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Die Vereinsführung von Schalke 04 ist nicht unbedingt für ihre öffentliche Zurückhaltung bekannt. Nicht Horst Heldt, der immer mehr Gefallen am medialen Schlagabtausch mit anderen Funktionären zu finden scheint und schon gar nicht Aufsichtsratschef Tönnies, der sich durch seine Äußerungen regelmäßig für den alternativen Sympathiepreis der Bundesliga bewirbt. So ist es keine Überraschung, dass das Minimalziel für die kommende Saison erneut vollmundig auf direkte Champions League-Qualifikation lautet – man schielt sogar nach oben und möchte insbesondere endlich wieder vor dem großen Revierrivalen ans Ziel kommen. Keine Abgänge aus der Stammelf, dafür viel frisches Blut – gelingt den Schalkern ausgerechnet mit der „Dortmunder Methode“ der Machtwechsel im Pott?

Junge, hochtalentierte Spieler nicht nur behutsam aufbauen, sondern sofort in die Pflicht nehmen – mit dieser Devise legte Jürgen Klopp die Grundlage für die BVB-Erfolge der vergangenen Jahre. Nebenan in Gelsenkirchen versuchte es man zur gleichen Zeit eher mit großen etablierten Namen. Die halfen zwar regelmäßig beim Erreichen des europäischen Wettbewerbs, der ganz große Wurf blieb jedoch – wie bereits in den 50 Bundesliga-Jahren zuvor – aus. Nun soll also Jens Keller so etwas wie der „Schalker Klopp“ werden, eben jener Keller, der von Fleischfabrikant Tönnies noch vor wenigen Monaten relativ unverblümt für eine dauerhafte Anstellung verbal disqualifiziert wurde. Doch der ehemalige Jugendcoach bekam die Kurve und sicherte mit seiner Mannschaft am letzten Spieltag nicht nur Platz 4, sondern auch den mächtigen Etat eines Klubs, der nach wie vor mit hohen Verbindlichkeiten belastet ist.

Jugend statt Namen

Keller steht erstmals zu Beginn einer Bundesligasaison als Chefcoach in der Verantwortung – und setzt in seiner Mannschaft gleich klare Akzente. So sollen Eigengewächs Max Meyer (17) und der nach langem Hick-Hack aus Bochum gekommene Leon Goretzka (18 Jahre) nicht etwa als Perspektivspieler den Kader auffüllen, sondern könnten sofort eine wichtige Rolle auf dem Platz einnehmen. Nicht zu vergessen, dass der große Hoffnungsträger der Offensive, Julian Draxler, auch gerade mal 19 Jahre alt ist, der Kölner U-Nationalspieler Christian Clemens erst 21. Sie alle sollen die Routiniers im Schalker Angriffsspiel (Farfán, Bastos, Huntelaar) herausfordern und ergänzen. Ebenso wie der Ungar Ádám Szaiai (25, Mainz), mit dem nun ein zweiter körperlich robuster Mittelstürmer zur Verfügung steht.

Deutlich wird der neue Kurs vor allem bei den prominenten Abgängen im Offensivbereich: In Afellay (war von Barcelona ausgeliehen), Jurado (Moskau), Marica (unbekannt) und Neu-Borusse Raffael wurden ausschließlich Spieler über 27 abgegeben, den bisher auf Schalke glücklosen Obasi und Barnetta schlechte Chancen auf allzu viel Spielzeit eingeräumt. In Abwehr und Mittelfeld ist die Mannschaft ausgeglichen aufgestellt und auf nahezu allen Positionen mit zwei Bundesliga-, und meist sogar international erfahrenen Spielern doppelt besetzt. Der Konkurrenzkampf ist entsprechend groß und wird zwangsläufig einige prominente Opfer fordern – so deutet sich bereits an, dass der brasilianische Innenverteidiger Santana bei aller Diskussion über seinen Transfer aus Dortmund womöglich nur von der einen auf die andere Ersatzbank gewechselt sein könnte. Bei Kalibern wie Höwedes und Matip keine unbedingte Überraschung – aber auch ein Beweis für die hohe Leistungsdichte im Kader. Wenn es eine Schwäche gibt, dann auf der Torwartposition: Unnerstall, Fährmann und Hildebrandt sind allesamt nicht Ligaspitze.

Gute Aussichten, aber…

Ein Blick auf das Schalker Team lässt die hohen Erwartungen durchaus berechtigt erscheinen. Man hat in (fast) allen Mannschaftsteilen die Qualität, um nicht nur in der Bundesliga, sondern auch international die beste Saison seit langem zu absolvieren. Doch hätte SEITENWAHL auch in den letzten beiden Jahren einen Bundesliga-Check durchgeführt, wäre diese Prognose wohl ähnlich ausgefallen – allerdings hat es auf Schalke in der Vergangenheit zu viele Enttäuschungen (wenn auch auf hohem Niveau) und vor allem viel Unruhe im Verein gegeben, um die Knappen mal eben zum Bayern-Jäger Nr. 1 zu erklären. Besondere Bedeutung kommt der Frage zu, wie fest Jens Keller auch in etwaigen sportlichen Dürreperioden im Sattel sitzt – und ob er seine Eignung zum Trainer eines Spitzenvereins endgültig nachweisen wird. Andernfalls sind personelle Veränderungen auf Schalke gewöhnlich schneller vollzogen, als selbst Experten sie vermuten können – Kellers Vorgänger können davon ein Lied singen.