Die Auslosung zur Gruppenphase der Champions League versetzt Mönchengladbach in helle Aufregung. Mythos FC Barcelona, Trainerhype Guardiola und aus Sicht aller Fans das Traumlos Celtic Glasgow laden ein zu einem Ausflug auf den ganz großen Spielplatz des europäischen Fußballs. Da darf man sich schon einmal kurz über das Erreichte freuen. Um dann wieder die Augen aufzumachen und sich auf voraussichtlich eins der schwierigsten Spiele der Ligasaison vorzubereiten.

Borussia sonnt sich also im europäischen Glanz. Während der Auslosung schrieb die Uefa auf ihrer Seite gewichtig, dass das kumulierte 9:2 gegen die Young Boys Bern das höchste je erzielte Ergebnis in der Qualifikation ist. Sie erwähnte dabei nicht, dass Bern an diesem Tag allein auf dem Platz und ohne Gegner wohl auch 0:3 verloren hätte. Wie schon im Nachbericht zum Spiel erwähnt, ist der Sieg mehr wert für Finanzen & Statistik als für die Abteilung Sport.

Wer spielt wo?


In selbiger bleiben einige Fragen offen. Die aktuellsten sind: Bleibt es weiter beim 3-4-3, das der offensiven Haltung des Trainers entgegen kommt? Wer besetzt dann die Außenbahnen und wie wird dort für defensiven Halt gesorgt? Kommen Dahoud und der neue Reporterauspracheliebling "Vestergoord" in die Mannschaft? Und wird der breite Kader weiter durchrotiert? Genug Themen, um Guardiola sich selbst mit dem Grübeln über seine persönlichen Borussia-Bilanz zu überlassen.*


In der Defensive brachten alle drei Pflichtspiele bisher wenig Aufschluss zum Grad der Sicherheit. Beim Hinspiel in Bern kamen die Hausherren noch zu unangenehm vielen Chancen, für die Gladbacher war es aber auch das erste Pflichtspiel. Immerhin war zu sehen, dass Neuzugang Strobl eine ordentliche Präsenz im Mittelfeld zeigte und wuchtig in den Zweikämpfen aufräumte. Da scheint sich eine sehr passable Alternative auf der Sechserposition zu entwickeln, mit besonderer Empfehlung gegen offensiv starke Gegner. Andererseits brachte die Hereinnahme von Dahoud sofort ein spürbares Mehr an Spritzigkeit im Angriff. Wenn man davon ausgeht, dass wenige Gegner in der Liga ähnlich stark sein sollten wie Leverkusen, dann könnte man vermuten, dass Dahoud noch genug Gelegenheiten bekommt, ins Geschehen einzugreifen und am Samstag Strobl im Team bleibt.


Zumal damit eine offensive Wahl der Außenbahnen besser abgesichert würde. Die Streichung von zwei Arbeitsplätzen auf den Außen durch das 3-4-3 führt hier zu einem wirklich großen Angebot an Arbeitskräften: Wendt, Johnson, Herrmann und Traoré in erster Linie, aber auch Elvedi, Korb, Nico Schulz, und Hofmann sind hier qualifiziert, auch die jungen Benes und Tsy-Ndenge. Andre Schubert hat bereits demonstriert, dass er die Aufstellung mit drei Spitzen und den zusätzlichen Außenstürmern Wendt und Traoré dahinter nicht scheut. Johnson ist vermutlich der Spieler, der an offensiven und defensiven Qualitäten am meisten mitbringt, zudem die nötige Robustheit und Laufstärke, um als einziger Außenbahnspieler seiner Seite zu bestehen. Rechts könnte der taktisch geschultere Herrmann die Option sein, mit Traoré als Ersatz.


Der Gegner aus Leverkusen


Galt jahrelang der Dortmunder BVB als fest gebuchte Nummer 2 in Deutschland hinter den Bayern, so könnten sich die Gewichte in nächster Zeit verschieben. Die Dortmunder mussten den Abgang von drei Säulen verkraften, Leverkusen hingegen kann seit Jahren sportlich aufbauen. Vielfach wird die Mannschaft vom Chemiekonzern als kommender Tabellenzweiter getippt, mit der Aufgabe "die Bayern so lange wie möglich zu ärgern". Wie das so ist in der Bundesliga.


Schon in der Vorvorsaison brauchten die Borussen eine enorm starke Rückrunde und einen hart erarbeiteten Sieg gegen Leverkusen, um das Duell um Platz 3 für sich zu entscheiden. In der letzten Saison hatte die Werksmillionenelf dank einer erneut bärenstarken Saison sich zu weit abgesetzt, um noch eingeholt werden zu können. Der zweite Heimsieg in Folge brachte den Borussen Platz 4 (und die oben erwähnte Auslosung). Im Hinspiel allerdings hatte Borussia in Leverkusen eine regelrecht schockierende 0:5 Packung bezogen, die an schlimmste Zeiten erinnerte.


Die Entwicklung der letzten beiden Jahre ist für die Chemical Guys geradezu optimal verlaufen. Bei seiner Verpflichtung galt Roger Schmidt als ein Trainer, der seiner Mannschaft das absolute Pressing, Gegenpressing und jede andere Form von Pressing einimpft. Spektakulären Fußball wollten sie in Leverkusen sehen. Und Werbewert, natürlich. Spektakel bekamen sie auch, allerdings mehr als gewünscht und Schmidt musste einsehen, dass er nur durch ein taktisches Modell die Bundesliga nicht so dominiert wie in Österreich mit Salzburg. Er nahm die extrem nach vorne orientierte Ausrichtung teilweise zurück und die Ergebnisse stellten sich ein. Inzwischen kann Schmidt als ein moderner, taktisch kluger Trainer gelten, dem nur der eigene Glaube an die Bestimmung und seine manchmal kolossale Selbstgerechtigkeit im Wege stehen, wie in der vergangenen Rückrunde, als er seinen Platzverweis schlicht ignorierte.


Sein Kader ist stark und eingespielt. Die Innenverteidigung mit Tah und Toprak ist ein Muster an Stabilität, dazu kommt nun mit Dragovic ein weiterer Klassemann. Bellarabi auf der Außenbahn ist ein absoluter Brandstifter in der gegnerischen Defensive, der aktuell verletzte Hernandez "Chicharito" einer der gefährlichsten Torschützen der Liga, Neuzugang Volland ein aussichtsreicher Nachfolger für Kiessling. Ein anderer Neuzugang, Baumgartlinger, hat beste Aussichten, Kampl von der Sechs zu verdrängen; die Nebenposition auf der anderen Sechs hält mit Aranguiz ein ungewöhnlich spielstarker und torgefährlicher Mann. Julian Brandt, um noch einen zu nennen, ist ein  Talent von so großer spielerischer und torgefährlicher Dimension, dass sein Potential noch gar nicht richtig ausgelotet ist.


Man konnte es sich sogar leisten, Christoph Kramer für eine stolze Summe nach Mönchengladbach abzugeben, der unter Schmidt nicht so recht Fuß fasste. Insgesamt kann Leverkusen mit einem Kader von außergewöhnlicher Balance und offensiven Möglichkeiten in die Saison gehen. Da ist es schon mal gut, dass Hernandez verletzungsbedingt ausfällt und Brandt nach dem Olympia-Turnier noch eine Pause kriegen sollte. Auch so reicht das Spiel für eine echte Standortbestimmung.

* 2:2:2 nach Siegen, Unentschieden, Niederlagen, 7:7 nach Toren. Müsste doch für Topf 1 der Uefa reichen.


Aufstellungen:


Borussia:

Sommer - Christensen, Vestergaard, Elvedi; Johnson, Strobl, Kramer, Herrmann; Hazard, Raffael, Stindl

Leverkusen:

Leno - Jedvaj, Tah,Toprak, Wendell; Kampl, Aranguiz; Bellarabi, Calhanoglu, Mehmdi; Volland

SEITENWAHL-Tipps:

Christian Spoo: Nach dem Trainingsspielchen gegen Bern wird es jetzt ernst. Das wissen auch André Schubert und seine Mannschaft und gehen das Spiel mit dem nötigen Respekt an. Am Ende reicht es nicht, wie in den vergangenen Jahren, zu drei Punkten. Aber mit dem 2:2 können alle ganz gut leben.

Volkhard Patten: Bern war der gewünschte leichte Sieg, aber nun wirds ernst. Leverkusen ist ein Prüfstein, aber nach dem 3:1-Sieg werden wir entspannt in die Länderspielpause gehen.

Uwe Pirl: Nach dem Auftritt am Mittwochabend könnte man beim Tipp des Leverkusen-Spiels an ein historisches Ergebnis denken: 6:3 für Borussia? Angesichts des gruseligen Fortgangs der damaligen Saison stellen wir uns das lieber nicht vor und bleiben auf dem Teppich. Leverkusen ist ein anderer Gegner als Bern. Die Spielpraxis und eine breite Brust verschaffende CL-Quali nimmt Borussia trotzdem mit in das Spiel und gewinnt 3:1.

Christoph Clausen: Diese Paarung hat seit Jahren eine Tendenz zum Remis, unbeschadet einzelnder Abweichungen. Das 1:1 passt ins Muster.

Claus Dieter Mayer: Ein taktisch geprägtes Duell auf Augenhöhe endet letztendlich 1:1 und der meistgefragte Mann danach ist Torschütze Kramer.

Thomas Häcki: Das 2:2 liefert dem Publikum ein weiteres unterhaltsames Spiel zweier Kontrahenten auf Augenhöhe.

Michael Heinen: Der Kantersieg vom Mittwoch beflügelt Borussia so sehr, dass auch die schwierige Auftaktpartie erfolgreich bestritten wird. Leverkusen wird mit 3:2 besiegt.

Christian Heimanns: Bestes Wetter, starker Fußball und ein 2:2, das für beide Mannschaften ein Beweis der Stärke ist, bei so einem Gegner.