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HSVDer Trainer war nicht zufrieden. „Überhaupt nicht“, um genau zu sein. „Geärgert“ habe er sich über seine Mannschaft, die „leichtsinnig“ agiert habe. Eine Mannschaft wohlgemerkt, die gerade auswärts mit 3:0 gewonnen hatte. Die von den letzten vier Spielen keines verloren hatte. Die in diesen letzten vier Spielen 13 Tore erzielt hatte. Das Fazit des Trainers klang aber, als sei man eben auf den vorletzten Platz abgerutscht: „Wir haben noch unglaublich viel Arbeit vor uns“.  Man denkt an Lucien Favre, tatsächlich aber geht es um Bert van Marwijk.

Der Hang des Niederländers zum Understatement mag durchaus hanseatisch sein, HSV-typisch ist er nicht. Der gemeine HSV-Fan ist insofern Kölner im Herzen, als er zur Melodramatik neigt: Zwei Niederlagen in Folge und er droht, Trainer und Vorstand in der Baustelle der Elbphilharmonie einzumauern. Zwei Siege in Folge und er schaut nach, wo das Champions League-Finale 2015 ausgetragen wird (Berlin) und bucht dort vorsorglich ein Hotelzimmer.

Im Moment hat rund um die Imtech-Arena (ehemals HSH Nordbank-Arena, ehemals AOL-Arena, ehemals Volksparkstadion) gerade mal wieder der Größenwahn Konjunktur. Vor kurzem startete die „Hamburger Morgenpost“ allen Ernstes (sofern man das Wort „Ernst“ im Zusammenhang mit der Morgenpost überhaupt verwenden will) eine Online-Umfrage, ob Pierre-Michel Lasogga es am Saisonende zum Torschützenkönig bringen werde. Die Berliner Leihgabe hatte in den letzten vier Spielen das, was Stürmer „einen Lauf“ nennen, zuletzt freilich unter großzügiger Mithilfe des Freiburger Torwarts Oliver Baumann. Auch sonst herrscht wieder eitel Sonnenschein. Die Angst sei weg, gab Klublegende Uwe Seeler zu Protokoll.

Vor anderthalb Monaten noch hatte Seeler blanke Panik, und nicht nur er. Die Mannschaft war gerade mit 2:6 in Dortmund eingebrochen, die dritte Niederlage in fünf Spielen und schon die zweite derbe Klatsche nach dem 1:5 gegen Hoffenheim. Und dabei waren die Dortmunder mit ihren zahlreichen Chancen noch verschwenderisch umgegangen. Desaströs war das Auftreten der Hamburger Mannschaft, desaströs auch die Außendarstellung der Vereinsführung in Form eines monatelangen Prozesses öffentlicher Zerfleischungen und Panikattacken. Die Notbremse hieß Trainerwechsel.

Wie dauerhaft sein Effekt ist, ist so offen wie bei jedem Trainerwechsel. Kurzfristig zumindest wirkte er euphorisierend. Das hat weniger mit van Marwijks Personalpolitik zu tun: Die entscheidenden Wechsel in der Aufstellung vollzog Interimstrainer Cardoso, der den 17-jährigen Inneverteidiger Jonathan Tah ins kalte Wasser warf, Hakan Calhanoglou aus dem Sturmzentrum auf die linke Außenbahn versetzte und Lasogga in die Startelf beförderte. An allen drei Personalwechseln wie überhaupt an Cardosos Aufstellung hielt van Marwijk fest. Alle drei machten sich bezahlt. Von einzelnen Aussetzern abgesehen, entpuppte sich Tah als Säule der Abwehr, Calhanoglou blühte auf der Außenbahn förmlich auf und Lasogga schoss in fünf Spielen sechs Tore.

Cardosos Umstellungen mögen ein Grund für den Aufwärtstrend unter van Marwijk sein. Mindestens genauso wichtig waren aber zwei andere Faktoren. Zum einen wirkt Persönlichkeit und Spielidee des neuen Trainers offenbar stabilisierend auf die zuvor so verunsicherte Mannschaft.  Als „strengen Vater“ beschreibt ihn Milan Badelj, der seinerseits vom Trainer hoch geschätzt wird. „Er spielt keine drei Systeme in einer einzigen Partie“, meint Uwe Seeler. Diese taktische Klarheit, gepaart mit dem intensiven Training sauberen Passspiels, scheint in der aktuellen Situation Gold wert zu sein. Sie gibt den zuvor schnell orientierungslosen Spielern Sicherheit und befähigt sie, wie gegen Stuttgart auch nach dreimaligem Rückstand noch zum Punktgewinn zu kommen. Vor dem Trainerwechsel war die Mannschaften nach Gegentoren noch regelrecht auseinander gebrochen.

Zum anderen waren die Umstände günstig. Der Punktgewinn in Frankfurt, in van Marwijks erstem Spiel, war schmeichelhaft, psychologisch aber immens wichtig. Gegen schwer angeschlagene und vor allem in der zweiten Halbzeit desolate Nürnberger reichte eine durchschnittliche Leistung zu einem 5:0 Kantersieg, einschließlich eines Dreierpacks durch Lasogga. In Freiburg erlebte Oliver Baumann den bislang schwärzesten Tag seiner Karriere. Allen drei Hamburger Toren gingen krasse Torwartfehler voraus. Letztlich war das 3:3 gegen Stuttgart das einzige Spiel, in dem der HSV verdient gegen eine durchgängig auf Bundesliganiveau agierende Mannschaft punktete.

Kein Wunder also, dass van Marwijk sich vor der Partie gegen die Borussia „gespannt“ zeigte, wo man gegen eine Mannschaft dieses Kalibers stehe. Schließlich sei Gladbach „einer der besten Gegner in der Bundesliga“. Nun ja. Die Gladbacher Leistung beim Sieg gegen Frankfurt spricht für diese Einschätzung, die Auswärtsbilanz von Lucien Favres Team bekanntlich eher nicht.

Soll sich das ändern, wird die ersatzgeschwächte Gladbacher Defensive vor allem die schnellen, direkten Zuspiele aus dem Hamburger Mittelfeld in die Spitze unterbinden müssen. Vor allem van der Vaart und Calhanoglou treten hier in Erscheinung, aber auch der zuletzt verbesserte Beister und das Sechser-Tandem Badelj und Arslan sind für gefährliche Zuspiele gut. Gefahr droht auch von van der Vaarts Vorstößen in die Spitze oder den dynamischen Flankenläufe Marcell Jansens.

Defensiv dagegen ist der HSV, wenn auch verbessert, immer noch verwundbar. Das gilt insbesondere für die rechte Abwehrseite, auf der Westermann kein idealer Vertreter des eben erst gipsbefreiten Diekmeier ist. Im Abwehrzentrum ist offen, wie gut sich Lasse Sobiech als neuer Partner von Jonathan Tah schlagen wird. Sobiech, vor der Saison aus Dortmund gekommen, hatte auf Schalke zwar gut debütiert, nach schwachen Leistungen in den nächsten beiden Spielen seinen Platz im Team aber verloren. In Freiburg wurde er nach Johan Djourous Verletzung früh eingewechselt und zeigte eine konzentrierte Leistung.

Bei der Borussia sind bis auf die Rückkehr Martin Stranzls keine personellen Änderungen zu erwarten. Insbesondere das erfolgreich gestartete Experiment mit Tony Jantschke in der Innenverteidigung wird also fortgesetzt, schon mangels gesunder Alternativen. Spannend wird zu sehen sein, wie Julian Korb und Oscar Wendt Angriffsfreude und Abwehrpflichten ausbalancieren werden, wenn sie von Flügelspielern wie Calhanoglou und Beister stärker gefordert werden als es noch die Frankfurter taten.

Auch daran wird sich entscheiden, wer am Ende seinen Vorhaben wahr macht, den Bock umzustoßen. Das tun zu wollen, kündigten Heiko Westermann und Max Eberl fast wortgleich an. Der eine meinte freilich den Heim-, der andere den Auswärtsbock.

Aufstellungen:

Hamburger SV: Adler – Westermann, Tah, Sobiech, Jansen – Badelj, Arslan – Calhanoglou, Beister – van der Vaart – Lasogga.

Borussia Mönchengladbach: ter Stegen – Korb, Jantschke, Stranzl, Wendt – Kramer, Xhaka – Herrmann, Arango – Kruse, Raffael.

Schiedsrichter: Markus Schmidt.
Assistenten: Wolfgang Walz, Martin Petersen.
Vierter Offizieller: Stefan Trautmann.

SEITENWAHL-Meinung:

Christoph Clausen: In einer intensiv geführten und spannenden Partie geraten beide Böcke kräftig ins Wanken. Am Ende bleiben beim 1:1 aber beide stehen.

Christian Heimanns: Trainer sollten mehr Zeit bekommen. Und Thorsten Fink hätte noch die Zeit bis zum Spiel gegen Borussia bekommen sollen. Gegen Hamburg unter neuer Leitung holen die Borussen ein 2:2.

Michael Heinen: Mehr als ein 2:2 ist auch in Hamburg nicht zu holen. Gegen einen wiedererstarkten HSV ist das aber ein achtbares Ergebnis.

Christian Spoo: Extrem ärgerlich, dass wir gegen Hamburg und Nürnberg nach dem jeweiligen Trainerwechsel spielen. Borussia tritt dennoch selbstbewusst in Hamburg auf und bewertet das 2:2 am Ende zu Recht als Punktverlust.

Thomas Häcki: Nicht nur Fussballdeutschland liebt die Borussia, sondern auch ein Holländer mit Namen van der Vaart. Und da er derzeit gut in Form ist, macht er auch den Unterschied. Der HSV gewinnt 2:1.

Christian Grünewald: Ich bleibe im Trend und sage 2:2 - nicht, weil ich von dem Tipp überzeugt wäre, sondern weil es offenbar gerade angesagt ist. 2:1 oder 1:2 sind aber auch möglich. :-)

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