Die seit 9 Spielen ungeschlagenen Borussen als Bastion gegen die Übermacht aus Bayern. Der Angstgegner der letzten Jahre, der mit dem Rückenwind der Schubert-Serie als einziger den Rekordmeister noch stoppen kann. Die Medien bedienen in dieser Tage wieder einmal die üblichen Klischees und schmeicheln damit nebenbei der Seele vieler Borussen-Fans, die nicht zu Unrecht stolz darauf sind, dass ihr Verein dieser Tage wieder ein wenig an die so glanzvollen 1970er-Jahre erinnert.

Doch dieser Blick sollte nicht verklärt werden. Die Situation gestaltet sich leider komplett anders als vor 40 Jahren als sich beide Teams noch auf Augenhöhe und unter gänzlich anderen wirtschaftlichen Voraussetzungen begegneten. Es sagt einiges über die Kräfteverhältnisse im deutschen Fußball aus, wenn die Wettbüros auf einem  Heimsieg des Tabellen-Vierten gegen den Tabellenführer eine zweistellige Quote ausloben. Die Gründe für diesen absurden Irrsinn hat Kollege Heimanns gestern in seinem bemerkenswerten Kommentar ausgeführt. In der Zwischenzeit hat sich wieder einmal bestätigt, wie sehr sich die bajuwarischen Machtverhältnisse im deutschen Profifußball bereits zementiert haben. Anstatt den interessanten Vorschlag des FC St. Pauli zum Anlass zu nehmen, um grundlegend über eine Neuverteilung der Gelder zugunsten der immer stärker benachteiligten kleineren Vereine zu diskutieren, reichte ein Interview des Rolex-Magnaten Karl-Heinz Rummenigge, um die Diskussion in eine gänzlich andere Richtung zu bewegen. So wird nunmehr durch die DFL bereits gefeiert, dass die Bayern nicht noch mehr Geld aus der Liga herauspressen dürfen und immerhin an der Zentralvermarktung festgehalten wird. Eine Änderung des Status Quo ist leider nicht wirklich im Sinne der meisten Entscheidungsträger und somit wird man sich damit abfinden müssen, dass die Bayern auch in den kommenden Jahrzehnten den deutschen Fußball nach Belieben dominieren werden.

So wird es für die übrigen Bundesligisten zunehmend schwierig, überhaupt nur an einen Punktgewinn gegen diese Übermacht zu denken. Die meisten Klubs sind bereits froh, wenn sie sich mit einer knappen Niederlage nicht ihr Torverhältnis verderben. In Frankfurt wurde das ermauerte 0:0 beinahe wie eine Meisterschaft gefeiert. Umso bemerkenswerter, dass es Borussia gegen diesen Gegner in der Vorsaison gelungen ist, gleich 4 Punkte zu holen. Und das, obwohl die Bayern zum Zeitpunkt der beiden Spiele jeweils noch nicht als Meister feststanden. Diese Statistik macht Mut, dass die Fohlenelf auch am Samstag nicht gänzlich chancenlos in die Partie gehen wird.

Die Situation hat sich allerdings gegenüber der Vorsaison noch einmal grundlegend verändert. Zum einen ist bei Borussia ein neuer Trainer am Ruder, der eine andere Art Fußball spielen lässt als sein Vorgänger. Die gerade auf den Außenbahnen offensivfreudigere Ausrichtung dürfte gegen die dort besonders hochkarätig vertretenen Bayern für erhöhte Gefahr sorgen. Eine Möglichkeit wäre es, auf der rechten Seite den erfahreneren und defensiv solideren Tony Jantschke aufzubieten. Zu erwarten ist aber, dass André Schubert seine Mannschaft gegenüber der letzten Partie unverändert lässt. Da eine Rückkehr von Traoré wohl noch zu früh kommt, wird somit auch Josip Drmic eine erneute Chance zur Bewährung bekommen.

In den vergangenen drei Spielen zeigte Borussia in der Defensive einige Schwächen, wie sie unter Lucien Favre nur sehr selten offenbar geworden waren. Gegen den Rekordmeister muss dies dringend abgestellt werden, denn in einem offenen Schlagabtausch mit den Bayern können nur ganz wenige Klubs in Europa bestehen. Wolfsburg und Dortmund gehörten zuletzt eindeutig nicht dazu. Maßstab müssen vielmehr die beiden Partien gegen Juventus Turin sein, bei denen Borussia hinten relativ gut verteidigte und vorne immer wieder Nadelstiche setzen konnte.

Auch punktemäßig ließ Gladbach zuletzt einiges liegen, denn die 5 - zum Teil sogar noch glücklichen - Zähler aus den Partien gegen Ingolstadt, Hannover und Hoffenheim lassen schon befürchten, dass die ganz große Hochphase der Anfangszeit unter Andre Schubert vorbei ist. Von der Leistung, mit der im Oktober u. a. Frankfurt und Berlin aus dem eigenen Stadion gefegt wurden, ist die Mannschaft derzeit ein ganzes Stück entfernt. Die zahlreichen Verletzten konnten bislang zwar gut kompensiert werden. Die daraus resultierende Unmöglichkeit einer gesunden Rotation macht sich aber zunehmend bemerkbar. Das Aufholen des 1:3-Rückstands in Hoffenheim war ein bemerkenswerter Kraftakt und ein Erfolg des Willens, der sich nicht so oft wird wiederholen lassen können.

Aber auch die Bayern haben sich gegenüber der Vergangenheit noch einmal gesteigert. Früher wäre es eine gute Nachricht gewesen, dass Franck Ribery zwar wieder ins Mannschaftstraining zurückgekehrt, aber für Samstag noch nicht einsatzfähig ist. Und dass vermutlich auch Arjen Robben angeschlagen erst einmal auf der Bank Platz nehmen wird. Inzwischen haben die Bayern selbst hier mit Coman und Costa gleichwertige Alternativen. Und selbst dass letzterer ebenfalls nicht einsatzfähig ist, fällt kaum ins Gewicht, denn zur Not kann ein Thomas Müller problemlos auf die Flügel ausweichen, um in der Mitte einem anderen Weltklasse-Spieler Platz zu machen. Eine positive Nachricht für Borussen-Fans ist allerhöchstens, dass Jerome Boateng wieder spielbereit sein wird und auch einem Einsatz von Manuel Neuer nichts im Wege steht.

Pep Guardiola darf sich aktuell fühlen wie ein Computer-Nerd, der beim Fußballmanager einen Cheat benutzt und sich die eigenen Spieler auf die höchste Leistungsstufe hochpimpt. Spaß bereitet das normaldenkenden Menschen maximal für eine Saison, ehe das kontinuierliche Siegen für demotivierende Langeweile sorgt. In Bayern gehört dies aber zum angeborenen Selbstverständnis, so dass sich der dortige Fußball-Sympathisant selbst heute noch über einen Heimsieg gegen Darmstadt 98 oder Hertha BSC Berlin freuen kann.

Borussia sollte auf derlei Befindlichkeiten nicht zu viel geben und die Partie nicht höher hängen als es ihr gerecht wird. Ein Punktgewinn gegen die Bayern wäre zweifelsohne ein Achtungserfolg, mit dem der Verein noch einmal aufhorchen ließe und weiter an Reputation gewinnen könnte. Er brächte aber ebenso nur einen Punkt für die Tabelle wie jener zuletzt in Hoffenheim. Mit dem Heimspiel gegen den Rekordmeister und den beiden Partien in Manchester und Leverkusen stehen nunmehr drei schwierige Partien an, in die Borussia jeweils nicht als Favorit geht. Sie hat aber in der jüngeren Vergangenheit mehrfach nachgewiesen, gerade in solchen Partien über sich hinauswachsen und überragende Leistungen abrufen zu können. Dies wird am kommenden Samstag in jedem Fall nötig sein, damit die jüngste Erfolgsserie der Unbesiegbaren gegen die Unschlagbaren fortgesetzt werden kann.

Borussia: Sommer - Korb, Christensen, Nordtveit, Wendt - Drmic, Xhaka, Dahoud, Johnson - Raffael, Stindl

Bayern: Neuer - Lahm, Benatia, Boateng, Rafinha - Martinez, Alonso, Vidal - Müller, Lewandowski , Coman

SEITENWAHL-TIPPS

Michael Heinen: Dieses Mal ist das Glück Borussia leider nicht hold. Es wird ein deutlicher 2:0-Sieg der Über-Bayern, die sich damit im Borussia-Park die Herbstmeisterschaft sichern. Herzlichen Glückwunsch *gähn*

Christian Heimanns: Falls noch gespielt wird und die Bayern ihre Ergebnisse nicht durch die DFL festlegen lassen, gibt es ein 0:2 für den designierten Herbst-, End- und Rekordmeister.

Thomas Häcki: Bayern kommt leider zu spät. Die Borussia hält sich wacker, in der Schlussphase schlägt der Tabellendominator dann doch zu. 0:1

Christian Spoo: Wer gegen Hoffenheim drei kassiert, darf sich über vier gegen Bayern nicht beklagen. Dass gleichzeitig vorne nicht viel geht, schon gar nicht der Ball ins Tor, macht den Nikolausabend zu einem tristen. Wem das zu jetzt zu kompliziert war: 0:4.

Christoph Clausen: Weil Manuel Neuer diesmal keine Adventsgeschenke dabei hat und die Borussia an die Defensivleistung von Turin anknüpft, steht am Ende ein torloses Remis, mit dem beide Seiten ganz gut leben können.