Was die Spatzen also längst von den Dächern pfiffen, ist nun eingetreten. Nach der Hälfte der im vergangenen Sommer ausgemachten Partnerschaft wird die Borussia Horst Köppel nicht weiter mit der Funktion des Cheftrainers ihrer Lizenzspielermannschaft betrauen und zur neuen Saison einen neuen verpflichten. Mehr noch als für die Borussia endet für Horst Köppel somit ein Lebensabschnitt, den er als langjähriges Mitglied Borussias genossen haben dürfte, obgleich er zuletzt, und wie sonst nur Ewald Lienen zuvor, die aus seiner Sicht unermeßliche Erwartungshaltung bei der und im Umfeld der Borussia attackiert hatte. Trotzdem greift es zu kurz, sollte Köppel bei der Aufarbeitung dieses letzten Spieljahres die Fehler nur im Umfeld oder gegebenenfalls bei seinen Vorgesetzten suchen und finden wollen.

Welcher der mehr als 53.000 Zuschauer des Heimspieles gegen den Hamburger SV (0:0) Anfang November hätte wohl geglaubt, dass kaum mehr als ein halbes Jahr später dieser Trainer nicht mehr im Amt sein würde? Wohl kaum einer, weil die Voraussetzungen und die Formkurve der Borussia zum damaligen Zeitpunkt keinerlei Anlaß gab, zu glauben, dass eine lange Reihe an Spielen folgen würde - aus der nur Ansätze und ansatzweise positive Ausnahmen einigermaßen herauslukten - in denen die Borussia mit rapide abnehmender Leistungskurve zu immer unansehnlicherem Fußball übergehen könnte. Dass sie sich Leistungen wie in Mainz, Kaiserslautern oder Wolfsburg leisten würde, dass sie beim späteren Absteiger Duisburg mit einem glücklichen Punkt zufrieden sein durfte, ja selbst dass sie gegen den in dieser Spielzeit unschlagbaren FC Bayern eine Leistung anbieten würde, die den Klassenunterschied zwischen diesen alten Rivalen auf mehr als 2 Ebenen befindlich manifestieren lässt? Und wer hätte gedacht, dass die Erkrankung, die Marcell Jansen bei der Heimniederlage gegen den 1. FC Nürnberg am Mitwirken hinderte, Horst Köppel dazu übergehen sehen würde, seinen Kader fortan mit vier fast grundverschiedenen taktischen Varianten in fünf aufeinanderfolgenden Bundesligaspielen unangemessen herauszufordern?

Nach dem verlorenen Auswärtsspiel bei Borussia Dortmund im Oktober hatte eben Horst Köppel deutlich gesagt, dass er nicht glaube, dass die Borussia schon bereit sei für die "großen Aufgaben", die sie sich angesichts ihres stetig wachsenden und stetig imposanter klingenden Etats in nicht allzu ferner Zukunft aber nicht mehr erwehren darf. Begründet hatte Köppel dies auch mit der relativen Unflexibilität in taktischen Gesichtspunkten und das Beharren auf dem Schema, dass ihr in der berüchtigten zweiten Halbzeit gegen Werder Bremen den Sieg schenkte, nahezu der einzige Weg sei, der momentan zu Erfolgen weisen würde. Anderthalb Monate später allerdings war der Trainer dann von dieser Beharrlichkeit schon abgerückt und hatte dabei in der ersten Halbzeit gegen Frankfurt sehen können, dass die neue Variante, die er dem Team während der Saison schenken wollte, nicht greifen würde. Richtigerweise hatte Köppel in jenem Spiel diese Variation noch während der Partie revidiert, so konnte die Borussenelf mit Schwung, den bekannten Mechanismen und ein bisschen Fortune das Spiel noch drehen und die so wichtigen drei Punkte am Niederrhein behalten.

Es folgte die Winterpause, in der es jedes Trainers gutes Recht ist mittels der ihm zur Verfügung stehenden Zeit seinem Team spieltaktische Varianten anzubieten und mittels gezieltem Training an die Hand zu geben. Dies geschah auch. Diesen Versuch unternommen zu haben, dies muß dem Trainer ohne Frage zugestanden werden. Was aber allgemein in der Winterpause an grundlegender Rückrundenvorbereitung ablief, im Nachhinein ist es wohl bei kaum mehr als dem bloßen Versuch geblieben. Aus Oliva nahe Valencia vernahm man schon kurz nach Trainingslagerstart diverse Klagen. Nicht über den Trainer, keinesfalls, sondern über das Wetter (das zum Beispiel ein Testspiel unterband) und über so manches anderes mehr. Trotzdem schien, gestützt durch den überzeugenden Testspielerfolg im letzten Vorbereitungsspiel gegen das erschreckend harmlose Borussia Dortmund, dieses Trainingslager der Borussia keinen Nachteil eingebracht zu haben; im Rückblick muss wohl festgehalten werden, dass Borussia Dortmund in Bergisch-Gladbach einen ziemlich grausigen Tag erwischte und das Spiel daher weniger Maßstab hatte als dies die Mannschaft und der Trainerstab zu glauben bereit war.

Es folgte der bereits erwähnte Rückrundenauftakt gegen den deutschen Rekordmeister an der Hennes-Weisweiler-Allee und der ebenfalls bereits geschilderte Klassenunterschied, der keinen zufriedenstellt, der auch an solche Spiele mit einer gesunden Ambition herangeht. Während in der anschließenden Woche der mögliche Wechsel von Andres D'Alessandro zur Borussia so manchen in Atem hielt, begrüßte Köppel nicht nur die vorübergehende Tabellenkonstellation (die er als Motivationsschub zu nutzen hoffte), sondern auch mit Stürmer Nando Rafael einen Spieler, der nach seiner Meinung nach gerade drei ihm halbwegs gelungenen Trainingseinheiten bereits so in der Mannschaft angekommen war, dass er ihm beim VfL Wolfsburg den zwischenzeitlich von Eugen Polanski verbissen eroberten und im Training auch verteidigten Platz im Mittelfeld übertrug. Damit legte Köppel eigentlich den Grundstein, dass man auch diese Rückrundenpartie besser schon vor Anpfiff als eine Art zusätzliches Testspiel betrachten hätte sollen.
Rechtzeitig zum Spiel gegen den FC Schalke kehrte der einstige Bundestrainer dann zu dem vielleicht ja als hausbacken anzusehenden Stil zurück, der die Borussia in den Wochen des Spätsommers und des Frühherbstes zu einem Sieg nach dem anderen getragen hatte. Es stand mit Ausnahme Polanskis und des ob einer Sperre zu seinem Debüt gezwungenen Svensson dieselbe Elf gegen die königsblaue Ruhrpottelf auf dem Platz und bot eine doch veritable Leistung. In Duisburg war der Trainer dann durch die Gelbsperre Marcell Jansens zu einer Umstellung gezwungen, bei der er den Weg des absolut geringsten Wiederstandes ging und die den zuvor von ihm stets für seinen Fleiß und seinen Eifer gepriesenen Filip Daems rüde vor den Kopf stieß; es blieb nicht die einzige recht gewöhnungsbedürftige Personalentscheidung seiner Restamtszeit.

Natürlich ist es das Recht und die Pflicht eines jeden Trainers nach Trainingsleistung und nach spieltaktischen Überlegungen aufzustellen. Natürlich muss und soll ein Spieler mit Konsequenzen rechnen, wenn er schlecht trainiert/spielt, aber der in seiner Saisonleistung überschaubare Daems hatte keinerlei derartige Veranlassung gegeben und auch die zu einem guten Teil zu erwartende Duisburger Aufstellung an diesem Nachmittag hatte eigentlich keinerlei Indiz dafür geboten, wenn man eben nicht schon weit vor dem unglücklich erfolgten Feldverweis Polanskis einzig nur auf einen Auswärtspunkt aus gewesen wäre. Welche Reaktion des lange so gepriesenen und abrupt so verschmähten Gelernten da der Normalfall ist, braucht kaum einer weiteren Erläuterung. Der Autorität und der Kompetenz des Trainers fördend war diese Maßnahme ebensowenig wie den Spieler - quasi als Kompensation - in Mainz plötzlich fernab seines Könnens als Rechtsverteidiger (!) regelrecht dilettieren zu lassen, in Kaiserslautern zunächst Verteidiger Strasser als ballverteilenden Mittelfeldspieler zu platzieren und nach deftigem Rückstand zur Halbzeit mit Sonck einen torgefährlichen Strafraumstürmer zu bringen, der sich fortan ruhende Bälle selbst aus dem Halbfeld in den Strafraum treten musste und in den darauffolgenden Wochen in den Planungen des Trainers so überhaupt keine Rolle spielte, dass man glauben mochte Sonck alleine hätte Borussia das Spiel auf dem Betzenberg verloren, während andere Akteure ihre schäbige Leistung ohne Kratzer an ihrem Stammplatz überstanden.

Als die Mannschaft sich im Oktober anschickte bei Hertha BSC Berlin in die dritte Runde des DFB-Vereinspokals einzuziehen, da hatte sie zuvor mit einer gehörigen Portion Selbstvertrauen in der Liga für Furore gesorgt und sich dennoch weiterhin der Skepsis der aufgeschreckten Konkurrenz ausgesetzt gesehen. Die Gladbacher, so schallte es kurzzeitig durchaus ein bisschen böswillig durch die Liga, hätten die schweren Spiele der Halbjahresrunde noch gar nicht hinter sich und sich vorwiegend einzig den vermeintlich leichteren Gegnern entgegengestellt.
Diese Aussage war falsch, denn natürlich hatte die Mannschaft zu dem damaligen Zeitpunkt bereits Gegnern wie dem FC Schalke, dem dominierenden Tabellenführer aus München oder Werder Bremen Paroli geboten, allerdings entpuppten sich die anschließenden Partien von Dortmund bis Frankfurt tatsächlich als massive Stolpersteine. Hier verspielte man zwei Führungen (darunter ein Zwei-Tore-Vorsprung) auf fremdem Platz und blieb somit chronisch auswärtsschwach, hier bezog man die erste Heimniederlage der laufenden Saison, hier verlor man doppelt so viele Spiele wie man gewinnen konnte. Die einem Abstiegskandidaten entsprechende Ausbeute von neun Punkten aus jenem Saisondrittel kommt schließlich nicht von ungefähr, die anschließend noch verheerende Rückrundenbilanz von bloß einem Punkt aus jeder Partie ebensowenig.

So ist in der Summe festzuhalten, dass die Ablösung des unsouveränen Trainers Köppel keinesfalls aus heiterem Himmel erfolgt, so sehr man es dem liebenswerten Menschen Horst Köppel auch nachfühlen kann, dass ihm der Verlust gerade dieses Cheftrainerpostens sehr weh tut. Seine nüchterne Ablösung ist einer fatalen Wechselwirkung aus immer beharrlicher fehlenden Resultaten bei gleichzeitig nicht selten erschreckender Kopflosigkeit bzw. Konfusion in der Drucksituation Bundesliga geschuldet. Um für sich aus diesem Teufelskreis der fehlenden Resultate noch rechtzeitig auszubrechen, probiert die Borussia abermals einen Wechsel auf der Ebene der Mannschaftsverantwortlichen, obgleich sie dies seit dem Wechsel von Meyer auf Lienen bereits mehrfach getestet hat, immer wieder aber festzustellen hatte, dass eine damals erkennbare Harmonie zwischen Trainer und Team - wie sie für den Erfolg unabdingbar ist - seitdem nie wieder so dauerhaft war. Somit ist der Trainerposten bei der Borussia längst wieder zu jenem Schleudersitz verkommen, der er mit der unfreiwilligen Ausnahme Bernd Krauss seit dem Wechsel von Jupp Heynckes zum FC Bayern München im Juli 1987 gewesen war und es wäre wahrlich utopisch zu hoffen, dass es einzig eines neuen Trainers oder eines neuen Trainerteams bedarf, um den Schalter auf den allseits herbeigesehnten Dauererfolg umzulegen.

Vielmehr sind Spieler wie vor allem vermeintliche Führungsspieler rauh in die Verantwortung zu nehmen. Vereinzelt werden sie nun bereits ihren sechsten (!) Übungsleiter in ihrer vierjährigen Borussenkarriere erleben und mit zunehmender Anzahl an verschlissenen Trainern hat man gerade bei denen, die trotzdem nie auch nur eine einzige völlig ansprechende Halbserie abzuliefern im Stande waren, permanent das Gefühl, als sei sich hinter blumigen Lippenbekenntnissen zu verschanzen ihre einzige Qualität. Gerade deshalb potenziert sich eine leider unglücklich verlaufende Transferpolitik. Jene, die sowohl in der Vor- als auch in der gerade beendeten Saison versuchte ausreichend taugliche Führungsfiguren an Land zu ziehen, im Endeffekt aber immer sehen musste wie jene - egal ob sie nun Ziege oder Helveg, Elber oder Oude Kamphuis hießen - den Großteil ihrer Vertragslaufzeit im Krankenstand verbrachte und sich daher nicht wie erhofft einbringen konnten.

Gerade die letzten drei verschlissenen Trainer und ihre Methodik zeigt sehr deutlich wie komplex es ist, dieser Mannschaft den richtigen Trainer zu verpassen. Jenen, der sie nicht nur kurzweilig stimuliert, sondern auch langfristig entwickelt. Vom aufstrebenden Nachwuchstrainer war die Borussia umgestiegen auf einen renommierten Trainer mit knallharten Prinzipien und Hierarchien. Als sich dieser längst aufgerieben hatte, boten die Verantwortlichen ihrer Mannschaft mit Horst Köppel einen gänzlichen Kontrast an und schon am letzten Spieltag der Vorsaison konnte man gut erahnen wie weit es um die Aufrichtigkeit der Mannschaft an sich bestellt ist. Es brauchte nur eine Verletzung und sie brach einem Kartenhaus ähnlich zusammen. Als Krönung ihrer fast kollektiven Arbeitsverweigerung (echte Profis wie Kasey Keller bzw. immer bemühte Nachwuchstalente wie Marcell Jansen seien ausgenommen) verschanzte sie sich nach dem Schlußpfiff damals in Leverkusen auch noch hinter lächerlich fadenscheinigen Erklärungsversuchen, die bei ihr nach wie vor vor allem nach Auswärtspleiten Hochkonjunktur besitzen und von jener fatalen Genügsamkeit zeugen, die im Leistungsbereich fehl am Platze ist.

Aber ist diese Mannschaft deshalb untrainierbar? Nein, es zeigt nur das sehr komplexe Anforderungsprofil des gesuchten Mannes. Es wird eben nicht damit getan sein, dass man einen Assistenten oder Amateurtrainer installiert und wieder darauf setzt, dass es einzig an der Komponente der "mangelhaften Qualität" des zurückliegenden Coaches gelegen haben wird, dass die Mannschaft sich nur schemenhaft weiterentwickelt. In so einem Fall mag man fast absehen wann man sich bei Borussia wieder zu einer Trainerfindung zusammen zu setzen hat, schließlich war beim kühlen Advocaat die fachliche und bleibt beim warmherzigen Köppel ja die gegensätzliche Komponente völlig unbestritten.
Es wird aber auch nicht damit getan sein den nächstfreien Trainer mit halbwegs tauglichen Erfahrungen im Geschäft anzuheuern. Auch hier ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass dessen Mission vor dem festgelegten Vertragsende erlischt. Es ist eine intensive und keine scheinbar penible Suche nötig. Der Neue muß zwingend in der Lage sein die mitunter arg unterschiedlichen Spieler der Borussia richtig stimulieren zu können und er muß unausrechenbar bleiben, so dass die Akteure seine Art auch nach einer gewissen Zeit noch nicht so erfasst haben, dass sie ihn - wie man so schön sagt - mit ihren Leistungen und Resultaten voll "gegen die Wand" laufen lassen können. Der neue Trainer darf also nicht mehr so leicht zum von entscheidener Seite verlassenen Alleinschuldigen verkommen. Der Neue muß sein Team bei fortschreitender Zusammenarbeit immer noch verblüffen, es bei Laune halten, es richtig dosiert herausfordern können. Leichtfertig imposant klingende Namen oder durch Nostalgie verklärte Sympathieträger dürfen bei diesem neuartigen "Trainer-Benchmarking" entsprechend keine Rolle spielen.

Einen solchen Kandidaten auszumachen, ihn von einem gemeinsamen Weg zu überzeugen und ihn zu verpflichten, dies ist nun die Aufgabe der im Amt verbliebenden Verantwortlichen. Wie die Medien (zumindest jene glaubwürdigen und aufrichtigen Vertreter dieser Zunft) hat sich bis dahin auch die Anhängerschaft, vom seriösen Unterstützer bis zum verbrämten Fanatiker, vornehmlich zurückzulehnen und mit der angebrachten Geduld auf den weißen Rauch zu warten, der sicher aus den Katakomben an der Hennes-Weisweiler-Allee aufsteigen wird. Von dieser Stelle ist dennoch bereits der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass endlich wirklich jeder mal sieht, welch einen unwiederbringlichen Verlust die Borussia vor drei Jahren durch den abrupten "Rückzug" von Hans Meyer von der Borussenbank erlitt. Einem Trainer, den man sich in den heutigen Zeiten nur wieder herbeisehnen kann, weil er fachlich von einer ausgezeichneten Kompetenz und zeitgleich vor allem von einer unumstößlichen Souveränität war, wie man sie bei all seinen Nachfolgern - bedauerlicherweise auch bei Horst Köppel - nicht wieder vorfand.