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Trotz aller Ergebnisse wies dieses verrückte Fußball-Wochenende noch einmal eindringlich nach, wie zweiseitig die Bundesliga durch den Fluch der Champions-League-Millionen geworden ist. Der 1. und 2. der Tabelle dominierten den 3. und 4. in deren Stadion phasenweise nach Belieben und demonstrierten ihre absolute Überlegenheit in dieser einst so ausgeglichenen Liga. Für die unterlegenen Borussen war es umso überwältigender, die verloren geglaubte Partie am Ende siegreich abzuschließen. Insbesondere gegen die nicht gerade für ihre Bescheidenheit oder Demut bekannten Gästefans fühlte sich der schmeichelhafte Sieg für viele Borussen-Fans nach mehr an als nur 3 gewonnenen Punkten.

Trotz der eindrucksvollen Bilanz von 7 Borussen-Siegen aus den letzten 12 Heimspielen gegen den BVB, bei nur 2 Niederlagen: Die viel zitierten "spanischen Verhältnisse" in der Liga werden sich in den kommenden Jahren eher noch verschärfen und Dominanz-Auftritte der beiden Top-Klubs zur Regel werden. Siege gegen den BVB oder den FC Bayern werden in den nächsten Jahren nicht mehr so leicht zu erzielen sein, wie es Borussia in den vergangenen Spielzeiten gelang, so dass sich solche „Bonuspunkte“ umso schöner anfühlen.

Schöne Momentaufnahme

Blickt man aber emotionslos auf das reine Resultat, so können selbst gegen den BVB nicht mehr als eben jene obligatorischen 3 Punkte eingefahren werden. Jene 3 Punkte, die in den beiden letzten Auswärtsspielen teils sträflich liegen gelassen wurden. Es wäre verheerend, wenn man sich auf der optisch schönen Ausgangslage ausruhen würde. Max Eberl hat ohne Frage Recht, dass Platz 4 mit 13 Punkten nach 8 Spielen eine stolze Ausbeute ist, zumal die 3 Top-Klubs allesamt schon bespielt wurden. Die Auftritte der letzten Wochen haben aber deutlich gezeigt, dass Lucien Favre noch viel Arbeit hat, um der verstärkt-neuformierten Mannschaft den nötigen Feinschliff für einen Angriff auf Europa zu geben. In der Verfassung der letzten Spiele werden schon die anstehenden Aufgaben bei der heimstarken Hertha und gegen die unberechenbaren Frankfurter schwierig zu bewerkstelligen sein.

Ineffienz des Gegners

Es erschreckte nämlich schon, wie hilflos Borussia am vergangenen Samstag in Halbzeit 1 der absoluten Spielkontrolle des Gastes ausgeliefert waren. Zu keiner Zeit bekam die Heimelf Zugriff auf den Ball. Es wurde ausnahmslos reagiert. Das Kaninchen wartete demütig auf den entscheidenden Biss der Schlange, der wie durch ein Wunder ausblieb und später – sogar noch wundersamer – umgekehrt angesetzt wurde. Die Dortmunder sollten sich ihrerseits die Frage stellen, wieso aus ihrer anfänglichen Dominanz nur relativ wenige wirklich zwingende Chancen entstanden sind. Hundertprozentig war im Grunde nur die Gelegenheit von Mats Hummels, die Marc-André ter Stegen in Weltklasse-Manier entschärfte. Marco Reus hatte daneben noch 2-3 gute Torabschlüsse, von denen er an glücklicheren Tagen 1-2 verwandelt hätte. Der Rest waren überwiegend Weitschüsse,  die mit zunehmendem Spielverlauf immer verzweifelter wirkten und für einen Top-Keeper wie ter Stegen nicht viel mehr als eine Konzentrationsübung darstellen. Im Vergleich zu den zahlreichen hochkarätigen Torchancen der Bayern am späteren Abend fielen die Gelegenheiten des BVB quantitativ wie qualitativ eine ganze Nummer kleiner aus.

Unübersehbare Defizite

Dies sollte Borussia aber weniger interessieren als die eigene Unfähigkeit, in den ersten 45 Minuten zumindest mal für zwischenzeitliche Entlastung zu sorgen. Die Halbzeit wirkte vornehmlich daher so einseitig, weil die vielgelobte Offensive der Borussen nie in der Lage war, einen Konter vernünftig auszuspielen. Lucien Favre bemängelte nach der Partie, dass man in 2-3 Situationen mit einem besseren Laufweg eine glasklare Torchance hätte kreieren können. In der Realität sah es aber so aus, dass der BVB ständig mit mindestens 4 Abwehrspielern bereit stand, um zumeist maximal 2 Angreifer in Empfang und ihnen den Ball schnell ab zu nehmen.

Ein wenig untergegangen ist in der medialen Berichterstattung und in den verbitterten Statements der Verlierer, dass die 2. Halbzeit weitgehend ausgeglichen gestaltet wurde. Die klarste Chance vor dem 1:0 hatte mit Oscar Wendt sogar ein Borusse gehabt und auch in Sachen Ballbesitz und Feldüberlegenheit gelang es der Heimelf jetzt immer mehr, die Vorgaben ihres Trainers, höher zu verteidigen und sich dem starken Pressing des Gegners zu entziehen, umzusetzen.

Ein neues, altes Duo

Favre mahnte zurecht an, dass gerade vor dem Seitenwechsel zu viele unnötige, vermeidbare Ballverluste verursacht wurden und das von ihm stets eingeforderte schnelle Umschaltspiel einige Akteure sichtlich überforderte. Christoph Kramer hatte u. a. aus diesem Grund das Nachsehen gegenüber dem Duo Xhaka/Nordtveit, auch wenn die Entscheidung nur um Nuancen ausgefallen war. Für den Geschmack des Trainers müsse sich der Ex-Bochumer bei allen sichtbaren Qualitäten noch ein wenig  an das Tempo im Fußball-Oberhaus gewöhnen. Da nahm es Favre sogar in Kauf, auf das 6er-Duo zu vertrauen, mit dem im Vorjahr in fast jedem gemeinsamen Spiel die defensive Stabilität fehlte. Im Grunde sollte Havard Nordtveit alles mitbringen, um den defensiven 6er-Part ausfüllen zu können. Unerklärlicherweise gelang es ihm bislang aber nur selten, dies gemeinsam mit Xhaka umzusetzen. Auch gegen Dortmund funktionierte dies nicht immer optimal, wenngleich verbessert gegenüber dem Vorjahr, so dass weitere Versuche lohnenswert sind. Wie richtig die Entscheidung des Trainers für das neue, alte Duo an diesem Nachmittag war, zeigte sich spätestens beim entscheidenden Elfmeter.

Bitteres Aus für Dominguez

Soeben hat sich Nordtveit also seinen bewährten Stammplatz in der Spielfeldmitte zurückerobert, da droht er bald vielleicht schon weiter hinten benötigt zu werden. Sollte nämlich neben Alvaro Dominguez noch einer der bewährten Innenverteidiger ausfallen, wäre der Norweger auch hier erster Ersatz. Ansonsten ist das Verletzungspech des Spaniers, so tragisch es für ihn persönlich ist, vermutlich keine so große Schwächung. Roel Brouwers zeigte schon gegen Dortmund, dass auf ihn Verlass ist und ein echter Holländer keine Spielpraxis benötigt, um direkt volle Leistung zu bringen. Der andere Holländer im Borussen-Kader sollte sich am Beispiel seines Landsmanns ein wenig aufrichten lassen. Denn mit Roel Brouwers, Havard Nordtveit und Oscar Wendt haben drei hochkarätige Ex-Bankdrücker ihre Chance durch Verletzungen, bzw. Sperren von Konkurrenten bekommen und genutzt. Es ist insgesamt ein sehr beruhigendes Gefühl, dass Borussias Kader inzwischen so breit aufgestellt ist, dass Ausfälle in aller Regel nahezu gleichwertig kompensiert werden können.

Insgesamt kann man die Partie also mit einem lachenden und weinenden Auge bewerten, wie es Sportdirektor und Trainer munter vorexerzierten. Die 13 Punkte sind Borussia nicht zu nehmen und wenn die Mannschaft auf ihren guten Ansätzen aufbauen und die Schwächen abstellen kann, stehen die Chancen im Kampf um die Plätze 4-6 gut. Wenn nur die nackten Ergebnisse bejubelt werden und aus den zahlreichen Fehlern nichts gelernt wird, dann wird das Glück der Mannschaft nicht mehr lange so hold bleiben wie letzten Samstag und der Traum von Europa bleibt unerfüllt. Wer Lucien Favre kennt, der kann sich aber denken, wie ehrgeizig und penibel in der anstehenden Länderspielwoche genau daran gearbeitet werden wird.