Drei Halbzeiten zum Vergessen hat Borussia zuletzt absolviert. Von Himmelhochjauchzend stürzte die Mannschaft ihre Anhänger in kürzester Zeit in den Modus Zutodebetrübt. Es war, als seien die Batterien genau in der Halbzeit des Manchester-Spiels leergeworden – zur absoluten Unzeit also. Konnte man dein Einbruch ebendort noch der internationalen Unerfahrenheit zuschreiben, gibt es für die Demontage von Leverkusen nur eine stichhaltige Erklärung: die Mannschaft ist körperlich am Ende. Schlechte Voraussetzungen, um nur drei Tage später ein Ko-Spiel zu bestreiten. Das Weiterkommen im DFB-Pokal ist zudem angesichts des unerfreulichen Europa-Ausscheidens noch wichtiger geworden.

Auf dem Papier ist die Sache klar: Borussia ist ein Spitzenteam, Werder Bremen ist ein Abstiegskandidat. Einem Spitzenteam mit extremen Personalproblemen und angeknackstem Selbstbewusstsein dürfte in einem Pokal-Achtelfinale allerdings nahezu jeder Gegner Probleme bereiten. Fast ist man froh, dass man nicht gegen einen Zweit- oder Drittligisten spielt, denn bei Bremen dürfte zumindest keine große Gefahr bestehen, den Gegner massiv zu unterschätzen. Immerhin hat Borussia gegen Werder in dieser Saison schon einmal verloren – am dritten Spieltag, da allerdings im Weserstadion und noch unter Lucien Favre, dem das Siegergen zu diesem Zeitpunkt bereits abhanden gekommen war.

Nun läuft es bei Werder in dieser Saison trotz des Sieges gegen Borussia nicht wirklich rund. In der Bundesliga konnte das Team nur drei weitere Spiele gewinnen, der letzte, gegen Augsburg, ist fünf Spieltage her. Am Samstag sah es gegen die Minimalisten aus Köln lange nach dem fünften Saisonsieg aus, aber Ujah versäumte es, per Elfmeter vorzuentscheiden und elf Minuten vor Schluss machte der Kölner Svento die Hoffnung der Bremer zunichte. Dennoch machte Werder gegen den FC kein schlechtes Spiel und machte den Kölnern vor allem in der ersten Halbzeit mit durchaus druckvollem Spiel Probleme. Druckvolles Spiel ist wohl auch etwas, mit dem man Borussia zur Zeit leicht aus dem Konzept bringen kann. Man muss zum Beleg gar nicht das Leverkusen-Spiel heranziehen, hilfreicher ist im Hinblick auf Bremen vielleicht das Heimspiel gegen Ingolstadt, bei dem die Gäste den Gladbachern zumindest eine Halbzeit lang massive Probleme durch hohes aggressives Pressing machten.

Personell kann Werder-Trainer Skripnik nicht aus dem Vollen schöpfen. Mit Zlatko Junuzovic fällt der vielleicht wichtigste Spieler bis zur Winterpause aus. Sein Landsmann Florian Grillitsch sollte ihn gegen Köln ersetzen, was nur mittelmäßig gelang. Trotz verletzungsbedingter Auswechslung nach einer Stunde soll der Österreicher in Gladbach spielen können.

Ungleich größer sind die Personalprobleme bei Borussia. Mit Tony Jantschke fällt bereits der vierte Akteur wegen einer Knieverletzung aus. Aller Voraussicht nach ist das Kreuzband gerissen, wie auch bei Patrick Herrmann und Nico Schulz. Jantschke war gerade erst wieder ins Team rotiert, weil Trainer André Schubert Nico Elvedi und Raffael in Leverkusen schonen wollte. Offen ist noch, ob Ibo Traoré und Fabian Johnson spielen können. Traoré mischte gegen Leverkusen mit, war allerdings nicht annähernd in der Verfassung, die ihn während der Schubert-Serie zu einem der auffälligsten Spieler machte. Johnson fehlte in Leverkusen an allen Ecken und Enden. Der wohl vielseitigste Akteur im Kader ist in dieser Saison zum Leistungsträger avanciert, was sich spätestens wenn er fehlt für jeden sichtbar bemerkbar macht. Wenn einer oder beide ausfallen, bleibt André Schubert nichts übrig, als auf den offensiven Außen einer C-Lösung zu vertrauen. Weder Josip Drmic noch Thorgan Hazard gehören dort wirklich hin, hier müsste man von einer empfindlichen Schwächung ausgehen.

Wie Schubert die Mannschaft spielen lässt, wird spannend zu sehen sein. Die Abkehr vom wohlbekannten 4-4-2, die man für ein One-Off gegen Bayern gehalten hatte, scheint in der Ideenwelt des Trainers durchaus eine Dauer-Option zu sein, gegen Leverkusen wurde das System abermals modifiziert, wenn auch ohne Erfolg. Im Mittelfeld rief Mo Dahoud in der zweiten Hälfte in Leverkusen mit jeder Aktion lautlos um eine Pause – das ginge aber nur, wenn Havard Nordtveit wieder eine Position nach vorne rückt. In der Innenverteidigung an neben Andreas Christensen den jungen Marvin Schulz oder den erfahrenen aber völlig spielpraxisfreien Roel Brouwers aufzubieten, riecht nach zu viel Risiko. In der zentralen Offensive spricht vieles dafür, das Erfolgsduo Raffael/Stindl wieder gemeinsam aufzubieten. Josip Drmic ist bisher kein Erfolgsgarant, für ein Experiment mit Thorgan Hazard oder gar dem fast vergessenen Branimir Hrgota an vorderster Front ist das Bremen-Spiel zu wichtig.

mögliche Aufstellungen

Borussia: Sommer – Korb, Christensen, Nordtveit, Wendt – Xhaka, Dahoud – Drmic, Hazard – Stindl, Raffael

Bremen: Wiedwald – Gebre Selassie, Galvez, Vestergaard, Garcia – Bargfrede – Bartels, Fritz, Grillitsch, Öztunali – Ujah

Schiedsrichter: Perl

Seitenwahl-Prognose

Michael Heinen: Borussia müht sich ggen Werder in einem echten Pokalfight. Am Ende steht aber ein hartumkämpfter 3:2-Sieg. 

Christian Spoo: Borussia ist stärker angeschlagen, als wir uns das wünschen. Die Verunsicherung wird mit den Händen zu greifen sein. Die Frage ist, ob Bremen stark genug ist, das auszunutzen. Ich fürchte, irgendwann wird die Skripnik-Truppe merken, das in Gladbach etwas drin ist - Borussia scheidet mit einer 0:2-Niederlage binnen einer Woche aus dem zweiten Wettbewerb aus.

Thomas Häcki: Ein Kraftakt ist der Borussia noch zuzutrauen. "Jugend forscht" muss am Dienstag erst einmal hinten anstehen. Der ein oder andere dringend benötigte potentielle Neuzugang wird sicherlich die Daumen drücken. Das hilft, mit 4:2 ziehen die Fohlen in einem unterhaltsamen Spiel in die nächste Runde.

Christian Heimanns: Borussias letztes Aufgebot kämpft sich mit 2:1 ins Viertelfinale.