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Wenn große Worte automatisch zu entsprechenden Erfolgen führen würden, dann müsste sich selbst der FC Bayern vor dem Hamburger SV in Acht nehmen. Sämtliche Verantwortlichen des Nordklubs beteuern nämlich immer wieder, welch großer Verein der Bundesliga-Dino doch sei, der sich nach eigenem Selbstverständnis immer noch auf Augenhöhe mit Vereinen wie Schalke 04 oder Bayer Leverkusen sieht. Die Realität hingegen sagt anderes aus. Zum vierten Mal in Folge wurde die Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb verpasst. Ohne die wettbewerbsverzerrende Mithilfe des Gönners Klaus-Michael Kühne wäre im Vorjahr sogar die Rückkehr ins Liga-Mittelmaß kaum möglich gewesen. Die Endplatzierung 7 verzerrte die schwache Saisonleistung des HSV, der zwar in einigen Spielen brillierte, dafür aber auch eine Vielzahl indiskutabler Partien ablieferte.

Diese Unkonstanz möchten Trainer Thorsten Fink und Sportdirektor Oliver Kreuzer der Mannschaft in diesem Jahr austreiben. Beide spielten aktiv für den Karlsruher SC und Bayern München, allerdings niemals gemeinsam. Ihre Wege kreuzten sich erst 2006 bei Red Bull Salzburg, wo

sich Kreuzer wenig erfolgreich als Sportdirektor versuchte und wo sich Fink erste Sporen als Jugend- und später Co-Trainer verdiente. Wie die meisten ehemaligen Akteure des deutschen Rekordmeisters sind die Beiden von der bayerischen Lebensweise überzeugt, dass sich Erfolg herbeireden lässt. Bislang sind aber noch alle Versuche misslungen, das so genannte "Bayern-Gen" in einen anderen Verein zu verpflanzen.

Der HSV hat aber kaum eine andere Wahl als einen weiteren Versuch zu unternehmen, denn die horrenden Ausgaben der vergangenen Jahre führten eine immense Schuldenlast herbei, die durch zweistellige Millionenverluste in der Vorsaison noch einmal signifikant erhöht wurde. Millionen-Flops, wie z. B. Marcus Berg, der 2009 für 10 Mio. Euro verpflichtet und in diesem Sommer ablösefrei nach Athen verschenkt wurde, haben den Verein unter starken Druck gesetzt. 

Geld aus europäischen Wettbewerben wird dringend benötigt, wurde aber zuletzt eben nicht verdient. Mit dem talentierten Koreaner Son musste daher die beste Offensivkraft verkauft werden, die immerhin 10 Mio. Euro einbrachte. Einen gleichwertigen Ersatz für die ohnehin verbesserungswürdige Offensive konnte mangels Finanzkraft bislang nicht verpflichtet werden. Am ehesten wäre dies noch dem Karlsruher Spielgestalter Hakan Calhanoglu zuzutrauen, der maßgeblich zum Aufstieg in die 2. Liga beigetragen hat und zweifelsohne über viel Talent verfügt. Dasselbe sagte man zuletzt aber auch über Marinus Bester, der in Düsseldorf einer der besten Zweitligaspieler gewesen war, für den aber schon der Sprung eine Liga höher zu hoch erschien. Fraglich ist zudem, wie sich Calhanoglu in ein System gemeinsam mit Rafael van der Vaart wird pressen lassen.

Sehr mutig ist es ferner, auf den Kameruner Jacques Zoua zu setzen, der beim FC Basel nicht einmal unumstrittener Stammspieler war und als Stürmer in 24 Ligaspielen ein einziges Tor erzielte. Auch wenn Trainer Fink ihn noch aus seiner Zeit in der Schweiz gut kennt und schätzt, so soll es Spieler geben, bei denen der Sprung aus Basel in die deutsche Bundesliga nicht allzu reibungslos funktioniert hat.

Die Hamburger Offensive ist ergo mit einer Vielzahl von Fragezeichen gespickt, weswegen noch nach einer weiteren Alternative gesucht wird. Mit Nikica Jelavic vom FC Everton hat man bereits einen hochkarätigen Kandidaten an der Angel. Gut vorstellbar, dass er gleich als Ersatz für Artjoms Rudnevs eingekauft wird. Der Lette weist zwar mit 12 Toren und 4 Vorlagen in seiner ersten Bundesliga-Saison ordentliche Zahlen auf und ist selbstbewusst genug, sich gleich mal mit einem Robert Lewandowski zu vergleichen. Seine Positionierung als reiner Strafraumstürmer, der außer Toren kaum etwas zum Spielgeschehen beiträgt, entspricht aber nicht mehr wirklich den Anforderungen an einen modernen Angreifer, weswegen der HSV nicht abgeneigt wäre, ihn für eine angemessene Ablöse zu verkaufen. Celtic Glasgow könnte ein solcher Abnehmer sein, sofern die Schotten bereit sind, zwischen 6 und 7 Mio. Euro auf den Tisch zu legen.

Mit Rudnevs und Son wären dann die beiden besten Torschützen des Vorjahrs (jeweils 12) weg. Während hier also eine neue Baustelle eröffnet wurde, war man in diesem Sommer bislang vornehmlich darum bemüht, jene in der Defensive zu stopfen, wo zuletzt 52 Gegentore zu verzeichnen waren. Kein anderer Verein ermöglichte dem Gegner so viele Großchancen wie der HSV, was ohne Rene Adlers Topleistung zu weit schwerwiegenderen Konsequenzen geführt hätte.

Für die Innenverteidigung wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Fehleinkäufe vornehmlich aus ausländischen Ligen getätigt, so dass in diesem Sommer bundesligaerprobte Recken ausgewählt wurden. Lasse Sobiech ist zweifelsohne talentiert, wird sich aber gegenüber seiner Leistung aus dem Fürther Abstiegsjahr deutlich steigern müssen, um dem HSV weiterzuhelfen. Zum Abwehrchef stark geredet wird hingegen jetzt schon Johan Djourou, den man mit einem finanziellen Kraftakt Hannover 96 abspenstig gemacht hat. Dort rief er in der vergangenen Rückrunde eine solide, aber auch nicht gerade überragende Leistung ab. Für Arsenal und Birmingham machte der 40fache Schweizer Nationalspieler aber immerhin bereits 99 Partien in der Premier League, wo er aber über die Jahre zwischen Stamm und Ersatzbank hin- und herpendelte. Mit dieser Unkonstanz passt er dann wiederum gut zu seinem neuen Verein, wenngleich dieser genau diesen Charakterzug so dringend ablegen möchte.

Betrachtet man die reinen Fakten, dann erscheinen die starken Worte der Verantwortlichen eher wie das berühmte Pfeifen im Walde. Wenig spricht dafür, dass sich die Mannschaft insgesamt ernsthaft verstärkt hat. In der Defensive mag die Verpflichtung von Djourou eine größere Stabilität versprechen. Dafür ist absolut ungewiss, wie sich die Änderungen in der Offensive auswirken. Bei optimalem Verlauf kann der HSV erneut ein ernsthafter Konkurrent der Borussia um einen Europa League Platz werden. Im Normalfall sollte der Verein aber weiter im Mittelmaß der Tabelle verharren.