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"Well done, lads!" Anerkennend nicken die Männer, die unter den blaubeflaggten Pubs stehen, den Vorbeiziehenden zu. Die Fans der Glasgow Rangers sind durchaus zufrieden damit, dass ihre Rivalen von Celtic soeben 2:1 gegen Borussia Mönchengladbach verloren haben und sei es nur ein Testspiel. "Tae easy, innit?" Die Fans der Celtics wiederum sind über das Spiel keineswegs erbaut, nehmen es aber sportlich und verwickeln die Gäste aus Deutschland in unzählige Gespräche um ihnen mitzuteilen, dass dies keineswegs das wahre Celtic war. Die Gäste vom Niederrhein lächeln, nicken und verstehen vom gefürchteten Glasgower Akzent kein Wort.

Man braucht nur ein paar Meter durch Glasgow zu gehen um festzustellen, dass die oft beschriebene Rivalität zwischen den Grünen, irisch geprägten  von Celtic Glasgow und den blauen, als Gegner automatisch dem englischen Königreich Verbundenen von Glasgow Rangers keine leere Geschichte ist. Die vielen Einwanderer aus Irland (in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts) , deren Präsenz sich in einem eigenen Fußballclub manifestierte und die prostestantische Reaktion darauf führen dazu, dass die unglückliche Geschichte Irlands täglich in Schottlands größter Stadt wieder erlebt wird. In der Folklore des Fußballs wird diese Rivalität gerne pittoresk wiedergegeben und die tatsächlich auch großartige Atmosphäre des Old Firm als Kulmination dieser Geschichte verkauft.

Aber zuviel Politik, zuviel mit Unrecht und Vergeltung beladene Geschichte tun dem Fußball niemals gut und die IRA-lastigen Gesänge der Celtic-Anhänger sind nicht die beste Idee,um das Gift aus diesem weltberühmten Derby zu nehmen. Zuletzt war man diesem Ziel etwas näher gekommen, auch dank der Abwesenheit des weltberühmten Derbys nach dem Zwangsabstieg der Rangers. Allerdings hat sich bei Celtic vor einigen Jahren eine Ultragruppierung formiert, die von Deeskalation rein gar nichts hält. Wenn schon Ultra, dann richtig. Wie sich das entwickelt, wenn die Rangers auf ihrem vorhersehbaren Marsch durch die Ligen in 2 Jahren wieder in der Premiership, der ersten schottischen Liga, angekommen sind, bleibt abzuwarten. Auch bis dahin sollten Besucher der Stadt am Clyde sich überlegen, wieviel blau oder grün ihre Kleidung enthalten darf.

Fußball gab es aber trotzdem beim Testspiel von Borussia Mönchengladbach beim Celtic FC Glasgow. Leider war die Partie durch ein kleines Missverhältnis in der sportlichen Herangehensweise gekennzeichnet. Celtic hat am Mittwoch ein Qualifikationsspiel gegen Elfsborg Boras aus Schweden und wollte die Verletzungsgefahr der eigenen Spieler lieber in Grenzen halten. Dadurch kamen einige Nachwuchsspieler aufs Feld, was der Spielstärke des schottischen Meisters sichtlich zusetzte. Des weiteren war dieses Spiel eines der ersten für den Neuzugang im Sturm von Sporting Lissabon, Amido Baldé, und dieser hatte es richtig schwer.

Überhaupt standen aus der Mannschaft, die im letzten November Barcelona im Celtic Park schlug, nur zwei Spieler in der Anfangsformation, einige weitere wurden später eingewechselt. Auch Favre hatte mit Rupp, Younes und Korb Spieler auf dem Platz, die möglicherweise nicht gegen Bayern auflaufen werden, allerdings machte sich das bei Borussia gegen diesen Gegner in keiner Weise bemerkbar. Denn es gelang den Schotten, eine Eigenart des Sieges gegen Barcelona zu wiederholen: Auch in jenem Spiel hatte Celtic weniger als 20 % Ballbesitz. Und genauso lief das Testspiel vom Samstag, das bei unschottisch schönem Wetter über den Rasen ging.

Die Borussen sicherten sich von Anfang an den Ballbesitz und spielten sich locker durch die schottischen Linien. Zu Anfang kam Celtic zumindest noch in die Nähe des Gladbacher Strafraums, später hörte auch das für längere Spielphasen auf. Die Hausherren fanden nie ein Mittel gegen Younes, auch Raffael hatte wieder sichtlich Vergnügen am Spiel, die Vorwärtsbewegung lief flüssig und ansehnlich und ergab eine Chance nach der anderen. Und nach einiger Zeit musste man sich auf Gladbacher Seite sagen, dass das einfach zu schön war, um wahr zu sein. Tatsache ist, dass Celtic trotz des berühmten Namens am Samstag keinen ernsthaften Gegner abgegeben hat. Daher ist auch der 2:1 Sieg nur das Ergebnis eines Trainigsspiels ohne echte Opposition.

Erkenntnisse aus "Men vs. Boys" darf man daher nicht zu hoch bewerten. An der Oberfläche schwimmt das folgende: Amin Younes hat den Konkurrenzkampf sichtlich angenommen und die Testspiele genutzt, um sich zu präsentieren. Zu seinen Stärken gehört nicht nur das Dribbling, sondern auch gutes Spielverständnis und überraschende Pässe. Mehr Torgefahr könnte ihm in der kommenden Saison einige Spielanteile geben. Raffael ist eine klare Verstärkung. Geschmeidig, stark im eins gegen eins, gegen zwei, gegen drei, kann er Gegner auf sich ziehen und sich dennoch durchsetzen und findet oft den richtigen Moment für den Pass. Er schließt auch gerne ab, ist aber sichtlich kein Stürmer der vordersten Linie.

Max Kruse hatte noch nicht die ganz starken Momente. Er verleiht der Mannschaft aber den Zug zum Tor und den Willen zum Abschluss. Nach allen kurzen und langen Pässen wird auch bei Favres Vorstellung vom Spiel irgendwann mal jemand aufs Tor schießen müssen und Kruse übernimmt die Verantwortung. In der letzten Saison hat er hinreichend bewiesen, dass er auch die Fähigkeiten dazu hat. Christoph Kramer hat in der Vorbereitung überzeugt. Laufstark, zweikampfstark, ballsicher und mit dem Willen, das Offensivspiel mitzugestalten präsentiert sich die Leihgabe aus Leverkusen als ernsthafte Alternative. Welche Spieler im defensiven Mittelfeld am besten harmonieren, wird sich wohl erst in einigen Wochen oder Monaten zeigen, dennoch ist der erhöhte Konkurrenzkampf dort eine der besten Entwicklungen für die Mannschaft. Auch Granit Xhaka hatte seine guten Momente, sein urgewaltiger Schuss zum 1:0 gegen Celtic deutet seine Fähigkeiten an. Auch für ihn wird ein Stammplatz nicht leichter zu haben sein als im letzten Jahr, aber eine positive Entwicklung ist da.

Neben Peniel Mlapa, der zur Zeit außen vor ist, konnte auch Juan Arango die Vorbereitung nicht für sich nutzen. Er wird in körperlich beste Form kommen müssen, um seine unbestrittenen Fähigkeiten auf dem Platz zeigen zu dürfen. Julian Korb ist ausgiebig als Alternative zu Tony Jantschke getestet worden, überwiegend mit positivem Ergebnis. Allerdings meist gegen nicht ernst zu nehmende Gegnerschaft, daher darf man annehmen, dass Jantschke beim harten Anfangsprogramm der ersten fünf Spiele die Nase vorn hat.

Alternativen zu ter Stegen werden schon mal gar nicht gesucht, die Gerüchte um Barcelonas Avancen haben sich verflogen. Der junge Nationaltorwart ist immer stark auf der Linie und zeigte sich gegen die im Luftkampf robusten Schotten souverän bei hohen Bällen. Wenn da nicht seine Interpretation des neuzeitlichen Torwartspiels als Libero wäre, bzw. als letzter Sechser oder tiefer Zehner. Bekanntlich ist es die maßgebende, prägende Eigenschaft moderner Torhüter, sich weit vor dem Tor als Rückspielstation anzubieten und mit beachtlichen Paßqualitäten zu glänzen, zusätzlich zu ausgezeichneten Torhüterqualitäten. Marc Andre ter Stegen ist einer der extremsten Vertreter dieses risikoreichen Spiels und kein Rückschlag kann ihm sein Selbstvertrauen nehmen, was für einen Torwart eine wichtige Eigenschaft darstellt.

Aber auch ter Stegen wird sich die Szenen noch mal ansehen, in denen er zu früh oder falsch herauskommt. Selbst gegen die höchst zurückhaltenden Kelten aus Glasgow traf er mindestens zweimal die falsche Entscheidung, eine dieser Gelegenheiten hätte ihm ohne weiteres die rote Karte bescheren können. Psychologisch dürfte es absolut richtig sein, nach aussen immer ein grenzenloses Selbstbewusstsein zu vertreten, wie es auch eine fußballerisch weit schwächere Torwartlegende aus München tat. Aber die Pflicht zur Analyse, zur Selbstkritik hinter verschlossenen Türen wird ihm dadurch nicht genommen.