Vergleicht man die Ergebnisse der ersten sieben Saisonspiele von Borussia Mönchengladbach mit der um den Verein herrschenden Stimmung, kommt man nicht umhin, eine gewisse Diskrepanz festzustellen: Aus den ersten sieben Saisonspielen wurden drei Siege und zwei Unentschieden geholt, zweimal musste man sich geschlagen geben, darunter eine (wenn auch nicht in dieser Höhe) erwartbare Niederlage in Dortmund. Der Verein steht in der Tabelle auf Platz 7, drei Punkte hinter den Bayern auf Platz 2, nur die ungeschlagenen Dortmunder sind schon ein bisschen enteilt. Statistisch fällt nur das aufgrund der hohen Niederlage in Dortmund leicht negative Torverhältnis aus dem Rahmen. Man sollte also meinen, dass der Vorbericht zum Spiel gegen Bremen vom Selbstvertrauen handelt, das aus einem gelungenen Saisonstart resultiert.

Der Blick in die Presse und auch in die Foren spricht eine andere Sprache: Schlagzeilen wie "Rätsel um Raffael" (Torfabrik), "Matchglück" (Torfabrik) "Borussia spielt gegen das Murren an" (Rheinische Post) und "Bei den Neuen geht noch mehr" (Rheinische Post) oder "An der Gabelung zum Mittelmaß" (SEITENWAHL) zeigen deutlich das Unbehagen, das sich im Umfeld des Vereins in den letzten Wochen breitgemacht hat. Das Stimmungsbild in den Internet-Foren entspricht dem.

Woran liegt das? Ungeachtet der ordentlichen Punktausbeute hat die Mannschaft in der Saison 2017/18 bisher noch kein uneingeschränkt überzeugendes Spiel abgeliefert: Zäh gegen Essen, der Auftaktsieg im Derby gegen Köln angesichts des Tabellenstandes des Erzrivalen im Nachhinein überschätzt. Unerklärlich zaghaft in Augsburg und daheim gegen Frankfurt. Abgeschlachtet in Dortmund. Wenig zwingend gegen Stuttgart, mehr als glücklich gegen Hannover. Einigermaßen beherzt in Leipzig, das aber auch erst in der zweiten Halbzeit.

Warum gelingt es bisher nicht, überzeugende Leistungen zu zeigen? Verletzungen mögen dabei eine Rolle spielen, wobei es andererseits in der Vergangenheit schon dramatischere Ausfälle gab. Borussia Mönchengladbach hat in allen Spielen eine Startelf auf den Rasen bringen können, die gehobenem Bundesliganiveau entspricht. Vielfach ist von "fehlender Mentalität" der Mannschaft die Rede, manchmal auch von einer nicht vorhandenen oder jedenfalls nicht sichtbaren "Spielidee" des Trainers. Auch mangelnde Fitness wurde angesichts unterlegener Laufleistungen in einigen Spielen schon diskutiert. Ob einer oder vielleicht alle diese Punkte zutreffen, ist von außen kaum zu beurteilen. Vielleicht ist die Erklärung aber auch viel banaler: Ein paar Spieler nicht ganz in Topform (Raffael, Stindl), kleinere Eingewöhnungsschwierigkeiten in der Abwehr (Vestergaard, Ginter) gepaart mit dem bekannten Gladbacher Problem, sich gegen tief stehende und / oder robust auftretende Gegner zu behaupten - diese Mischung reicht vielleicht schon aus, dem gewachsenen Anspruch des Umfeldes an schönen Fußball und Ergebnisse nicht mehr gerecht werden zu können. 

Gerade deshalb wird es spannend sein zu sehen, welches Gesicht die Mannschaft nach der Länderspielpause zeigt. Überzeugende Leistungen in den kommenden Spielen gepaart mit Erfolgen sind in der Tat das einzige Mittel, um das aufgekommene Unbehagen zu vertreiben.

Hierfür steht Borussia Mönchengladbach ein deutlich gewachsenes Personaltableau zur Verfügung: Die Liste der Ausfälle verkürzt sich auf Doucouré, Strobl, Benes und Drmic, eventuell fällt noch der angeschlagene Bobadilla aus. Damit stehen Dieter Hecking erstmals in dieser Saison üppige Variationsmöglichkeiten zur Verfügung. Dennoch sind in weder in der Viererkette noch im mit Stindl und Raffael besetzten Angriff Veränderungen zu erwarten. Für die Doppelsechs stehen mit Kramer, Zakaria und Cuisance aber drei echte Anwärter auf einen Startplatz zur Verfügung, um die beiden Positionen auf der offensiven Außenbahn bewerben sich mit Hazard, Herrmann, Johnson, Grifo, Traoré und Hofmann nicht weniger als sechs Spieler mit jeweils spezifischen Stärken.

Verglichen mit dem Gegner aus Bremen sind alle Diskussionen rund um Borussia Mönchengladbach Luxusdiskussionen: Noch sieglos, mit bisher vier Punkten aus vier Unentschieden Vorletzter, bereits drei Punkte Rückstand auf die Mannschaften obendrüber - das ist die Situation von Werder Bremen. Dabei war man eigentlich recht optimistisch in die Saison gegangen. Über die vom Verein selbst getroffene Entscheidung zum Wechsel des Torwarts (Pavlenka für Wiedwald) hinaus haben Werder mit Grillitsch und Gnabry nur zwei Stammspieler verlassen. Erwähnenswert sind daneben noch die fürs Teamgefüge wichtigen Abgänge von Clemens Fritz (Karriereende) und Claudio Pizarro. Dem gegenüber stehen als Neuzugänge mit Gondorf (Darmstadt 98), Augustinsson (FC Kopenhagen), dem bereits erwähnten Pavlenka (Slavia Prag) und Belfodil (Standard Lüttich) Spieler, die bereits Bundesliganiveau nachgewiesen haben bzw. denen man das jederzeit zutrauen kann. Einer der Knackpunkte für das schlechte Abschneiden der Bremer ist die bisher nicht vorhandene Torgefährlichkeit. Drei Tore aus bisher sieben Spielen sind arg wenig. Verschärft wird die Situation durch den verletzungsbedingten Ausfall von Max Kruse, einem, wenn nicht dem Schlüsselspieler der Bremer, dem so ein Auftritt gegen seine Ex-Kollegen versagt bleibt. Zlatko Junuzovic, der Anfang der Saison ebenfalls ausgefallen war, ist wieder fit. Bremen tritt voraussichtlich mit einer Dreierkette aus Velijkovic, Sané und Moisander an, die sich defensiv um die beiden Außenbahnspieler Gebre Selassie und Augustinsson erweitert. Im Mittelfeld sind Bargfrede, Delaney und Junuzovic zu erwarten, als Stürmer Bartels und Belfodil, wobei insbesondere der erstgenannte auch viel nach hinten arbeitet. Bremen wird vermutlich nicht bedingungslos stürmen sondern versuchen, sich über eine sichere Defensive Sicherheit zu verschaffen. Anhänger von Borussia Mönchengladbach können sich daher erneut auf ein Spiel einstellen, das keinen Schönheitspreis gewinnt.

Angesichts der Ausgangsposition geht Borussia Mönchengladbach als leichter Favorit ins Spiel. So sollte man auch auftreten.

 

Denkbare Aufstellungen

Werder Bremen: Pavlenka - Veljkovic, L. Sané, Moisander - Gebre Selassie, Bargfrede, Augustinsson - Junuzovic, Delaney - Bartels, Belfodil

Borussia: Sommer - Elvedi, Ginter, Vestergaard, Wendt - Zakaria, Kramer - Hazard, Herrmann - Stindl, Raffael

 

Der SEITENWAHL-Tipp

Uwe Pirl: Borussia hat die Länderspielpause genutzt und siegt verdient mit 2:0 in Bremen.

Christian Spoo: Trotz Entspannung an der Personalfront: Borussia spielt nicht besser als gegen Hannover. Das reicht in Bremen immerhin zu einem Punkt. 1:1.

Michael Heinen: In Bremen gibt es für Borussia traditionell nicht viel zu holen. Das ist leider auch in diesem Jahr nicht anders. Werder siegt mit 1:0.

Thomas Häcki: Auch in Bremen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Team zwar besser könnte ihm aber der Spirit fehlt. Die Quittung lautet 0:1

Claus-Dieter Mayer: In einem schwachen Spiel entscheiden letztendlich einige wenige Einzelaktionen das Spiel für die Borussia. Nach dem 2:0-Sieg in Bremen wird in Mönchengladbach heftig diskutiert, ob die Tabelle nicht doch manchmal lügt.