In Mönchengladbach erlebt man schon in der Frühphase der neuen Saison das alte Spiel „himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt“. Nach dem Sieben-Punkte-Start waren die Gazetten voll mit Lobeshymnen, wurde die Mannschaft zum natürlichen Europa-Kandidaten gehyped, wurden vor Wochen noch verlachte Spieler wie Jonas Hofmann zu potenziellen Nationalspielern geadelt, wurde die zurückhaltende Einkaufspolitik im Defensivbereich als Geniestreich des Sportdirektors gewürdigt. Dabei war auch bei den erfreulichen Heimsiegen gegen Leverkusen und Schalke deutlich zu sehen, was der Mannschaft noch fehlt. Der Punkt in Augsburg war im Rückblick durchaus glücklich und das Spiel in Berlin brachte dann alle Hype-Anfälligen wieder auf den Boden. Stellen wir fest: Borussia ist offensiv weniger ausrechenbar geworden, hat mit Alassane Plea offenbar einen richtig guten Stürmer verpflichtet und kann sich über ein gutes Angebot top-motivierter und formstarker Offensivleute freuen, das sich durch die Rückkehr von Lars Stindl und (perspektivisch) Raffael noch verbessert. Stellen wir weiter fest: Durch die Abkehr von der Doppelsechs fehlt im Mittelfeld bisher noch die Kompaktheit, die Abwehr hat sich noch nicht gefunden. Hier stellt Dieter Hecking bis dato schwer nachvollziehbar um – warum vor der Saison offensiv das Duo Ginter/Elvedi zur Innenverteidigung der Zukunft deklariert wird und Elvedi nach seiner Genesung dann ausschließlich rechts spielt und dort das Berlin-Spiel fast im Alleingang vergeigt, ist schwer nachvollziehbar. Der etatmäßige Rechtsverteidiger-Backup Tony Jantschke hat gegen Leverkusen zwar überzeugt, danach aber kaum mehr Argumente für seine Aufstellung in der Innenverteidigung geliefert. Nun liegt die Hoffnung im Abwehrverbund auf dem Debut von Neuzugang Michael Lang. Den Schweizer nach wochenlanger Verletzung zum Heilsbringer zu stilisieren, birgt aber das Risiko enttäuscht zu werden, zumal die Vorstellung „Innenverteidiger Elvedi“ nach dessen Berlin-Fiasko keine einschränkungslos schlaffördernde ist. Einzige Alternative, zumal Tony Jantschke neben formschwach auch angeschlagen ist, wäre, Tobias Strobl zurückzuziehen. Statt seiner könnte Edelreservist Christoph Kramer sein Startelf-Debut feiern – oder Denis Zakaria seinerseits eine Position nach hinten rücken.

Neben der Defensivleistung hat Borussia ein nach wie vor ganz offensichtliches Problem: Den Kampf. Verlegt sich ein Gegner aufs Kratzen und Beißen, haben die Gladbacher dem wenig entgegenzusetzen. So konnte eine spielerisch limitierte Truppe wie Augsburg dem Spiel ihren Stempel aufdrücken, so geriet Borussia gegen Schalke trotz fußballerischer Überlegenheit zwischenzeitlich massiv ins Schwimmen. Verbindet dann ein Gegner Kampf und Spiel, wie zuletzt Hertha BSC, dann fällt den Borussen nichts mehr ein. „Zu viele liebe Typen“, diese Diagnose kam in der Sommerpause aus dem Verein selbst. Michael Lang wurde auch vor diesem Hintergrund verpflichtet, dennoch fehlt es ganz offensichtlich weiter an Spielern, die physisch und mental in der Lage sind, engagierten Kämpfern mit breiter Brust entgegenzutreten. Für die Partie gegen Eintracht Frankfurt verheißt das nichts Gutes.

Der Saisonstart hätte für Eintracht Frankfurt nicht schlechter ausfallen können. Nach der Pokalsensation zum Ende der vergangenen Saison – dem Finalsieg gegen die Bayern – gab es in der ersten Runde der neuen direkt die nächste. Der Titelverteidiger schied gegen die Amateure aus Ulm aus. Außerdem ging die Eintracht im Supercup-Finale gegen das Team unter, das es im Pokalfinale noch so erfolgreich niedergekämpft hatte. Der neue Trainer Adi Hütter galt am ersten Bundesligaspieltag schon als Rauswurf-Kandidat Nummer eins. Auch der Bundesliga-Start verlief holprig, aber inzwischen scheint sich die Eintracht gefangen zu haben, die zahlreichen Abgänge von Spielern, die das Kampfschwein-Image der Truppe im Vorjahr geprägt hatten und den des Machers Niko Kovac zu eben jenen Bayern scheint verdaut zu sein. Im Euro-League-Geisterspiel kämpften die Frankfurter Olympique Marseille in deren Stadion nieder, auch RB Leipzig hatte die Eintracht am Sonntag am Rande einer Niederlage, der mögliche Siegtreffer wurde wegen vermeintlicher Abseitsstellung zu Unrecht aberkannt. Aber dennoch: Die Mannschaft tritt wieder annähernd so auf, wie man das in der vergangenen Spielzeit kante: aggressiv, agil und willensstark. Über das Fußballerische kommt die Eintracht auch unter Adi Hütter eher selten. Auch 2018/19 ist es eine Kämpfertruppe. In Gladbach wird man sehen, wie sehr sich die Doppelbelastung schon jetzt auf die Leistung auswirkt. Für Eintracht Frankfurt ist es das vierte Spiel innerhalb von zwölf Tagen. Der physisch Anspruchsvolle Spielstil könnte seinen Tribut fordern, verlassen sollte Borussia sich darauf aber nicht. Im Grunde ist Eintracht Frankfurt exakt der Typ Mannschaft, der die Gladbacher gerne wie eine Riege von Schwiegersöhnen wirken lässt.

Mögliche Aufstellung

Borussia: Sommer – Lang, Ginter, Strobl, Wendt – Kramer – Zakaria, Hofmann – Herrmann, Hazard, Plea

Frankfurt: Trapp – da Costa, Abraham, Ndicka, Willems – Gelson Fernandez, de Guzman, Kostic – Haller, Jovic, Rebic

SEITENWAHL-Prognose

Christian Spoo: In der vergangenen Saison von Eintracht Frankfurt niedergekämpft kommt Borussia auch diesmal nur schwer ins Spiel. Mit dem 1:1 ist man am Ende gut bedient.

Michael Heinen: Samstag Nachmittag noch für ein paar Sekunden Tabellenführer und nur vier Tage später droht Borussia den guten Saisonstart zu verspielen. Der späte Ausgleich zum 1:1 verhindert zumindest vorerst das Gerede von einer Krise.

Claus-Dieter Mayer: Lange Zeit hat die Borussia große Mühe mit der Eintracht und kann nur mit Glück und Yann Sommer einen Rückstand vermeiden. Nach 2 Treffern in der letzten halben Stunde darf Dieter Hecking nach dem Spiel aber von "überragender Moral" und einem "Traumstart" in die Saison schwärmen.