Es ist gerade mal vier Wochen her, da galt Borussia Mönchengladbach in Teilen der Anhänger- und der nationalen Medienlandschaft als ernsthafter Anwärter auf die Deutsche Meisterschaft 2019. Was seitdem passiert ist, ist sattsam bekannt, so dass wir statt über den Titel jetzt darüber sprechen müssen, ob das Spiel bei Mainz 05 für Borussia schon ein wegweisendes ist, in der Frage ob man sich in einer tiefen oder gar existenziellen Krise befindet. Dass gerade Krise herrscht, ist wohl Konsens, ganz egal, wie man vorher zu den Meisterschaftsträumen einiger stand. Drei Heimniederlagen mit drei oder mehr Toren Unterschied in Folge lassen keinen anderen Schluss zu. Umfassende Gedanken dazu hat SEITENWAHL in dieser Woche schon veröffentlicht. Wer den Text des Kollegen Michael Heinen noch nicht gelesen hat, sei die Lektüre hiermit eindringlich ans Herz gelegt.

Was heißt all das jetzt für das Spiel in Mainz? In erster Linie, dass Borussia unter massivem Druck steht. Die Partie gegen die auf dem Papier sicher schwächeren Rheinhessen muss schon erfolgreich bestritten werden, wenn man die Krise nicht noch vertiefen möchte. Die Gefahr, in der Tabelle nach unten durchgereicht zu werden, besteht. Die ideale Ausgangsposition, in der man sich vor vier Wochen noch wähnte, wäre dahin. Wer die Champions League schon als „erreicht“ abzuhaken geneigt war, müsste sich wohl endgültig korrigieren.

Die Ursachenforschung bei Trainer Dieter Hecking scheint, zumindest was seine öffentlichen Aussagen angeht, noch nicht sonderlich erfolgreich gewesen zu sein. „Gewisse Dinge“ müsse man anders machen. Aber vor allem „Das ist Fußball“. Laufbereitschaft und Abwehrverhalten seien nicht ausreichend gewesen, analysiert Hecking. Eine zweifellos richtige Erkenntnis, zu der zu kommen man allerdings kein hochdekorierter Fußballehrer sein muss. Es ist zu hoffen und zu erwarten, dass die interne Analyse detaillierter ausfällt und der Trainer seinen Spielern vermitteln kann, was sie am Samstag in Mainz besser zu machen haben.

Die viel kritisierte Abwehr wird Dieter Hecking wohl schon zwangsläufig umstellen müssen. Matthias Ginter ist verletzt. Zwar ist das letzte Wort über seine Einsatzfähigkeit noch nicht gesprochen. Wer die Wortwahl Heckings in der Pressekonferenz vor dem Mainz-Spiel mit der in vergleichbaren Situationen in der Vergangenheit vergleicht, der muss aber zu dem Schluss kommen, dass das mit Ginter nichts werden wird. Damit fiele der weniger formschwache von zwei formschwachen Innenverteidigern aus, was im Umkehrschluss einen Einsatz des zuletzt nachgerade grotesk fehleranfälligen Nico Elvedi fast schon unausweichlich macht. Eine komplett neue Innenverteidigung aus Tony Jantschke und Tobias Strobl ist zwar denkbar, aber nicht wahrscheinlich. Einer von beiden wird Ginter aber ersetzen müssen. Dass Strobl in die Mannschaft rückt, ist ohnehin anzunehmen. Christoph Kramer interpretiert die Rolle des Mannes vor der Abwehr anders als der Ex-Hoffenheimer, und wenngleich Kramer in den letzten Spielen nicht einmal zu den schwächeren Akteuren gehörte, vermisste man die Ruhe und Organisiertheit, die Stroble an guten Tagen auf den Platz bringt,  vor allem aber machte sich sein Fehlen in der Spieleröffnung bemerkbar. Diese Aufgabe fiel meist den Innenverteidigern zu, die sich damit Mal um Mal überfordert zeigten. Um sich nicht ganz um die  Lauffreude und Einsatzbereitschaft eines Christoph Kramer zu bringen, sollte der Trainer vielleicht tatsächlich einmal darüber nachdenken, ob der 28-Jährige nicht auch für andere Aufgaben im Mittelfeld eine Alternative sein könnte. Zur Defensive noch: Alles andere als eine erneute Rotation auf der Rechtsverteidiger-Position wäre eine Überraschung. Michael Lang betreibt in der Rückrunde eifrig Antiwerbung in eigener Sache.

Im Mittelfeld machte Denis Zakaria gegen die Bayern nach seiner Einwechslung einen guten Eindruck. Denis Zakaria macht nach seiner Einwechslung allerdings häufig einen guten Eindruck, wird das mit einem Startelfeinsatz im darauffolgenden Spiel belohnt, führte das in der Vergangenheit nie dazu, dass sich Zakaria nachhaltig für einen Stammplatz aufdrängte. Vielleicht wird das in Mainz aber anders. Die Robustheit des Schweizers ist gegen die kampfstarken 05er kaum verzichtbar. In vorderster Reihe haben Stindl und Hazard ihre Plätze wohl sicher, auch weil beide gegen Bayern zu den besseren Borussen zählten. Alassane Pleas Formkrise dagegen dauert an. Patrick Herrmann oder gar der genesene Raffael, der sich gerade für ein weiteres Jahr an Borussia gebunden hat, wären mögliche Alternativen. Eine weitere, allerdings doch wenig wahrscheinliche, wäre eine Änderung des in dieser Saison bisher immer gespielten 4-3-3-Systems. Nicht wenige Analysen kommen zu dem Ergebnis, das Spielsystem Borussias sei entschlüsselt und darin liege ein Grund für den Misserfolg. Dass die Mannschaft unter der Woche auch mal ohne Zuschauer trainierte, könnte ein Hinweis sein, dass grundlegendere Änderungen zumindest geprobt werden.

Mainz 05 ist mäßig in die Rückrunde gekommen. Zu Hause gewann das Team von Sandro Schwarz deutlich gegen Schalke, aber wer tut das im Moment nicht? Auch Nürnberg wurde geschlagen, hier gilt Ähnliches. Gegen Bayer Leverkusen dagegen gab es eine deftige 1:5-Heimpleite. Aber 1:5 verlieren auch andere Teams schon mal gegen Spitzenmannschaften. Am Montag zog die Mannschaft noch mit dem Karnevalszug durch die Rheinland-Pfälzische Landeshauptstadt, die weder im Rheinland noch in der Pfalz liegt. Danach habe man sich auf Borussia vorbereitet, die man besser erwarte, als zuletzt gegen Wolfsburg und Bayern. Sandro Schwarz sieht die Gladbacher auswärtsstark und lobt ihre Qualität und Erfahrung. Spielerisch sieht er sein Team unterlegen und kündigt deswegen schon an, den Borussen mit Einsatz und Kampfgeist begegnen zu wollen. Aggressivität, Leidenschaft und Fleiß, das seien die Mainzer Tugenden, sagt Schwarz. Dass Borussia mit Teams, die genau das an den Tag legen, gelegentlich ihre Probleme hat, dürfte auch ihm nicht entgangen sein. Die Personalsituation bei Mainz 05 ist entspannter, als zuletzt. Jean-Paul Boetius hat eine Gelbsperre abgesessen. Bis auf den langzeitverletzten Torwart René Adler sind alle Stammkräfte an Bord.

Mögliche Aufstellung

Mainz: Müller – Brosinski, Bell,Niakathé, Aaron – Kunde – Gbamin, Latza, Boetius – Mateta ,Onisiwo

Borussia: Sommer – Johnson, Elvedi, Jantschke, Wendt – Strobl – Zakaria, Hofmann – Hazard, Stindl, Herrmann.

SEITENWAHL-Prognose

Christian Spoo: Der freie Fall hält an, Zwischenstation Euro-League-Plätze. Verunsicherte Borussen lassen erneut vorne viel liegen und legen sich hinten so manches Ei. Mainz gewinnt mit 3:0.

Michael Heinen: Auswärts läuft es derzeit besser als im Borussia-Park. Mit einer konzentrierten Leistung gewinnt Gladbach verdient 2:1 in Mainz.

Thomas Häcki: Nach dem 0:3 in Mainz verabschiedet sich Heckings Mannschaft von der Champions League.

Claus-Dieter Mayer: Die Borussia ist heiß auf Serien. Nach 3 Heimpleiten in Folge geht es nun darum zu schauen, wie oft man auswärts ungeschlagen bleiben kann. Am Samstag wird  mit einem 3:0 in Mainz ein wichtiger Schritt gemacht, um die Serie auszubauen.