Ein Pokalspiel gegen einen bis in die Haarspitzen motivierten Viertligisten - das ist für ein Bundesligateam eine Ausnahmesituation. Entsprechend vorsichtig sollte man sein, aus dem Auftritt Borussias bei Rot-Weiß Essen allzuviele Rückschlüsse über die aktuelle Form des Teams abzuleiten. Trotz aller Beteuerungen dürfte "Es ist ja nur ein Viertligist" zumindest im Unterbewusstsein eine Rolle gespielt haben, das wiederum dürfte die doch spürbare Ratlosigkeit nach dem Rückstand erklären. Andererseist lässt sich eine Erstligamannschaft ein solches Spiel nicht mehr so leicht aus der Hand nehmen, wie es die Essener am Freitag Abend taten. So ist wohl auch zu erklären, dass Dieter Hecking sich nach dem Spiel für "sehr zufrieden" erklärte. Der Trainer wusste um die Sondersituation, die zwischenzeitlichen Probleme sind ihm nicht verborgen geblieben, am Ende zählt der gelungene Einzug in die zweite Runde. Gegen den 1.FC Köln wird Borussia allerdings einiges anders und besser machen müssen, um auch den Auftakt der Bundesliga erfolgreich zu gestalten.

Borussia versucht zur Zeit viel über außen. Man darf davon ausgehen, dass das so geplant ist - allerdings läuft gerade das noch nicht rund. Die Außenverteidiger machten in Essen beide nicht die beste Figur. Essen kam immer wieder zu gefährlichen Flanken, so auch zum 1:0, als Wendt nur Begleitschutz bot und Hazard gegen den aufgerückten Malura nicht richtig mitmachte. Nico Elvedi rückte beim Tor nicht gut ein und war offensiv zwar viel aber meist glücklos unterwegs. Thorgan Hazard machte einen schwachen Auftritt mit seinem Einsatz vor dem Siegtor wett. Zuvor gelang dem Belgier wenig, vor allem seine Flankenversuche waren völlig ineffizient. Auf Außen zeigte allein Ibrahima Traoré ein ordentliches Spiel. Schon in der ersten Halbzeit war er ein Unruheherd, später bereitete er mit Körpertäuschung und gutem Auge das 2:1 vor.

Ein Problem der vergangenen Saison, vor allem an ihrem Ende, war die fehlende Effizienz vor dem gegnerischen Tor. Dieses Problem setzte sich am Freitag Abend fort. Borussia war nicht torgefährlich. Die optische Überlegenheit fast über die kompletten 90 Minuten mündete nur selten in Torgelegenheiten und wenn, dann führten sie lange nicht zum Erfolg. Dass es mit Jonas Hofmann der Spieler war, der bis dato als der Chancentod schlecht hin galt, der den ersten Treffer markierte, mag als hoffnungmachendes Zeichen gelten. Am zweiten Treffer waren mit Hazard und Raffael zwei Spieler beteiligt, die bis dahin glücklos (Hazard) bzw. unsichtbar (Raffael) unterwegs waren. Auffällig in Sachen Offensive war auch die fortgesetzte Harmlosigkeit der Eckstöße - ein weiteres Phänomen, das schon in der Vorsaison zu bestaunen war. Standard-Spezialist Vincenzo Grifo, mit dem dieses Problem abgestellt werden sollte, saß draußen.

In der Zentrale war Christoph Kramer gewohnt viel unterwegs und schaltete sich auch gelegentlich mit nach vorne ein. Denis Zakaria hatte vor allem in der ersten Halbzeit viele Ballkontakte und war äußerst bemüht, seine Bindung zun den Mitspielern war aber noch eher lose. Mehrfach ging der Schweizer offensiv in Zweikämpfe, um in Richtung Strafraum zu kommen, dabei blieb er mehr als einmal hängen. Die Defensive war nicht häufig gefordert, bei der Essener Führung und bei zwei gefährlichen Situationen unmittelbar davor machten die Abwehrspieler allesamt keine gute Figur. Später gelang es dem Defensivverbund, die Essener weit vom Tor wegzuhalten. Echte Chancen hatte RWE in der zweiten Halbzeit nicht mehr.

Alles in Allem war es kein guter Auftritt und schon gar kein schönes Spiel. Die Pflichtaufgabe gemeistert zu haben und in der zweiten Halbzeit die Geduld und Ruhe bewahrt zu haben, sind dennoch unbedingt positiv zu werten.