Eintracht FrankfurtWendt? Wieso Wendt? Ist doch verletzt, links spielt Hinteregger. Weiß der das denn nicht? So dachte der berichtende Seitenwähler in seiner Einfalt, als er vor ihm auf der Pressetribüne einen Blick auf einen Laptop erhaschte, dessen Besitzer offenbar gerade an einem Kurzbericht zum Spiel werkelte. Unter der Rubrik „Beste Spieler“ war klar und deutlich der Name Wendt zu lesen. Der Seitenwähler überlegte kurz, wie er den Schreiber taktvoll auf dessen vermeintlichen Faux Pas hinweisen könne. Da erblickte er, gleich neben Wendt, den Namen Jojic, und endlich fiel der Groschen, wenn auch verspätet und in einzelnen Pfennigen. Der Kollege hatte offenbar die Datei eines anderen Spiels als Vorlage geöffnet und passte nur an, was nötig war. Zu den besten Spielern war er noch nicht gekommen.

Für solcherlei Abschweifungen hat man Zeit, wenn das Spiel unten einem nicht eben den Atem raubt. Wenn es weitgehend Unspektakuläres zu sehen gibt, in gewissem Sinne sogar Langweiliges, was hier aber nicht negativ gemeint ist. Die Engländer haben den schönen Begriff „low-level excitement“ dafür. Gemeint ist ein eher meditatives als euphorisiertes Wohlgefallen. So war es am Samstag, als Borussia Mönchengladbach gegen Frankfurt einen Erfolg einfuhr, für den das Wort „Pflichtsieg“ wie erfunden schien. Denn in der Pflicht stand die Borussia, wollte sie ernsthaft weiter Ansprüche auf eine Endplatzierung erheben, die sie kommende Spielzeit zu Reisen außer Landes führen würde. Wer auswärts die Punkte mal so stümperhaft wie in Hamburg und mal so völlig unnötig wie in Wolfsburg her schenkt, der muss zuhause makellos bleiben.

Erst recht gegen einen Gegner, der derart handzahm auftritt wie die Frankfurter an diesem Tag. Die Eintracht nahm ihren Vereinsnamen sehr wörtlich und befleißigte sich einer harmoniestiftenden Spielweise. Ungern erinnert man sich noch an die Nickligkeiten, ständigen Provokationen und Zeitspielereien der dafür ja berüchtigten Ingolstädter. Frankfurt war ein Gegenentwurf und fast mag man bedauern, dass sie dafür mit null Punkten belohnt wurden. Aber nur fast. Denn die Eintracht verzichtete nicht nur (erfreulicherweise) auf das unfaire Spiel, sie verzichtete auch auf ein Offensivspiel.

Von Neu-Trainer Nico Kovac war hinterher auf der Pressekonferenz zu erfahren, dass dies so denn doch nicht geplant war. Ja, man habe natürlich um die Offensivstärke der Gladbacher gewusst und dem bewusst eine „etwas“ defensivere Grundordnung entgegen stellen wollen: mit einer defensivbetonten Dreierkette im zentralen Mittelfeld und mit zwei abknickenden Stürmern Aigner und Seferovic, die sich bei gegnerischem Ballbesitz zurück und nach außen schieben sollten, um dort die Gladbacher Flügel zu stutzen. Allein, bei Frankfurter Ballbesitz (und auch dazu kam es ja gelegentlich) sollten beide eigentlich wieder zur echten Doppelspitze mutieren und von einem dahinter postierten Verbindungsspieler Fabian in Szene gesetzt werden. Faktisch verblieben Aigner und Seferovic vor allem in der ersten Hälfte aber maximal auf den Halbpositionen. Umgekehrt schob sich Fabian – Kovac führte dies hinterher auch auf Sprachprobleme zurück – weiter vor, als offenbar vom Trainer vorgegeben. So fiel er als Verbindungsspieler aus und wurde zu einer weitgehend in der Luft hängenden Einzelspitze.

Man kann trefflich streiten, ob die Frankfurter Harmlosigkeit vor allem solchen taktischen Missverständnissen geschuldet war, vor allen der begrenzten Qualität und Form der Einzelspieler oder vor allem der aufmerksamen Gladbacher Defensivarbeit. Letztlich spielte alles eine Rolle, gerade auch Letzteres. Die Borussen waren so sichtlich wie erfolgreich bemüht, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und diesmal keine Geschenke zu verteilen. Das war offensichtlich etwa bei den Außenverteidigern Elvedi und Hinteregger, die sich zwar auch diesmal wieder fleißig nach vorne einschalteten, dabei aber auffällig bedacht darauf waren, die wiederholt auf dem Flügel auf Konter lauernden Aigner und Seferovic nicht aus den Augen zu verlieren. Es war auch offensichtlich im Wechselspiel der Gladbacher Mittelfeld- und Angriffsspieler. Vor allem Xhaka ließ sich oft weit zurückfallen und aus dem nach vorne sehr variablen Dreigestirn Hazard, Raffael, Stindl verstärkte in der Regel mindestens einer das Mittelfeld, während die anderen sich vorne austobten.

Es war dies mehr eine Frage der Grundhaltung als der Grundordnung. Will man das Spielgeschehen in Zahlen ausdrücken – was ohnehin nur  begrenzt sinnvoll ist – dann changierte die Borussia gegen Frankfurt mehrfach zwischen Vierer- und Dreierkette. Und auch hier war hinterher vom Trainer zu erfahren, dass das so eigentlich gar nicht geplant war, sondern sich aus der Verletzungsnot ergeben habe: Vorsichtshalber musste der angeschlagene Nordtveit, später auch Xhaka ausgetauscht werden. Das führte im ersten Fall zur Umstellung von Vierer- auf Dreierkette, mit Korb als offensivbetonterem Spieler auf der rechten Außenbahn, im zweiten Fall zu einer erneuten, jetzt aber umformierten Viererkette und Christensen vorgezogen im zentralen Mittelfeld. Einen Bruch in die Gladbacher Dominanz brachten derlei erzwungene Umstellungen freilich zu keiner Zeit.

Weil einerseits die Borussen bei aller Überlegenheit Vorsicht walten ließen und die Frankfurter kaum ernsthafte Versuche Richtung Gladbacher Tor starteten, war das Spiel lange zäh. Zeit genug also, um den Blick schweifen zu lassen, auch auf den Laptop des Kollegen in der Reihe vor einem. Aber man konnte das in dem einigermaßen gelassenen Vertrauen tun, das an diesem Tag nichts anbrennen würde. Sicher, dass Gästekeeper Hradecky sich einen Tag leisten würde wie ein Wahlabend der baden-württembergischen SPD war ein glücklicher Umstand. Ohne seine slapstickhaften Einlagen wäre das Ganze wohl zu einem längeren Geduldsspiel geworden.

Dennoch: So klar waren die Rollen an diesem Tag verteilt und so limitiert die Frankfurter, dass kaum vorstellbar ist, wie die Gäste über 90 Minuten ohne Gegentor bleiben würden. Bei aller Laufarbeit, bei allem emsigen Bemühen, die Räume zu verdichten, es war schnell offensichtlich: Diese Frankfurter waren so verunsichert, dass irgendwann irgendeiner von ihnen den entscheidenden Fehler machen würde. Und der würde spielentscheidend sein, denn: An diesem Tag fehlte es den Gästen an Mitteln und den Gastgebern an Nachlässigkeit, als dass ein Frankfurter Treffer wahrscheinlich gewesen wäre. Solche Spiele sind nicht aufregend. Spektakulärer waren Spiele, in denen die Borussen mit heißem Herzen das gegnerische Tor berannten und dabei bisweilen die Sicherung des eigenen vergassen. Man erinnert sich. Aber ein bisschen Entspannung, nennen wir sie Langeweile, tut dem Punktekonto so gut wie den Fannerven. Aufregend dürften die nächste beiden Spiele auf Schalke und gegen Berlin schon werden. In ihnen könnte schon eine Vorentscheidung im Schneckenrennen um die europäischen Startplätze fallen.