Praktisch keine Torchance, kaum mal ein echter Schuss, einen Punkt geholt und trotzdem fühlen sich alle bei Borussia Mönchengladbach wie die Sieger. Kein Wunder, wenn der Punktlieferant im Mai noch im Finale der Champions League stand und selber auch nicht viele klare Torchancen zu Stande gebracht hat. Der Formanstieg seit dem Trainerwechsel hat nun auch endlich in der Königsklasse des europäischen Fußballs Ertrag gebracht.

Dieser eine Punkt kann die große Freude der Borussen auch rechtfertigen. Zuerst mal lässt er die Möglichkeit auf den dritten Platz und die Europa League offen. Des weiteren überweist die Uefa ihre Anerkennung in Form von 500.000 €. Und er bringt der Mannschaft die Bestätigung, auch unter Europas Landesmeistern und Anhang kein Kanonenfutter zu sein, und den damit verbundenen Schub an Selbstbewusstsein.

Und außerdem noch die Gewissheit, dass die Abwehr einen weiteren Schritt Richtung Sicherheit und Eingespieltheit getan hat. Wenn schon die Offensive dank der souveränen italienischen Abwehr nichts zu melden hatte, so hatte die Defensive das ganze Spiel über Vollbeschäftigung auf hohem Niveau. Der kantige Mandzukic, der schnelle Morata und der aufgedrehte, aber zum Glück ungenaue Pogba fanden in Yann Sommer ihren Meister und in der Viererkette davor seine aufmerksamen Wächter. Julian Korb, dem vor einigen Wochen noch in Stuttgart die Beine verknotet wurden, schlug sich ebenso achtbar wie Wendt, während Dominguez seine Leistung mit dem Aussetzer vor der Halbzeit fast entwertete.

Der Glanzpunkt allerdings war Andreas Christensen. In der Siegesserie der letzten Bundesligaspiele brachte er schon erstaunlich stabile und konstante Leistungen, gekennzeichnet von Kopfballstärke, Abgeklärtheit im Zweikampf und hellsichtigem Stellungsspiel. Gegen Turin setzte der 19jährige, der gerade eine Handvoll Einsätze im Profibereich zusammen hat, auf der ganzen Breite einen drauf und spielte wie ein erfahrener Experte. Man darf sich sicher sein, dass diese Leistung seinem Stammverein Chelsea nicht entgangen ist.

Die Gewissheit darüber, nicht nur zur Dekoration in der Champions League zu sein, darf den Borussen nun dazu dienen, in der Bundesliga weiter so selbstbewusst aufzutreten wie zuletzt. Es ist vielleicht zu viel verlangt, sich die konstanten Leistungen der letzten Saison wieder herzuwünschen. Aber nachdem sich unter Schubert erst die Offensive wieder fing, scheint nun die Hintermannschaft ebenfalls ihr Niveau zu erreichen und damit sollte in dieser unterhalb von Bayern und Dortmund sehr ausgeglichenen Liga etwas zu erreichen sein.

Zum Beispiel etwas zählbares gegen Schalke 04. Vielleicht ist es etwas positives, nach dem Spiel gegen einen Großen des europäischen Fußballs direkt in die Schalkewochen zu gehen (Liga Heimspiel am Sonntag, Mittwoch auswärts im Pokal) und damit die volle Konzentration wieder auf dem Alltag zu haben. Die wird gegen den Tabellendritten, der sechs seiner neun Ligaspiele gewonnen hat, auch gebraucht, denn der Dramaclub aus Gelsenkirchen hat dieses Jahr wieder annähernd soviel Trubel auf dem Platz wie daneben.

Was in Schalke noch nie eine kleine Sache war. Letztes Jahr gab der Verein eine Figur ab wie zu  besten schlechten Zeiten, mit bescheidenem sportlichen Erfolg, der Klassenerhalt für den HSV eingeschlossen, und dementsprechend Alarm von außen. Die Diskussionen um die Vereinsführung setzen sich auch in dieser Saison fort, sportlich entwickelt sich Mannschaft von Andre Breitenreiter hingegen ansehnlich. Max Meyer blüht im offensiven Mittelfeld wieder auf und wird dabei vom 19jährigen Sane noch in den Schatten gestellt. Der pfeilschnelle, dribbelstarke Angreifer ist bisher in jedem Spiel für spektakuläre Szenen gut. An der Seite des energischen Geis findet auch Goretzka seine Bestimmung im Profifußball. Der jugendliche Schwung des Teams lässt den Ärger um den Draxler-Wechsel und die tragikomischen Szenen um Sidney Sam und Kevin-Prince Boateng vorläufig vergessen.

Wenigstens haben die Königsblauen dieses Mal den Tag Erholung weniger, den man in Mönchengladbach in den letzten Jahren für einige Punktverluste verantwortlich gemacht hat. Angesichts dieser Tatsache und des Umstandes, dass Schalke lieber angreift als abwartend zu spielen, könnte es den Borussen geraten sein, so energisch und aggressiv aufzutreten wie gegen Augsburg und Frankfurt. So wären Schalkes Stärken am ehesten aus dem Spiel zu nehmen und Erfolgsinterimstrainer Schubert könnte seine Serie ausbauen.

Aufstellungen:


Borussia: Sommer - Korb, Christensen, Dominguez, Wendt; Traoré, Xhaka, Dahoud, Johnson; Stindl, Raffael

Schalke: Fährmann - Caicara, Höwedes, Matip, Aogo; Sane, Goretzka, Geis, Meyer; di Santo, Huntelaar

Seitenwahl-Tipps:


Christian Heimanns: Die Abwehr wie gegen Juve und der Angriff wie gegen Frankfurt, das müsste zu einem 2:0 reichen gegen Schalke.

Michael Heinen: Christensen vernascht Sané, so dass Borussias Abwehr einmal mehr ohne Gegentor bleibt. Da vorne Stindl einmal trifft, reicht das zu einem 1:0-Heimsieg.

Christian Spoo: Das intensive Spiel gegen Turin hat mehr Kraft gekostet, als die angeblich so schädlichen Sprints vorher. Borussia müht sich gegen Schalke redlich. Weil die Gelsenkirchener aber im Moment nur neben dem Platz Kasperletheater veranstalten und zudem in der Bundesliga den Papst in der Tasche zu haben scheinen, gibt es ein 1:2, und damit die erste Bundesliga-Niederlage für André Schubert.