Am Ende war er der Held des Tages. Bereits zum dritten Mal lag die Borussia gegen die Gäste aus Hoffenheim zurück, da erlöste Matthias Ginter in der Nachspielzeit sein Team und die meisten verbliebenen Zuschauer im Park. Zugegeben, man muss ein wenig in der Historie der Borussia blättern, um das dreimalige Aufholen eines Rückstands zu finden. Die zwölfte sieglose Partie im fünfzehnten Pflichtspiel lief Gefahr sich durch die tolle Moral, die die Mannschaft gezeigt hatte, zu verklären. Aber Ginter legte nach. Die dauernden Verletzungen könnten kein Zufall sein und müssten hinterfragt werden. Kurz darauf bestätigte der Manager, dass es insbesondere bei der internen Kommunikation Nachholbedarf habe. Das dort nicht alles rund läuft, sei ein Fakt. Sicherlich bezog Max Eberl seine Aussagen auf die rätselhafte Verletzungsseuche, welche die Borussia nun schon seit geraumer Zeit heimsucht. Die aktuelle Krise aber alleine nur daran festzumachen, wäre grundlegend falsch.

Der Erfolg hat bekanntlich viele Väter, doch auch der Misserfolg ist selten nur an einem Faktor festzumachen. Die Borussia droht derzeit, vieles was in den letzten Jahren erreicht wurde wieder zu verlieren und sich dauerhaft aus der Spitzengruppe im deutschen Fußball zu verabschieden.  Wenn man keinen Stein auf den anderen lassen will, darf das nicht nur für die Thematik „Verletztenmisere“ gelten. Auch andere Bereiche müssen untersucht werden, um einem schleichenden Abwärtstrend entgegenzuwirken. Dies sollte nun nicht zu sehr dramatisiert werden. Nicht alles, was man an der Weisweiler-Alle macht ist nun plötzlich schlecht. Aber es hakt eben in vielen Bereichen. Die Kaderplanung ist hiervon nicht auszunehmen. Grade mit Blick auf die Verletztensituation, dass es hier einige Problemfälle gibt. Nur darauf zu vertrauen, dass diese wieder gesunden und zur alten Stärke zurückführen wäre fatal. Grade auf diesen Positionen müssen bereits frühzeitig Alternativen bestehen, um Ausfälle halbwegs adäquat abzufedern. Dies wurde in der Vergangenheit insbesondere im Bereich der Verteidigung deutlich, wo die Borussia nahezu zwei Jahre brauchte um die absehbare Ablösung der Spieler Stranzl, Brouwers und Dominguez auszugleichen. Aktuell sind die Baustellen hingegen mehr in der Offensive zu suchen. Das Raffael im Herbst seiner Karriere steht, war bereits in der letzten Saison abzusehen. Eine Reaktion erfolgte aber nur soweit, dass man mit Bobadilla einen äußerst zweifelhaften Notnagel verpflichtete. Die Probleme in der Offensive sind somit nicht nur Verletzungspech, sie sind zu einem großen Teil auch hausgemacht. Die Transferpolitik muss daher ebenfalls auf den Prüfstand.

Dies ist umso wichtiger, dass man den Weg über Talentverpflichtungen als alternativlos bezeichnet. Hier hat man in der Tat beeindruckendes geleistet. Mit Elvedi, Zakaria, Cuisance oder Benes hat man für vergleichbares kleines Geld großes Talent verpflichten können. Dieser Weg soll nicht in Frage gestellt werden. Aber Talente benötigen eben auch gestandene Spieler, neben denen sie wachsen können. Und der Verein benötigt ein gewisses Maß an Erfolg, um weiterhin auf europäischer Ebene für diese Talente interessant zu bleiben. Nur mit Talent wird es nicht funktionieren, wichtig ist der Mix. Doch auch dieser Weg wirft Fragen auf. Wenn man sich auf die Heranbildung von Talenten fokussiert, muss untersucht werden, warum sich kaum noch Talent aus dem eigenen Nachwuchs in Borussias Kader festsetzt. Es wäre unfair, dies nur am aktuell wenig befriedigenden sportlichen Abschneiden der zweiten Mannschaft festzumachen, denn in der Tat spielt diese zum ersten Mal seit Jahren nicht um den Aufstieg mit. Doch bereits ein Blick in den Jugendbereich wirft offenbart Problematisches. Abgesehen davon, dass der Abstiegskampf aus der Bundesliga West nicht das Ziel einer solchen Strategie sein kann, verliert die Borussia zunehmend an Anschluss. Man hinkt hier nicht nur den Schwergewichten Schalke und Dortmund hinterher, sondern hat mittlerweile auch den Anschluss an Leverkusen und den VfL Bochum verloren. Fortuna Düsseldorf und Köln schneiden langfristig ähnlich ab. Die Verpflichtung europäischer Talente ist daher gut, doch darf man über sie nicht den eigenen Unterbau vergessen. Nur Bestnoten bei den Sportschulen reichen auch hier nicht.

Natürlich ist auch der Trainer vom aktuellen Misserfolg nicht auszunehmen. Auch wenn die derzeitige Situation sicherlich nicht einfach ist, bleiben 12 Punkte aus 14 Ligaspielen unterm Strich viel zu wenig und sind nicht nur aus der angespannten Personallage zu erklären. Immerhin stehen bei der Borussia mehrere aktuelle Nationalspieler unter Vertrag, die weitestgehend von Verletzungen verschont wurden und keine Mehrfachbelastung haben. Das sich die Mannschaft nicht belohnt oder zu einfache Tore fängt ist fast schon so legendär, wie eine auffällige Passivität nach Führungen. Die noch im Winter kolportierte vorzeitige Vertragsverlängerung darf kein Thema mehr sein. Vielmehr muss man sich bis spätestens Sommer über Alternativen Gedanken machen, wenn der aktuelle Trend weiter bestehen bleibt. Es scheint, dass die Borussia Gefahr läuft, ihre Leitplanken zu verlassen. Eine Analyse der Situation schließt eine langfristige Spielidee und den dafür verantwortlichen Trainer mit ein.

Es könnte sich gut treffen, dass man am Sonntag nun auf einen Verein trifft, welcher derzeit ähnlich gebeutelt ist wie die Borussia. Mit ebenfalls nur acht Punkten in der Rückrunde ist die Situation für Mainz aber wesentlich prekären. Nach oben hin droht man den Anschluss an das rettende Ufer zu verlieren, von unten droht ein wiedererstarkter 1 FC Köln den rheinischen Rivalen noch vor der Zielgrade abzufangen. Bis auf einen Überraschungssieg bei der Hertha ist auch den Mainzern in den vergangenen neun Pflichtspielen nur wenig gelungen. Befreiungsschläge gegen die Abstiegskonkurrenten Wolfsburg und den HSV blieben aus, zuletzt setzte es ein 0:3 bei den Frankfurtern. Dabei waren die meisten Spiele durchaus knapp, nur eben nicht erfolgreich. Während die Fohlen also im Mittelmaß feststecken, geht es beim FSV um die nackte Existenz. Die personelle Situation unterscheidet sich hingegen wesentlich. Während Trainer Schwarz nahezu sein bestes Team auf das Feld schicken kann, stellt sich das Team der Fohlen fast schon von selbst auf. Fraglich ist es, ob es für Raffael und Vestergaard schon reichen wird. Diese Personalien dürften direkt mit Jantschke und Drmic verbunden sein. Ebenso offen ist die Systemfrage. Versucht Hecking erneut die Dreierkette, ist ein Schlagabtausch zu erwarten. Beide Teams sehnen sich nach einem Befreiungsschlag. Eine Niederlage würde für beide mit einem Abstiegsplatz enden – zumindest in der Rückrundentabelle. Und das würde einiges auf den Prüfstand stellen.

 

Mainz: Adler - Balogun, Bell, Gbamin - Donati, Brosinski - de Jong - De Blasis, Latza - Berggreen, Muto

Borussia: Sommer - Jantschke, Ginter, Elvedi - Hofmann, Kramer - Herrmann, Hazard, Wendt - Stindl, Drmic

 

TIPP:

Thomas Häcki: Das 1:1 ist wenig ansehnlich und bringt keinen Verein weiter.

Christian Spoo: Gäbe es ein Momentum, ich weiß nicht, auf welcher Seite es zu verorten wäre. Aber Kollege Mayer hat uns ja aufgeklärt. Deswegen fällt es mir recht leicht, ein schmuckloses und für niemanden wirklich hilfreiches 1:1 zu prognostizieren.