden standen spontan auf und spendeten ihm hierfür und für seine ausserordentliche Arbeit respektvollen Applaus. In einer kommerziell durchgestylten Medienwelt sind es genau diese Momente, die den Fußball ausmachen. Danke Jupp Heynckes für diesen ehrlichen und menschlichen Abschied. Der Kreis hat sich geschlossen. Wer allerdings nun das Gefühl hegte, das Ur-Fohlen könnte sich in anderer Funktion an die Borussia binden, wurde enttäuscht. Der zweimalige Trainer der Borussia machte klar, dass er hierfür nicht zur Verfügung stehe. Ein solches Angebot habe er bereits in München abgelehnt, da er sich nicht als Funktionär sehe. Zudem habe man in Mönchengladbach mit Rainer Bonhof bereits eine kompetente Persönlichkeit im Vorstand installiert. So bleibt sich der Erfolgstrainer bis zum Schluss selber treu.

Auf ganz andere Weise feierte Mike Hanke seinen Abschied von der Borussia. Zuvor hatte er sich bereits selbst das schönste Geschenk in Form eines Tors gemacht. Das es am Ende kein sportlich triumphaler Abschied wurde, störte wenig. Hanke genoss sein Bad in der Menge und die Menge genoss seine Emotionen. Natürlich gehört es heute zum Standardrepertoire eines scheidenden Profis, wie sehr man die Zeit im Verein genossen hätte und wie einzigartig das gesamte Umfeld sei – egal ob man auf Schalke oder in Hoffenheim spielt. Und doch scheint der Fall Hanke etwas anders zu liegen. Wer dem blonden Stürmer in den letzten Wochen zuhörte, konnte sich dem Eindruck nicht entziehen, dass seine Beziehung zu Borussia emotional ist. Selbstverständlich gehört auch für einen Profi wie ihn das Klappern zum Handwerk. Wenn er aber von den Ablehnungen bei seinen vorherigen Vereinen und der Unterstützung des Gladbacher Anhangs berichtete, merkte man ihm an, wie sehr er sich mit den Fohlen identifiziert. Das wird auch von den Gladbacher Anhängern gefühlt und erklärt seine Popularität. Auch wenn die sportlichen Gründe der Trennung nachvollziehbar erscheinen, bleibt zu hoffen, dass die Lücke, die der Mensch Hanke mit seinem Abgang reißt, nicht zu groß ist.

Gefühle ganz anderer Art hatte Lucien Favre. Natürlich seien sieben Tore schön für das Publikum. Mit dem Auftreten seiner Mannschaft war der Schweizer hingegen unzufrieden. Zu viele technische Mängel hatte der Gladbacher Trainer ausgemacht, zu langsam agiere das Team dadurch bei Ballgewinn. Über die Qualität seiner Mannschaft wollte er sich explizit nicht äußern. Dennoch habe er für die Zukunft noch viel Arbeit vor sich. In solchen Momenten wird der Ehrgeiz des Schweizers deutlich. Natürlich kann man sich fragen, ob der Zeitpunkt dieses quasi belanglosen Spiels der richtige ist, um Kritik in dieser Form zu äußern. Doch ist es auf der anderen Seite besser, diese Kritikpunkte jetzt zu sehen und auf Verbesserungen für die nächste Spielzeit hinzuarbeiten. Die neue Saison begann für Favre also bereits mit dem Abpfiff und es darf vermutet werden, dass er die Sommerpause für Überlegungen nutzen wird, diese Mängel zu minimieren und die Wertigkeit des Teams zu steigern. In diesem Fall ist es ein Gewinn für die Borussia, einen Mann mit seinem Ehrgeiz auf ihrer Seite zu haben.

Mit gemischten Gefühlen beendet man also an der Weisweiler-Allee die Saison. Viele Mängel, die die überragende Vorsaison verdeckte, wurden in den vergangenen zwölf Monaten offen gelegt. Das taktische Grundgerüst, was vor allem durch überragende Spielern wie Reus und Dante getragen wurde, funktionierte mit den neuen Spielern in dieser Form nicht mehr. Dies bedeutet aber nicht, dass die Borussia sich verschlechtert hat. Keiner der Neueinkäufe hat wirklich enttäuscht, auch wenn die Anlaufzeiten durchaus unterschiedlich waren. So hat sich Alvaro Dominguez schnell als Dante-Ersatz etablieren können. Granit Xhaka stellte seine Wertigkeit umgekehrt erst zum Saisonende unter Beweis. Mit Platz acht wurde das Saisonziel erreicht. In Europa hat man sich mit dem erfolgreichen Überstehen der Gruppenphase durchaus achtbar geschlagen. Noch vor zwei Jahren zählte die Borussia stetig zu den Abstiegskandidaten. In dieser Saison wurde das Abstiegsgespenst hingegen nie wahrgenommen. Man darf also resümieren, dass sich Borussia Mönchengladbach durchaus weiterentwickelt hat, auch wenn diese Entwicklung nicht so gradlinig verläuft, wie es sich manche Optimisten wünschen. Das zu wissen ist das wirklich gute Gefühl, mit dem diese Saison abgeschlossen werden kann.