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Kontinuität 9.0, so könnte eine Überschrift lauten, wollte man die Verpflichtung von Gladbachs neuem Cheftrainer Michael Frontzeck kommentieren.  Der ehemalige Spieler und Co-Trainer der Borussia trat vor einigen Wochen die Nachfolge von Hans Meyer an. Nachdem im vergangenen Jahr der Abstieg nur hauchdünn gelang, sind die Ziele des gebürtigen Mönchengladbachers klar: Klassenerhalt, und zwar vorzeitig. Im SEITENWAHL-Interview spricht Frontzeck über sein Image, Kontinuität auf dem Trainerstuhl und die Bedeutung von Medizinbällen und Laptops am Trainingsplatz.

 

Herr Frontzeck, wer Ihre Aussagen und Interviews wertet oder Sie am Spielfeldrand beobachtet, könnte den Eindruck gewinnen, Sie sind ein langweiliger Trainertyp.

Frontzeck: „Jeder Trainer hat seinen eigenen Stil. Mein Verhalten liegt zum Teil in meinem Charakter begründet, zudem bin ich am Anfang meiner Karriere durch Personen und ein bestimmtes Umfeld geprägt worden. Heynckes oder Grashoff haben schon damals Probleme hinter verschlossenen Türen besprochen, aus dieser Zeit habe ich viel mitgenommen. Wobei es mich nicht interessiert, wie ich ‚wirke'. Ich nehme mich selber nicht wichtig, auch wenn das in diesem Geschäft oft anders praktiziert wird."

In Bielefeld wurde Ihnen ob Ihrer Art eine gewisse Emotionslosigkeit vorgeworfen, die speziell im Abstiegskampf auf Außenstehende befremdlich wirkte.


Frontzeck: „Wenn ich in der Kabine bei meiner Mannschaft bin, ist das etwas völlig Anderes. Doch ein Trainer ist mit Anpfiff einer Partie ein Stück weit hilflos. Du arbeitest die gesamte Woche mit der Mannschaft, besprichst die Taktik oder lässt Spielzüge üben. Doch wenn die Partie läuft, muss es die Mannschaft umsetzen. Ich sitze ja nicht regungslos an der Seitenlinie, aber veranstalte dort auch keine Salti oder Kopfstände."

Wie beeinflusst das Verhalten des Trainers Ihrer Meinung nach die Mannschaft? Brauchen Spieler nicht auch Emotionen und einen Antrieb von der Seitenlinie oder in der täglichen Arbeit?

Frontzeck: „Als ich Trainer in Bielefeld wurde, hatte die Mannschaft 18 Punkte in der Hinrunde geholt, die ersten vier Spiele der Rückrunde gingen alle verloren, dazu eine Pokalniederlage in Jena. Nach der Niederlage gegen Duisburg, die zu diesem Zeitpunkt auf dem letzten Tabellenplatz standen, war natürlich große Aufregung im Umfeld, bei den Fans und natürlich in den Medien. Wenn ich in dieser Situation auch ausgeflippt wäre, hätte sich dies noch alles verstärkt. Wir sind ruhig geblieben, das Umfeld beruhigte sich auch und am Ende konnten wir die Klasse halten."

Der Boulevard beschrieb Sie schon als ‚Anti-Meyer'. Können Sie mit diesen Begrifflichkeiten etwas anfangen?

Frontzeck: „Nein, absolut nicht. Hans Meyer ist ein hervorragender Trainer, der das Ruder hier noch herumgerissen hat, denn mit elf Punkten zur Winterpause steigst Du eigentlich sicher ab. Als ich mit Bielefeld hier gespielt habe, spürte ich diese angespannte Stimmung, die um seine Person herrschte. Doch ich weiß, wie Hans denkt und arbeitet. Er hat alles dafür getan, dass dieser Verein die Klasse hält. Was letztlich hier vorgefallen ist, kann und will ich nicht beurteilen, dafür war ich zu weit weg."

Bei Ihrer Verpflichtung gab es vonseiten der Fans und der Medien gedämpften Optimismus, zum Teil große Vorbehalte. Ist das besonders enttäuschend, wenn Sie als ehemaliger Gladbacher diese Abneigung spüren, oder leiden Sie mehr darunter, dass vor Ihnen schon zu viele Ex-Spieler hier gescheitert sind?

Frontzeck: „Ich leide nicht, da braucht sich keiner Sorgen zu machen. Diese Vorbehalte sollen sogar vorhanden sein, ich kann und will nicht jeden Kritiker überzeugen. Wenn die Mannschaft Erfolg hat, habe ich meinen Job gut gemacht. Wissen Sie, ich habe auch in Bielefeld oder Aachen von ‚Vorbehalten' meiner Person gegenüber gehört. Doch nie kam ein Zuschauer oder ein Fan auf mich zu und hat mir gesagt, dass er mit meiner Arbeit unzufrieden ist. Es ärgert mich, wenn die wenigen anonymen Stimmen, die im Internet und den Foren existieren, als Stimmungslage für das gesamte Umfeld herangezogen werden, denn dem ist nicht so. Ich habe nichts gegen sachliche und konstruktive Kritik, aber viele wollen einfach nur negative Stimmung verbreiten und tun dies um des Kritisierens Willen. Damit kann ich nichts anfangen."

Ein zurückhaltendes Auftreten macht weniger angreifbar, als von Beginn an durch markige Sprüche zu hohe Erwartungen zu schüren. Wohnt Ihrer Art demnach auch eine Portion Kalkül inne?

Frontzeck: „Wissen Sie, ich bin relativ frei von dem, was man von mir als Person erwartet. Max Eberl und ich sind uns einig, welche Ziele wir haben. Der Klassenerhalt soll souveräner und möglichst früh realisiert werden. Mit dem Potenzial, das ich in den ersten drei Wochen schon erkannt habe, ist dies durchaus realistisch. Es interessiert mich nicht, was alles geschrieben wird, wo wir landen werden oder müssen. Da bin ich relativ resistent. Wir werden unseren Weg gehen."

Sie legen sich bislang auf kein System fest, heben einzelne Spieler nicht heraus und das Saisonziel lautet pragmatisch ‚Klassenerhalt'. Sind das die kleinen Brötchen, die Borussia zukünftig backen will?

Frontzeck: „Wir wollen eine ruhigere Saison erleben und nicht bis zum letzten Spieltag zittern müssen. Wer mit 11 Punkten in die Winterpause geht, ist eigentlich schon abgestiegen. In der vergangenen Saison profitierte Borussia auch davon, dass die Konkurrenz es verpasste, sich vorzeitig abzusetzen. Zurück zu Ihrer Frage: Wir sollten den Begriff ‚Kontinuität' nicht überstrapazieren ..."

... vor allem nicht in Mönchengladbach!

Frontzeck: „ Richtig, aber Sie müssen auch bedenken, dass zum ersten Spieltag wieder eine sehr veränderte Mannschaft auf dem Platz stehen wird. Vergleichen Sie doch einmal die Startaufstellungen vom ersten Spieltag gegen den VfB Stuttgart mit der, die am 34. Spieltag zu Hause gegen Dortmund spielte! Was in dieser Saison schon wieder passiert ist! Wir müssen dahin kommen, dass der Kern einer Mannschaft mal über zwei, drei Jahre zusammenbleibt."

Diese Forderungen wird das Umfeld unterschreiben, das hat es aber schon bei Köppel, Heynckes und Luhukay getan.

Frontzeck: „Ja, aber man muss sich einmal vom Gedanken lösen, dass der Trainer das Hauptproblem ist. Jetzt ist der Frontzeck hier, und es gibt Vorbehalte. In der Vergangenheit waren hier unter anderem tätig: Jupp Heynckes, Champions League-Sieger und gerade von Bayer 04 Leverkusen unter Vertrag genommen. Dick Advocaat, der wenige Jahre später UEFA-Cup-Sieger wird. Dann Holger Fach und Jos Luhukay, zwei junge Trainer. Es gab in Gladbach also die gesamte Bandbreite an Trainertypen. Hans Meyer! Auch freiwillig gegangen. Heynckes, Advocaat, Meyer - das sind drei erfahrene Trainer, die haben schon alles erlebt und alle hören hier vorzeitig auf. Das ist bemerkenswert."

Halten Sie die Erwartungen auch an Ihre Person aus diesem Grund so niedrig, dass Sie später womöglich an zu hohen Ansprüchen scheitern könnten?

Frontzeck: „Mein Anspruch lautet, auf dem Platz eine Truppe zu haben, die als solche auftritt und dass dies von den Zuschauern erkannt und honoriert wird. Wenn wir uns dabei auch fußballerisch weiterentwickeln, werden wir die angestrebten Ziele früher erreichen, als dies in der vergangenen Saison der Fall war. Es geht hier nicht um Erwartungen an meine Person."

Sie haben selbst als Spieler und Co-Trainer unter vielen verschiedenen Trainern gespielt oder gearbeitet. Inwieweit prägen diese Trainer für die eigene Karriere an der Seitenlinie?

Frontzeck: „Am meisten prägt sicherlich der erste Trainer, den man als Profi zu Beginn der Karriere hatte, das war bei mir Jupp Heynckes. Wahrscheinlich prägt er mich bis heute mehr, als ich mir das zugestehe. Insgesamt hatte ich Glück, mit vielen unterschiedlichen und sehr guten Trainern zusammenarbeiten zu können, auch mit solchen, mit denen ich weniger gut auskam. Aber bei jedem lernst Du etwas. Kopieren wollte ich keinen, denn das geht in jedem Fall schief. Ein Trainer muss authentisch bleiben und seinen eigenen Weg finden."

Nachdem vor wenigen Jahren die neuen, jungen Trainer gefragt waren, die einen neuen Weg beschreiten, besinnen sich viele Bundesligisten wieder auf die ‚alten Hunde': die Bayern holen van Gaal, Leverkusen kurz danach Heynckes und Felix Magath betont bei jeder Gelegenheit, auf Laktatmessungen zu verzichten und schüttet stattdessen den ‚Mount Magath' auf, den seine Spieler hochsprinten müssen. Wie bewerten Sie als noch junger Trainer diesen Modewechsel?

Frontzeck: „Das Trainergeschäft unterliegt keinem Moderhythmus. Letztlich ist es völlig egal, ob ein Trainer schon beim Frühstück mit Medizinbällen wartet oder mit dem Laptop in der Hand am Trainingsplatz steht. Er muss eine eigene Philosophie haben und seine Mannschaft damit erreichen, nur darum geht es. Jürgen Klinsmann wurde von Teilen der Medien in den Himmel gehoben und von den gleichen wieder dort oben heruntergeholt, das alles binnen weniger Monate. Diese Diskussion um ‚neue' oder ‚alte' Trainer, ob ‚jung' oder ‚erfahren', findet doch nur in den Medien statt. Innerhalb des Vereins muss es eine Einheit geben, die auch halten muss, wenn von Außen gezielt Unruhe hereingetragen wird."

Die vergangene Saison war die zweitschlechteste in Borussias Bundesligageschichte. Hatten Sie in den wenigen Wochen schon Gelegenheit, diese Saison aufzuarbeiten durch Videostudium und Gespräche mit Verantwortlichen?

Frontzeck: „Ich hatte ein sehr langes Gespräch mit Hans Meyer, das die gesamte Mannschaft, nicht einzelne Spieler zum Inhalt hatte. Durch Max Eberl erfuhr ich auch viel. Aber was gibt es aus dieser Saison aufzuarbeiten? Wie ich bereits betonte: Mit 11 Punkten zur Winterpause steigst Du ab, Punkt. Mit Bailly, Galasek, Stalteri und Dante wurde im Winter gute Qualität eingekauft, so dass es am Ende reichte.

In diesem Sommer sind in Ihrem Kader viele Spieler, die verletzt oder angeschlagen in die Saison gehen oder für die die Bundesliga Neuland ist. Haben Sie Bedenken, dass der Start gelingen kann und damit auch das Umfeld nicht von Beginn an nervös wird?

Frontzeck: „Ich bin davon überzeugt, dass wir das Kreativitätsproblem, das wir durch die Abgänge von Marin und Baumjohann grundsätzlich haben, durch mehrere Spieler und flexible Systeme lösen können. Mit Thorben Marx und Michael Bradley haben wir zwei Spieler, die zwischen den Sechszehnmeterräumen marschieren können und eine gewisse Torgefahr ausstrahlen. Meeuwis gefällt mir in den ersten Wochen schon sehr gut in seiner Art, wie er spricht und das Spiel sieht. Marco Reus hat das Jahr in der zweiten Liga sehr gut getan, er arbeitet super nach hinten mit und hat tolle Aktionen nach vorne. Nein, Bedenken habe ich nicht, sondern schon jetzt genügend Fantasie, was mit diesem Kader möglich ist."

Passen Sie die Spieler Ihrem System an oder umgekehrt?

Frontzeck: „Bei mir stehen die Spieler an erster Stelle, ich möchte flexibel sein. Je nach Ausgangslage und Gegner können wir mit drei offensiven Leuten im Mittelfeld auflaufen oder in der klassischen Raute. Wichtig ist, dass ein Trainer die passenden Spieler für sein System hat."

... das bei Ihnen eher defensiv ausgelegt ist?

Frontzeck: „Das Halbfinalspiel Chelseas gegen den FC Barcelona war ein Lehrbeispiel dafür, wie Fußball heutzutage gespielt wird. Es geht um den Raum zwischen eigenem Sechszehner und der Mittellinie. Der Gegner will, dass dieser Raum offen ist, denn eine spielstarke Mannschaft nimmt Dich hier auseinander. Hier musst Du kompakt stehen, und dabei ist es egal, mit welchem System hier agiert wird. Chelsea lief in Barcelona mit drei defensiven Mittelfeldspielern auf. Nutzen Mannschaften wie Bielefeld oder Gladbach die gleiche Taktik gegen spielstarke Gegner, heißt es, man spiele Fußball aus der Steinzeit."

Eine Baustelle ist die Abwehr. Mit Galasek, Paauwe und Gohouri haben drei erfahrene Defensivspieler den Verein verlassen, Innenverteidiger wurden nicht verpflichtet. Die Personaldecke ist hier sehr dünn. Fällt jemand aus, gibt es wenig Alternativen.

Frontzeck: „Das sehe ich nicht so dramatisch. Alle Jungs, die hinten spielen, haben mein Vertrauen. Ich denke, dass wir in der Innenverteidigung ordentlich besetzt sind. Zumal die Defensive nicht aus der Innenverteidigung besteht, sondern es ist das gesamte System, das funktionieren muss."

Herr Frontzeck, vielen Dank für das Gespräch!

 
Fotos: www.seitenwahl.de