Drei Tage nach einem mitreißenden Sieg in der Champions League ein Spiel beim Tabellenletzten - so etwas hat gute Voraussetzungen, zur unangenehmen Überraschung für den Favoriten zu werden. Eine  ganze Zeit lang sah es so aus, als würde den Borussen genau dieses Schicksal zuteil, durch ihre spielerische Überlegenheit und mit dem ständigen Zug zum Tor konnte der Zwei-Tore Rückstand aber noch umgebogen werden. Borussia Mönchengladbach bleibt in der Bundesliga mit Andre Schubert ungeschlagen.

Nicht dass man es sich wünschen würde, aber wahrscheinlich hätte eine Niederlage deutlicher vor Augen geführt, was für eine Aufgabe die Teilnahme an der Champions League für einen Club unterhalb der finanziellen Luxuskaste darstellt. Nicht nur physisch, da schlägt auch die Europa League schon zu, wie so einige Clubs bezeugen können. Bei einer Teilnahme in der "Königsklasse" ist die Anspannung im mentalen Bereich genauso fordernd, die Herausforderung, den Wechsel zu meistern zwischen großer Bühne und grauem Alltag, zwischen Meisterfavorit einer Spitzenliga oder Europacup-Sieger und Abstiegskandidat, zwischen Buffon und Agüero oder Strobl und Baumann. Bevor man merkt, dass man auch die letzteren nur mit allem Einsatz schlagen kann, kann es schon zu spät sein. Als der FC Bayern noch ein Verein von diesem Planeten war, kam es dort gerade VOR wichtigen Europacup-Spielen zu unerwarteten Punktverlusten, lag die Belastung in der Konzentration zum Teil über der körperlichen.

Unter diesen Umständen darf man den Punkt aus Sinsheim halbwegs zufrieden einpacken. Positiv darf man weiter das Spielniveau einstufen, dass den Hausherren größtenteils überlegen war. Der herausragende Grund für mehr Freude als Ärger über das Unentschieden beim Schlusslicht ist natürlich die gelungene Aufholjagd als Anzeichen für eine Mentalität in der Mannschaft, die nicht nur bei einem eigenen Vorsprung funktioniert. Und auch bei zwei Toren  Rückstand gingen die Borussen weiter mit fußballerischen Mitteln ans Werk statt mit der Brechstange. Das 3:3 erinnerte sogar kurz an die fußballerische Lehrstunde, die den Hoffenheimern in der letzten Rückrunde erteilt wurde: Für einmal hatten sie sich, bei eigener Führung in der 86. Minute, zu weit nach vorne gewagt, schon gab es die Quittung in Form von Johnsons Solo nach wunderbarer Ballstafette aus dem eigenen Strafraum heraus.

Damit war der Amerikaner natürlich der Mann des Spiels. Da er sonst nicht so häufig trifft wie seine offensiven Kollegen und weniger spektakulär auftritt als Traoré oder sogar Wendt, fällt meist nicht so auf, dass gerade Wendts Leistungen nur durch Johnsons unbändigen Einsatz möglich sind. Josip Drmic wiederum, der seine Chance auf dem Flügel von Anfang an bekam, machte zwar seinen ersten Bundesligatreffer für die Borussia, fiel aber sonst weder gut noch schlecht großartig auf. Die Möglichkeit, dass er in sein Normalrevier in die Mitte wechselt und z.B. Stindl dafür auf den Flügel geht, verleiht dem Gladbacher Spiel höchstens eine zusätzliche Variante, kaum aber eine auf dieser Möglichkeit basierende Zukunft. Mit einem einsatzbereiten Traoré wird Stindl wieder zentral Kruse 2.0 geben und Drmic auf mehr Einsätze warten.

Eine andere Umstellung kam überraschender als der Mitteldrmic, nämlich Hazards Einwechslung für Dahoud kurz nach Beginn der 2. Halbzeit. Trotz Dahouds Traumpass auf Johnson zum 1:0 hatte Schubert mit dem Belgier offenbar größere Möglichkeiten nach vorne gesehen, was die ohnehin offensive Grundaufstellung in der Praxis zwischen 4-4-2 und 4-1-5 oszillieren ließ. Und obwohl Hazard nicht übermäßig auffällig agierte, kam es in dieser Formation zumindest vom 1:3 bis zum Ausgleich. Bei seinen Wechseln während des Spiels macht Schubert offenbar weiter alles richtig, "irgendwie".

Die Hereinnahme von Elvedi hatte wohl mehr damit zu tun, Korb nicht übermüden zu lassen. Und sie diente als Erinnerung daran, dass mit dem 19jährigen Schweizer ein weiteres Innenverteidigertalent in der Mannschaft steht. So langsam arbeitet sich ja auch Martin Stranzl wieder ans Team heran und bis vor wenigen Wochen wäre sein Einsatz als Stammspieler völlig unumstritten gewesen. Es mag sein, dass das in nächster Zeit nicht mehr so selbstverständlich ist. Denn das Spiel  der Borussen und die Verlagerung der Positionen auf dem Platz haben mit der gar nicht so lange zurückliegenden Favre-Epoche kaum noch etwas zu tun.

Von einer hinten unverrückbar stehenden blitzschnellen Kontermannschaft ist die Borussia nach einer Zeit der Wirren zu einer Mannschaft geworden, wle Leverkusen oder Stuttgart es gerne wäre: Hoch stehend, aggressiv, mit früher Balleroberung. Beim Spiel in Sinsheim war (auf beiden Seiten) zu sehen, was das bedeutet - dass nämlich auf einmal wieder schnelle Innenverteidiger gefragt sind, die sich nicht auskontern lassen. Das war in den letzten Jahren nicht unbedingt ein Hauptkriterium und zwar bei so ziemlich allen Bundesligateams. Wenn man zuvorderst auf defensive Stabilität achtet, genügt es, wenn die Außenverteidiger ausreichend schnell sind; Stranzl und Brouwers konnten passable bis sehr gute Abwehrspieler sein ohne Sprintrekorde aufzustellen.

Am Samstag hingegen kam es immer wieder vor, dass entweder Sommer sehr weit raus musste, um Steilpässe zu sichern, oder der durchaus schnelle Nordtveit musste den höchsten Gang einlegen. Wenn Stranzl wieder fit ist, werden die Borussen dankbar sein für seine Erfahrung, Kopfballstärke, sein Stellungsspiel und seinen Einfluss auf die Mannschaft. Aber wahrscheinlich wird ein fitter Dominguez ihn wieder auf die Ersatzbank bringen. Vielleicht sogar Nordtveit.