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Borussias Spielerlegende Hans-Hubert Vogts prägte einst den Satz, dass die Mannschaft der Star sei. Blickt man jedoch auf die Vereine, die sich am vorigen Mittwoch im Borussia-Park gegenüberstanden, kommen arge Zweifel an der Allgemeingültigkeit dieser Philosophie.


Selten hat ein Spieler einen Verein derart wachgeküsst, wie es Rafael van der Vaart in Hamburg gelungen zu sein scheint. Ohne ihn galt der einzig verbliebene Bundesliga-Dino als wahrscheinlicher (bzw. beim Boulevard als sicherer) Absteiger. Durch seinen Kauf hat sich die Stimmung in der Hansestadt ebenso um 180 Grad gedreht wie die Leistungen der vormals herumstümpernden Mitspieler des Holländers.

 

Den umgekehrten Weg ist in diesem Sommer die Borussia gegangen, die insbesondere den Verkauf ihres Superstars zu beklagen hatte und seitdem spielt als habe die vorige Saison nie existiert. Die beiden Beispiele zeigen: Tatsächlich können schon 1-2 Spieler den Unterschied ausmachen zwischen Spielfreude und Selbstsicherheit auf der einen sowie Verunsicherung und Rumpelfußball auf der anderen Seite.

 

Nicht nur spielerisch-qualitativ fehlt der Mannschaft von Lucien Favre in diesen Tagen das viel zitierte „Rückgrat“. Auch in der Hierarchie ist mit der Mittelachse wesentliches zerbrochen. Dante hat mit seiner Präsenz und seiner Ballsicherheit der übrigen Viererkette eine enorme Sicherheit vermittelt. Neustädter wurde mit seiner Ruhe und Abgeklärtheit von vielen unterschätzt. Reus zu guter letzt bot seinen Mitspielern in der Offensive regelmäßig die Gewissheit, zur Not immer noch eine kreativ-geniale Idee in petto zu haben, was eine Menge Last und Druck von ihren Schultern genommen hat und sie befreiter aufspielen ließ.

 

Champions League-reif war übrigens allein das erste Jahr in der Ägide von Lucien Favre. Am 20.02.2011 stand dieser erstmals für Borussia an der Seitenlinie beim 2:1-Erfolg über Schalke. Nach dem 2:1-Sieg in Kaiserslautern am 18.02.2012 wurde Platz 2 erreicht und die Bayern überholt. Anschließend folgte bereits in alter Besetzung ein sehr mäßiges letztes Saisondrittel mit nur noch 14 weiteren Punkten in 12 Partien. Das ist eine ähnliche Quote wie die neuformierte Mannschaft sie mit 6 Zählern aus den ersten 5 Spielen erzielen konnte. Dieses goldene Jahr bot großartigen Fußball, wie er lange nicht von einer Gladbacher Mannschaft zelebriert wurde. Dies kann und darf aber nicht der Maßstab sein, an dem sich die aktuelle Mannschaft messen lassen muss.

 

Der Verein, die Verantwortlichen ebenso wie Fans und sonstiges Umfeld, würden sich einen großen Gefallen tun, wenn sie sich mit den Realitäten abfinden und nach vorne schauen anstatt zurück. Das vergangene Jahr ist ebenso Vergangenheit wie es die abgewanderten Spieler sind. Der neuen Mannschaft und insbesondere den neuen Spielern tut man keinen Gefallen, sie stets an ihren Vorgängern zu messen, die einen gewaltigen Positivlauf miterlebt und mitgestaltet haben, bei dem für ein Jahr alles optimal verlief.

 

Die Hoffnungen, Borussia könne dank seiner teuren Neuzugänge an die Leistungen der Vorsaison anknüpfen, haben sich leider als utopisch herausgestellt und sollten daher so schnell wie möglich begraben werden. Die Rechnung, dass die Mannschaft im Marktwert deutlich an Qualität verloren hat, wurde bereits mehrfach aufgestellt und darf nicht verdrängt werden. Borussia hat sich im Vergleich zur Vorsaison eben alles andere als verstärkt, während andere Vereine – wie nicht zuletzt auch der HSV – ihren Kader millionenschwer verbessert haben.

 

Von Marktwert und Gehaltsstruktur der Mannschaft gesehen, liegt Borussia im Ligamittelfeld, was sich mit der aktuellen Tabellenlage deckt. Angesichts des zu bewältigenden Umbruchs sind 6 Punkte aus den ersten 5 Partien kein Weltuntergang. Nicht zu akzeptieren ist bei allem notwendigen Realismus aber das, was in den vergangenen beiden Partien präsentiert worden ist. Die Leistungen in Leverkusen und gegen den HSV waren trotz der glücklichen Punktgewinne ein Offenbarungseid, der die Alarmglocken schrillen lassen muss. Mannschaften, die treffsicherer auftreten als Leverkusen oder zwingender als der HSV, werden Borussia in dieser Verfassung aus dem Stadion ballern. Umso bedrohlicher ist dies, da es am Samstag um 18.30 Uhr ausgerechnet gegen eine Mannschaft geht, der bei allen aktuellen Problemen genau dies zuzutrauen ist.

 

Dem BVB wird bereits nach zwei sieglosen Spielen eine Krise eingeredet. Diese besteht derzeit aber allerhöchstens in der Defensive, wo zuletzt insbesondere Marcel Schmelzer und Mats Hummels an ihre Leistungen in der Nationalelf anzuknüpfen verstehen. Spielt Borussia so wie zuletzt – und übrigens auch wie vor einigen Monaten beim letzten Auftritt im Signal-Iduna-Park – dann wird dies aber selbst eine schwächelnde BVB-Abwehr kaum vor größere Probleme stellen. Gegen den HSV bot sich Borussia keine einzige Torchance aus dem Spiel heraus. Die Dortmunder wiederum wussten selbst in den beiden letzten Spielen offensiv zu gefallen. Ihnen bietet sich ein Offensivpotential, bei dem es fast egal ist, ob Marco Reus nach seiner Sprunggelenksverletzung bereits wieder fit genug für einen Einsatz von Beginn an sein wird oder nicht. Kann er nicht auflaufen, so wird Götze seine Position einnehmen, der im bisherigen Saisonverlauf Hoffnungen genährt hat, wieder konstant sein früheres Topniveau erreichen zu können.

 

Kevin Großkreutz besitzt gute Karten, auf die linke Seite zurückzukehren, wo er mit Schmelzer meist gut harmonierte, während dieser zuletzt von seinen Vorderleuten nur unzureichend unterstützt würde. Nach zuletzt zweimal drei Gegentoren in Folge könnte Jürgen Klopp daran interessiert sein, die zuletzt schwächelnde linke Abwehrseite auf diese Weise zu sichern.

 

Auf der anderen Seite erscheint es fraglich, ob Borussia gerade über die eigene rechte Offensivseite allzu große Torgefahr wird entwickeln können. Sowohl Patrick Herrmann als auch Tony Jantschke sind beide angeschlagen und ihr Einsatz wird sich erst kurzfristig entscheiden. Im Grunde bietet dies die optimale Möglichkeit, beide Spieler zu schonen. Favre hatte zuletzt mehrfach seiner Sorge Ausdruck verliehen, dass Herrmann mit seinem kraftraubenden Spiel eine Pause gut tun könnte. In Limassol verzichtete Favre mit Daems und Arango auf die komplette linke Seite. Es hätte eine gewisse Logik, wenn er es in Dortmund mit dem angeschlagenen Herrmann und dem zuletzt formschwachen Jantschke auf rechts ähnlich machen würde.

 

Die Frage bliebe dann aber, wer sich für die Rechtsverteidigerposition anbietet. Matthias Zimmermann scheint bei Favre nur wenig Vertrauen zu haben, was dieser sich aber mit seinen Auftritten in der U23 auch nicht zwingend verdient. Etwas unverständlich erscheint es im Übrigen, dass Zimmermann bei Sven Demandt regelmäßig auf anderen Positionen aufgeboten wird, obwohl er im aktuellen Kader der einzige Spezialist für die Vertretungsrolle von Jantschke ist. Hier sollte die Arbeit der U23 stärker an die Bedürfnisse der Profimannschaft ausgerichtet werden. Martin Stranzl war zuletzt Favres Lieblingsalternative für die rechte Verteidigerposition, die aber durch die unberechtigte Rote Karte in Dortmund nicht zur Anwendung kommen kann.

 

Luuk de Jong tritt die Reise nach Westfalen gar nicht erst an. Somit ist zu erwarten, dass Favre auf eine einzelne Spitze setzt, die von Xhaka hängend unterstützt wird. Im defensiven Mittelfeld bietet sich so eine weitere Chance für den zuletzt so enttäuschenden Cigerci. Oder aber Favre setzt auf Erfahrung und verhilft Thorben Marx zu einem Comeback in der Startelf.

 

Die Aufstellung wird aber sekundär sein. Ironischerweise lieferte die B-Elf von Limassol im Nachhinein die mit Abstand beste Leistung in den letzten 3 Partien ab. Gegen Leverkusen und Hamburg standen jeweils 13 Basisspieler in der Startelf, die in sämtlichen Mannschaftsteilen vor sich hin dilettierten. Die glücklichen Punktgewinne dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich Borussia sich in einer Krise befindet, aus der man sich mit bedingungslosem Kampf Spiel für Spiel herausarbeiten muss. Die Mannschaft muss sich von den (zu) hohen Erwartungen lösen und zunächst einmal wieder die grundlegenden Voraussetzungen für erfolgreiches Fußballspiel erfüllen. Neben Kampf und Einsatz wird es gerade in Dortmund ganz besonders darauf ankommen, hinten wieder sicherer zu stehen, im Zweifel den einfachen Pass zu spielen, um so Sicherheit in Spiel zu bekommen und weniger Fehler als zuletzt zu begehen.

 

Hoffenheim, Köln und der HSV haben es in der vergangenen Woche vorgemacht, wie eine vormals totgesagte Mannschaft innerhalb weniger Tage die Wende einleiten kann. Selbst eine (knappe) Niederlage in Dortmund könnte ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung sein, solange sich die Mannschaft zerreißt und den absoluten Willen spüren lässt, sich gemeinsam aus der schwierigen Situation befreien zu wollen.

 

Dortmund: Weidenfeller – Piszczek, Subotic, Hummels, Schmelzer – Blaszczykowski, Bender, Kehl, Götze, Großkreutz - Lewandowski

 

Borussia: ter Stegen – Zimmermann, Brouwers, Dominguez, Daems – Hrgota, Cigerci, Nordtveit, Xhaka, Arango – Hanke

 

Seitenwahl-Tipps

 

Christian Heimanns: Der Gegner ist Tabellensechster und kriegt regelmässig die Hütte voll. Und trotzdem wirkt es absurd, auch nur ein Unentschieden zu tippen. Der Dortmunder 3:1 Sieg wird die Findungsphase der Gladbacher um einiges verlängern.

 

Thomas Häcki: Nach dem 1:5 platzt dem Trainer der Kragen. Zu Recht! Zu einfach wurde es dem Meister gemacht.

 

Christian Spoo: Man ist versucht, 12:0 für die falsche Borussia zu tippen, aber das würde dann doch zu weit führen. Nein, Dortmund schießt nur vier Tore, Borussia keins. Und wenn Reus trifft, bluten bei uns die Herzen. Das muss ich nicht haben, ich werde mich am Samstag Abend mit Anderem beschäftigen.

 

Christian Grünewald: Momentan lässt sich wenig Hoffnungsvolles im Spiel der Borussia finden. Gegen den Meister wird auch das Ergebnis nicht mehr schmeichelhaft ausfallen: 4:1 für den BVB.

 

Michael Heinen: Den Optimismus meiner Redaktionskollegen kann ich leider nicht teilen. Borussia erlebt in Dortmund eine Demütigung und wird mit 0:6 aus dem Stadion geschossen.