Es ging im Grund um nichts mehr. Dennoch war der Ausgleichstreffer, den Borussia quasi mit dem Schlusspfiff der Saison gegen Absteiger Darmstadt 98 hinnehmen musste, so etwas, wie der letzte Tiefschlag. Nach dem man zwar "mission accomplished" konstatiern konnte, schließt das Team die Spielzeit doch knapp innerhalb der selbst gesteckten Grenzen (einstelliger Tabellenplatz) ab, an dem man aber auch feststellen muss, dass es in Mönchengladbach derzeit an vielem mangelt. Die ostentative Lustlosigkeit, mit der die Mannschaft die letzten Minuten der Saison heruntergeschlampt hatte, die merkwürdige Stimmung im Borussia-Park - es knirscht im Gebälk.Dass Borussia mit einem Sieg tatsächlich eine der erfolgreichsten Rückrunden der Vereinsgeschichte absolviert hätte, mutet merkwürdig an. Gefühlt ging zuletzt fast alles schief.

 Die einstige Heimstärke? Geschichte. Nur drei von 14 Heimspielen im Jahr konnte die Mannschaft gewinnen. Dazu kommt das überflüssige Ausscheiden in den beiden Pokalwettbewerben, jeweils vor eigenem Publikum. Dieses Publikum zeigte sich zum Ende der Saison zunehmend ungnädig - Pfiffe gegen eigene Spieler waren im Borussia-Park am Ende keine Ausnahme mehr, den Abschluss bildete das unwürdige Pfeifkonzert zum Abschied von Mo Dahoud. Außerdem ist die Anhängerschaft durch den andauernden Egotrip der Ultras gespalten wie nie zuvor. Aber woran liegt es? Ist das Publikum, wie häufig von langjährigen Stadiongängern behauptet, verwöhnt, sind es die seit 2011 dazugekommenen "Eventies", Schönwetterfans, die ihren Anspruch, unterhalten zu werden, nicht erfüllt sehen? Damit macht man es sich vermutlich zu leicht - und nicht nur sich selbst, auch der Mannschaft. Christoph Kramer hat mit seiner Publikumsbeschimpfung unlängst doch arg weit am Schwarzen vorbeigetroffen. Natürlich gibt es sie, die Fans, die glauben, Europa sei Pflicht und die Champions-League der natürliche Lebensraum von Borussia Mönchengladbach. Mit solchen Traumtänzereien muss man sich nicht ernsthaft befassen, aber so tickt nur eine kleine Minderheit im Stadion. Die überwiegende Mehrheit der Zuschauer aber hat ganz andere Zeiten erlebt und noch gut in Erinnerung. Wer die Frontzeck-Zeit erlebt hat, die Ära Advocaat durchlitten, der ist leidensfähig. Was die Unzufriedenheit vieler in den vergangenen Wochen hat wachsen lassen, ist vielmehr die Diskrepanz zwischen Potenzial und Ergebnis und vor allem das fehlende Feuer auf dem Platz. Natürlich war die Mannschaft in entscheidenden Spielen massiv dezimiert, fehlten in Schlüsselspielen Schlüsselspieler. Das erklärt so manches Resultat, nicht aber das Auftreten der Mannschaft in so manchem Spiel. Hilflos und Willenlos mutete zeitweise an, was Borussia auf den Platz brachte. Dass Fußballer nicht wirklich gewinnen wollen, sei an dieser Stelle ausdrücklich ausgeschlossen. Warum so manche Partei zumindest zeiweise kraft- und energielos wirkte, bleibt unerklärlich. Exemplarisch sei die erste Halbzeit des Pokal-Halbfinales gegen Eintracht Frankfurt genannt. Warum eines der wichtigsten Spiele der jüngeren Vereinsgeschichte derart verhalten angegangen wurde, ist kaum zu begreifen. Auch die letzten beiden Heimspiele mögen als Beispiel dienen. Gerade gegen leidenschaftliche Gegner, so limitiert sie sein mochten, hatte die Hecking-Truppe fast immer ein Problem. Ist das ein Indiz dafür, dass die Mannschaft zu "lieb" ist? Fehlen Führungsspieler? Hat Borussia, wie in Fankreisen gerne gemutmaßt, zu wenig "Drecksäcke"? Oder ist irgendetwas anderes mit der inneren Struktur der Mannschaft nicht in Ordnung? Ist der betont sachliche, man möchte eigentlich sagen "angenehm sachliche" Trainer nicht in der Lage, der Mannschaft zu vermitteln, dass sie auch mal kratzen und beißen muss? Antworten auf diese Fragen muss die sportliche Leitung in der Aufarbeitung der Saison finden - und konsequent gegensteuern. Dass tatsächlich ein Mentalitätsproblem da ist, legt der Auftritt gegen Darmstadt nahe. Jeder Pass in den letzten zehn Minuten des Spiels, jeder Schritt jedes Spielers schien "keinen Bock mehr" zu sagen. Es wäre leicht gewesen, sich gegen maximal limitierte Darmstädter und frei von Druck mit einem positiven Eindruck in die Sommerpause zu verabschieden. Stattdessen legte die Mannschaft schlaffe Überheblichkeit an den Tag - und verdiente sich den Ausgleich damit redlich.

Ein Teil des Publikums bekam das schon gar nicht mehr mit. Die Sitze hatten sich trotz des knappen Spielstands bereits merklich geleert, als Schiedsrichter Wolfgang Stark nicht nur die Saison sondern auch seine aktive Laufbahn abpfiff. Nach dem Spiel rafften sich die verbliebenen Zuschauer dann doch noch zum Applaus für die Männer in weiß auf. Während des Spiels hatte das anders ausgesehen. Der Support war mau, stattdessen gab es Pfiffe. Opfer derer war, wie zuletzt häufiger, Mo Dahoud. Die unglückselige Kombination aus dem Wechsel zu Borussia Dortmund und anhaltend mäßigen Leistungen war der Grund. Tatsächlich verkörperte Dahoud zuletzt häufig die angesprochene Problematik: er wirkte überheblich und leidenschaftslos. Sein junges Alter muss man ihm in jedem Fall zu Gute halten und konstatieren, dass schon mehr zusammen kommen sollte, wenn man einen eigenen Spieler im Spiel oder bei seiner Auswechslung auspfeift. Zumal die ersten Pfiffe just in dem Moment ertönten, als Dahoud gerade mit einem klugen Ball auf Jonas Hofmann das 2:1 einleitete.

Zum Publikum: Gerade bei den Pfiffen gegen Dahoud muss man feststellen, dass es gerade nicht die Eventfans waren, die hier die Etikette verletzten. Die Pfiffe kamen vornehmlich aus der Nordkurve, wo man diese Sorte Anhänger gemeinhin nicht vermutet. Unterstützung kam aus dieser Nordkurve in dieser Saison häufig nur bedingt. Der Ultrasupport, so vorhanden, ist zwar zeitweise laut, erfolgt aber in der Regel unabhängig vom Spielverlauf. Die Wechselwirkung zwischen dem Einsatz der Mannschaft und der Unterstützung von außen wird geringer. Dass die Kurve die Mannschaft, wenn es sein muss, nach vorne peitscht, passiert seltener als das früher der Fall war. Dass es in der Kurve Fraktionen zu geben scheint, die sich in der Frage, wie man supportet nicht einig sind, ist für den Außenstehenden (und SEITENWAHL ist in Sachen "Kurvenpolitik" außenstehend) nur schwer zu begreifen. Vollends unerklärlich ist das Schauspiel, das die Ultras zum Ende der Saison hingelegt haben. In einer entscheidenden Saisonphase einen Stimmungs-Boykott hinzulegen, den leider überdeutlich gewordenen Einfluss in der Kurve zum Schaden des großen Ganzen auszuspielen, immer wieder mit fragwürdigen oder dämlichen Transparenten auf die eigene Suppenküche hinzuweisen, all das sorgt dafür, dass das Verhältnis Fan-Fan und Fan-Mannschaft zum Ende dieser Spielzeit so brüchig wie nie wirkt. Natürlich ist es schade, wenn eine Choreo auf dem Müll landet. Aber die Konsequenz wirkt mehr als unangemessen, zumal, wenn zwar immer wieder gemunkelt wird, dass da noch "andere Dinge vorgefallen" seien, ohne diese Dinge beim Namen zu nennen. Vermutlich wäre die vermeintliche Wichtigkeit diese Dinge für den Nicht-Ultra noch weniger zu verstehen. Auf jeden Fall bleibt der Eindruck, dass ein Teil der Fans ihre Aktivitäten nicht als Beiwerk zum Fußball begreift, sondern den Fußball als Beiwerk zu ihren Aktivitäten. Dem sei hiermit ausdrücklich widersprochen.

Das komplette Gebilde Borussia wirkt also angeschlagen zum Ende einer schwierigen Saison. Vergessen wir nicht, dass wir zur Winterpause noch in Abstiegsgefahr schwebten. Aber reden wir uns die Rückrunde nicht schön. 28 Punkte sind aller Ehren wert, aber die Defizite sind nicht zu übersehen. Möge die sportliche Leitung das Geschick haben, in der Sommerpause an den nötigen Stellen für Besserung zu sorgen. Und möge die Anhängerschaft sich in der fußballfreien Zeit etwas sammeln und darauf besinnen, was das Fansein im Kern ausmacht.