Seit 1991 erfreut es uns regelmäßig wie die Neujahrsansprache: Das „Unwort des Jahres“! Die „Sprachkritische Aktion Unwort des Jahres“ möchte damit für den Sprachgebrauch sensibilisieren und eine Anregung zu mehr sprachkritischer Reflexion liefern. Zynisch betrachtet, könnte man auch mit den Unwörtern der Vergangenheit ganz hervorragend die Geschichte des VfL Wolfsburg darstellen. Schließlich hielt der VW-affine Vorstand auf dem Weg zur nationalen Spitze für alternativlos (2010), ausgiebig in Humankapital (2004) zu investieren und stellte dafür nicht grade Peanuts (1994) zur Verfügung. Eine dauerhaft erfolgreiche Truppe formte dies aber nicht. Vielmehr entpuppten sich viele Spieler als Ich-AG (2002), genossen die großzügige Herdprämie (2007) und waren als Wohlstandsmüll (1997) nur noch schwer veräußerlich – soweit sie nicht von sich aus die freiwillige Ausreise (2006) antraten und so Kollateralschaden (1999) einschränkten. Aber um Zynismus soll es hier nicht gehen.

Würde man dieses Jahr die Wahl des Unwortes nur von den deutschen Fußballfans wählen lassen, wäre die Wahl vermutlich eindeutig: „Videobeweis“. Lang geplant, mit großem Brimborium eingeführt und dafür erschreckend dilettantisch umgesetzt. Kein Spieltag, an dem das mittlerweile in Verruf geratene technische Helferlein nicht in irgendeiner Weise diskutiert werden müsste. Kein Verein, der nicht in irgendeiner Weise betroffen gewesen wäre. So auch der VfL Wolfsburg am letzten Wochenende, als Maximilian Arnold bereits nach 11 Minuten per Videobeweis zum Duschen geschickt wurde. Zu Recht in diesem Falle. Es ist dem Team anzurechnen, dass es sich trotz Unterzahl wacker zu wehren wusste und erst kurz vor Schluss bezwungen wurde. Besonders ärgerlich: Hätte man in Augsburg das 1:1 nach Hause gebracht, wäre man die Bundesliga-Mannschaft mit den wenigsten Niederlagen. Zumindest zusammen mit den Bayern, die ja trotz der viel beachteten Niederlage am Niederrhein unangefochtener Spitzenreiter sind. Dass sich die Autostädter aber eher am ewig kriselnden HSV als am Rekordmeister orientieren müssen, liegt an der Anzahl von Siegen. Hier stehen lediglich zwei zu Buche, nur Bremen und natürlich Köln haben derzeit weniger.

Man könnte also die Wolfsburger als das meist ausgeglichene Team der Bundesliga bezeichnen. Sieht man einmal vom 0:3 gegen die anfangs euphorisiert aufspielenden Dortmunder am ersten Spieltag ab, waren alle anderen 14 Pflichtspiele, einschließlich der beiden 1:0-Pokalsiege, denkbar knapp, acht davon am Ende tatsächlich ausgeglichen. Die Wölfe also als Burg der Stabilität? Was für ein Kontrast zu den Borussen in dieser Saison. Über deren Schwankungen ist bereits ausgiebig berichtet wurden. Dabei fallen die Ausschläge mittlerweile aber deutlich geringer aus. Von den letzten vier Begegnungen waren drei richtig gut und dabei besiegte man mit Hoffenheim, Hertha und eben den Bayern sicherlich nicht die Leichtgewichte der Liga. Dieter Hecking sieht einen Lernprozess in der Mannschaft. Abgeschlossen ist dieser aber noch lange nicht, Rückschläge werden erwartet und als dem Reifeprozess zugehörig betrachtet. Allerdings fühlt man sich auf dem derzeitigen Tabellenplatz wohl und möchte dieses Gefühl auch so lange wie irgendwie möglich auskosten. Dafür ist es wichtig, auch am Sonntag an die Auswärtsleistungen der vergangenen Spiele anzuknüpfen. Keinesfalls sollen sich die Ereignisse nach dem letzten Heimsieg gegen die Bayern wiederholen, als man nach einer euphorisierten Woche sang- und klanglos in Leverkusen mit 0:5 unterging.

Die zuletzt wieder deutlich entspannte Personalsituation hat sich seit vergangenen Samstag wieder verschärft. Hinter dem Einsatz von Kramer steht ein dickes Fragezeichen. Fällt er aus, ist kaum anzunehmen, dass Hecking das Jungspund-Experiment Zakaria/Cuisance im defensiven Mittelfeld erneut versuchen wird. Dafür waren die Leistungen von Ginter auf der von ihm ungeliebten Position bislang zu stark. Dies führt zu Verschiebungen in der Verteidigung, mit dem Problem, dass Backup Jantschke ebenfalls ausfallen wird. Denkbar wäre Johnson auf der rechten Verteidigerposition. Dieser harmonierte gegen Bayern gut mit Herrmann, den in dieser Woche erneut das Verletzungspech heimsuchte. Schade, denn dieser zeigte sich zuletzt unentschieden ob seiner Zukunft und hätte die letzten guten Eindüce durchaus bestätigen können. Eine erneute Chance für Grifo, sich für die Stammelf zu empfehlen, was aber die Anfälligkeit auf den Flügeln etwas erhöht. Solche Sorgen kennt Wolfsburg nicht, muss man dort doch nur Camacho und eben Arnold ersetzen. Die Borussen werden also auf ein ausgeglichenes Team treffen. Wie ausgeglichen sie sich präsentieren, bleibt abzuwarten. Zuletzt gab es in der Autostadt nicht viel zu holen. Das hat die Fohlen aber auch zuletzt nicht abgehalten, auswärts wieder erfolgreich zu spielen.

 

Wolfsburg:  Casteels - Verhaegh, Uduokhai, Brooks, Tisserand - Guilavogui, Gerhardt - Origi, Didavi, Malli - Gomez

Borussia: Sommer – Johnson, Elvedi, Vestergaard, Wendt - Ginter, Zakaria - Grifo, Hazard - Stindl, Raffael

 

TIPP:

Thomas Häcki: Das schreit ja förmlich nach einem Standardtipp. 1:1.

Christian Spoo: In einem schwachen Spiel erfüllt sich ie Hoffnung der Borussia auf eine Serie nur partiell. Das 1:1 sorgt nicht grade für Rückenwind vor dem wichtigen Schalke-Spiel.

Michael Heinen: Nach Siegen über die Bayern folgte in der Vergagenheit oft eine schwächere Phase. Von daher ist das 1:1 gegen Wolfsburg durchaus als (Teil-)erfolg zu werten.

Claus Mayer: Die Borussia setzt ihre Auswärtsserie fort: Nach 2:0 in Bremen, 3:1 in Hoffenheim und 4:2 in Berlin gibt es nun ein 5:3 in Wolfsburg.