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Der Wert des Mittelmaßes liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Für den einen ist es der Segen, verspricht das Mittelmaß doch, dass man dem drohenden Absturz entronnen ist. Für den Ehrgeizigeren ist es hingegen die Hölle. Trotz aller Anstrengungen konnte er sich nicht aus der Masse hervorheben.  Mittelmaß ist für ihn gleichbedeutend mit Niederlage. Kaum zwei andere Bundesligavereine haben das Mittelmaß in den letzten Jahren so verkörpert, wie der 1.FC Nürnberg und der VfL Wolfsburg. Während für die Franken das Erreichen eines Mittelfeldplatzes einen weiteren Schritt auf dem Weg zu Konsolidierung bedeutet, können die Niedersachsen ihre Enttäuschung nicht verbergen. Dass man sich auf dem Weg aus der Mittelmäßigkeit nun ausgerechnet beim Club bedient, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Dass die Nürnberger in der letzten Saison um einen Tabellenplatz besser positioniert waren, auch nicht.

Seit der überraschenden Meisterschaft 2009 hat man in Wolfsburg alles versucht, um den Erfolg festzuhalten. Man hat Sportdirektoren ausgetauscht, ausländische und inländische Startrainer verpflichtet, entlassen und wieder zurückgeholt. Man hat es mit unbekannten frischen Sportleitern versucht, für über 150! Mio. Euro Spieler aus X Nationen verpflichtet und für weniger als 100 Mio. Mio. Euro Spieler wieder verkauft. Geholfen hat das alles wenig. Seit 4 Jahren dümpelt der Verein im Mittelmaß, zeitweise drohte sogar der Abstieg in die zweite Liga. Viel zu wenig für einen Verein, der sich in Zukunft als festes Mitglied in der Champions-League sieht. Im Frühjahr 2012 beschloss der Volkswagen-Konzern dann wieder einmal einen neuen Weg. Nachdem die Ein-Mann-Show mit dem ehemaligen Meistertrainer Magath ebenfalls nicht zum Erfolg geführt hatte, warb man mit Klaus Allofs als Sportdirektor und Dieter Hecking als Trainer zwei in ihren Vereinen erfolgreich arbeitende Führungspersönlichkeiten der Konkurrenz ab. Ein sechster Platz in der Rückrundentabelle wird dabei als erster Schritt auf dem Rückweg in die nationale Spitze gesehen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Ungewohnt zurückhaltend präsentierte man sich diemal am Transfermarkt. Aus Freiburg kommt Daniel Caligiuri für die linke Außenbahn, dessen Dienste sich die Niedersachsen bereits frühzeitig für 2,5 Mio. Euro sicherten. Für 6 Mio. € plus der Abgabe von Innenverteidiger Pogatetz folgte Timm Klose seinem ehemaligen Trainer und Förderer von Nürnberg  nach Wolfsburg. Ein Deal der auch deswegen Sinn macht, weil Wolfsburg seinen zuletzt stark aufgeblähten Kader ausdünnen muss. Nicht weniger als 15 verliehene Spieler kehrten zum Ende der letzten Saison nach Wolfsburg zurück, einige konnten allerdings wieder veräußert werden. Daneben treibt das neue Duo die Kaderausdünnung konsequent voran, wobei sich die Transfererlöse allerdings in Grenzen halten. Lediglich für Simon Kjaer konnte eine Millionenablöse erwirtschaftet werden. Auch wenn für viele Vereine solche Transferaktivitäten nur schwer darstellbar wären, für Wolfsburger Verhältnisse stellen sie gradezu eine neue Bescheidenheit dar.

Was bleibt, ist der Anspruch. Eine weitere Saison im Mittelmaß soll unter allen Umständen vermieden werden. Auch wenn Dieter Hecking zu bedenken gibt, dass nicht alles auf einmal möglich sei, sind die Ansprüche aus der Konzern-Zentrale von Volkswagen klar. Die Qualifikation für das europäische Geschäft ist das Ziel, gerne auch in der Champions-League. Dass diese in dieser Saison nicht ganz so offensiv wie in der Vergangenheit verkündet werden, liegt wohl auch an der Einsicht, dass mit Ansprüchen allein keine Ziele erreicht werden. Hecking sieht seine Mannschaft in einem breiten Feld, welches in dieser Saison um die Europapokalplätze streiten wird. Ab Platz fünf sei alles möglich.

In Nürnberg wünschen sie sich die Rahmenbedingungen, unter denen Wolfsburg agiert. Stattdessen setzen die Franken unbeirrt ihren Weg der kleinen Schritte fort. Auch dieses Jahr hat der Club wieder schmerzliche Abgänge zu verzeichnen. Mit Timmy Simons verlässt der Kopf der Mannschaft den Verein. Trotz seiner 36 Jahre dürfte sein Verlust nur schwer zu ersetzen sein. Daneben reißt der Weggang von Timm Klose ein Loch in die Abwehr. Doch immerhin spülte der Transfer diesmal Geld in die Kassen des ehemals notorisch klammen Clubs. Soviel Geld, dass man es sich sogar erlauben konnte, eine Zehn-Millionen-Offerte von Aston Villa für Spielmacher Kiyotake auszuschlagen. Stattdessen wurde das Geld verwendet, die im letzten Jahr eher harmlose Offensive zu verstärken. Aus Zürich kam der 20jährige Schweizer Nationalspieler Josip Drmic, aus St. Pauli Daniel Ginczek, der letztes Jahr 18 Tore erzielen konnte. Für Timm Klose soll Emanuel Pogatetz die Lücke schließen.

Vor allem die Transfers von Drmic und Ginczek zeigen, welchen Stellenwert sich der Club mittlerweile auch international aufbauen konnte. „Der FCN gibt jungen Spielern die Möglichkeit, sich top zu entwickeln“ erklärt Drmic seine Entscheidung für die Franken. Die Werdegänge von Ekici, Gündogan, Wollscheid oder Schieber wurden auch jenseits der Grenzen genau beobachtet. Der Club gilt als hervorragender Ausbildungsverein, welchen junge talentierte Spieler als Sprungbrett für höhere Weihen nutzen können. Das zeigt sich auch an den übrigen Transfers. Weber (Dortmund Amateure), Angha (Arsenal), Stepinski (Widzew Lodz) und Uphoff (eigene Amateure) ergänzen den Talentpool und stehen am Anfang ihrer Karriere. Die jungen Wilden dürfen sich dabei vornehmlich in der Offensive austoben. Dass der Jungendstil am Ende nicht an seiner eigenen Unerfahrenheit scheitert, dafür sorgt die vornehmlich erfahrene Defensive mit Schäfer, Pinola, Pogatetz, Nilsson, Feulner und Balitsch.

Wird sich die Politik der kleinen Schritte auch in der Tabelle manifestieren? Nürnbergs Umfeld träumt davon. Nachdem die Franken in den letzten drei Spielzeiten nichts mit dem Abstieg zu tun hatten, scheint die Zeit reif für den nächsten Schritt. Dieser muss nicht zwangsläufig im Europapokal enden, schnuppern darf der Club aus Sicht der Fans aber gerne an den begehrten Plätzen. Das Mittelmaß erscheint auf Dauer zu wenig.  Aber Vorsicht! Hohe Ambitionen enden in Nürnberg auch gerne in der Katastrophe, wie zuletzt nach dem Pokalsieg 2007. Beim Verein selbst sieht man die Saisonziele deshalb entsprechend nüchterner. Für Trainer Wiesinger wäre ein Jahr ohne Abstiegssorgen bereits ein Erfolg. Zudem ist man sich darüber klar, dass mit den Abgängen von Simons und Klose die Führungshierarchie neu geordnet werden muss. Das birgt Gefahren in sich. Klares Ziel ist somit der Klassenerhalt plus X. Beim Club hat man gute Erfahrungen mit der neuen Bescheidenheit gemacht.