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Der 3:1-Sieg gegen Nürnberg war glücklich – aber vor allem war er wichtig. Borussia steht nach drei Siegen in Serie tabellarisch komfortabel da. So komfortabel, dass in der Länderspielpause von medialer Seite mehr von der Zukunft des jungen Keepers und zweier unzufriedener (Ersatz-)Stürmer die Rede war, als von der über 70 Minuten eher mageren Darbietung der Mannschaft gegen einen mutigen Tabellenletzten. Nach den Franken warten nun die Schwaben, wie schon Club und HSV zuvor mit frischem Wind auf der Trainerbank. Bisher hat sich Borussia davon nicht beeindrucken lassen, beide Partien wurden gewonnen. Doch in Stuttgart hat man als Gladbacher – mit Ausnahme einer Reus-Gala in der vorletzten Saison – in den vergangenen zwanzig Jahren nur selten gut ausgesehen. Und der neue Besen scheint gut zu kehren...

Stuttgart nach Labbadia

Nimmt man den SW-Bundesligacheck zum Maßstab, liegt der VfB voll und ganz im Soll. „Ein Platz unter den ersten Zehn sollte das Minimum darstellen“, hieß es dort, was mit Platz 8 derzeit erreicht wurde. Die Ansprüche in Schwaben sind traditionell aber andere.

Mehr noch aber hatte sich schon abgezeichnet, dass der damalige Coach der Schwaben bei einem holprigen Saisonstart wohl nicht mehr unbegrenzten Kredit genießen würde – „Hinter vorgehaltener Hand werden weiterhin Zweifel an der Eignung von Trainer Labbadia laut, dem VfB wieder ein überzeugendes, dauerhaftes Spielkonzept zu vermitteln. Verläuft der Saisonstart (erneut) nicht zufriedenstellend, kann es am Neckar auch schnell ungemütlich werden". Tatsächlich ist der Darmstädter Ex-Profi wohl vor allem an seinem nicht immer eindeutigen Kurs in Personal- und Taktikfragen gescheitert, und nach 0 Punkten aus den ersten drei Partien fehlten ihm schlichtweg die Argumente – selbst für Kumpel Bobic war er nicht mehr zu halten. Nach Leverkusen und dem HSV endet somit auch Labbadias dritte Station bei einem namhaften Bundesligisten mit der vorzeitigen Entlassung – fraglich, ob er in naher Zukunft erneut eine Chance auf diesem Niveau erhalten wird.

„Stallgeruch“ soll es richten

Die Gegenwart des VfB heißt nun Thomas Schneider – und damit liegt der Verein voll im Trend:  Als recht junger Coach (wird am Sonntag 42) und zuvor Spieler aus der eigenen Jugend, zudem mit Erfahrungen und ersten Erfolgen im Jugendbereich, repräsentiert Schneider den Archetypen des „modernen Trainers“ wie einst Jürgen Klopp und später Thomas Tuchel in Mainz und viele andere, die heute die Trainerbänke der ersten und zweiten Bundesliga säumen. Ob dies auch ein Qualitätsmerkmal ist, wird erst die Zeit zeigen.

Die Reaktion seiner neuen Mannschaft war zunächst überaus positiv: Nach einem 6:2-Kantersieg gegen Hoffenheim kehrte man zügig in den Dunstkreis der internationalen Plätze zurück, die Schneider-Bilanz von 16 Punkten aus 9 Spielen kann sich durchaus sehen lassen. Für den Sprung nach ganz vorn fehlt bisher noch die Konstanz, aber die generelle Tendenz in Stuttgart ist aufsteigend. Auch fällt den Schwaben das Punkten auswärts bisher leichter als daheim (trotz der 1:6-Klatsche in Dortmund gehört man auf fremden Platz zur Ligaspitze), was aber für das Spiel gegen Borussia nichts bedeuten muss.

Offensiv hui, defensiv durchwachsen

Denn obwohl spielerische Qualität zweifellos vorhanden ist: der VfB tut sich zuhause – wie die meisten Bundesliga-Teams jenseits der Plätze 1 bis 3 – vor allem dann schwer, wenn der Gegner aus einer defensiven Grundausrichtung agiert. Kreativspieler wie Maxim (23), Leitner (20) und Eigengewächs Werner (17) sind tolle Fußballer, die ihr enormes Potenzial aber noch nicht jede Woche abrufen können, Traoré ist noch nicht in der starken Form der Vorsaison. Zuweilen müssen es dann doch wieder die erfahrenen Gentner, Harnik oder Ibisevic richten. Aber es wird deutlich: Offensiv hat der VfB Stuttgart wenig Sorgen, zumal vor der Saison keine Leistungsträger abgegeben werden mussten und mit Cacau und Abdellaoue weitere gestandene Kräfte zur Verfügung stehen.

Wenn der Schuh drückt, dann in der Defensivreihe: Der spontane Abgang von Tasci hat eine Lücke hinterlassen, die bisher nicht gleichwertig geschlossen werden konnte. Das neue Duo Niedermeier-Haggui ist solide, aber nicht überragend, auf den Außenverteidigerpositionen gibt es zwar ein quantitativ breites Angebot, aber defensiv und offensiv richtig überzeugen konnten weder Sakai und Schwaab rechts, noch Boka und Rausch auf der linken Seite. Mit Molinaro wird offenbar gar nicht mehr geplant. Der begnadigte Kvist ist auf der Sechserposition zwar wieder gesetzt, hat aber nach seiner fast halbjährigen Nichtberücksichtigung durch seinen Ex-Coach noch nicht die Form aus seiner Stuttgarter Anfangszeit.

Borussia: Spiel machen oder machen lassen?

Es ist somit nicht unmöglich, die Stuttgarter Abwehr zu knacken. Seit dieser Saison setzt man bei Borussia dafür vor allem auf viel Ballbesitz und versucht, das Spiel in die Breite zu ziehen. Gegen die eher offensiv denkenden Außenverteidiger des VfB könnte sich dies mehr auszahlen als etwa bei der Niederlage gegen die defensiv kompakteren Berliner. Gleichzeitig sollte man sich vor der frechen Offensivreihe der Stuttgarter in Acht nehmen, die nicht nur schnell umschalten kann, sondern auch immer für einen überraschenden Abschluss gut ist. Ibisevic als Gladbach-Experten darf man ohnehin nicht aus den Augen lassen.

Personell wird Lucien Favre wohl erneut nicht zu übertriebenen Experimenten tendieren. Einzig die Genesung von Roel Brouwers könnte für Verschiebungen in der Viererkette sorgen, doch ist nicht unbedingt damit zu rechnen, dass die mehr als soliden Jantschke und Korb schon in dieser Woche wieder einen Platz nach rechts (ersterer auf die Rechtsverteidiger-Position, letzterer auf die Bank) rutschen müssen. Auch Nordtveit kehrt wohl in den Kader zurück, wird sich aber zunächst wieder hinter Kramer und Xhaka anstellen müssen.

Borussia wird mindestens die Balance aus dem Spiel gegen Hamburg brauchen, um auch in Stuttgart erfolgreich zu sein. Zu sehr auf sturen Ballbesitz zu setzen, oder wie zuletzt einen nicht unerheblichen Teil der Spielzeit an sich vorbeilaufen zu lassen, wird von den Schwaben, die als Sieger im Derby gegen Freiburg mit viel Selbstvertrauen antreten werden, mit großer Wahrscheinlichkeit bestraft werden. Den VfB ein bisschen kommen zu lassen, muss nicht unbedingt ein Zeichen von fehlender Spielkontrolle sein – ein Hauch der alten Favre-Taktik kann vielleicht nicht schaden…

 

Voraussichtliche Aufstellungen:

Stuttgart: Ulreich – Schwaab, Haggui, Niedermeier, Rausch – Kvist, Gentner – Leitner, Maxim, Ti. Werner – Ibisevic

Borussia: ter Stegen – Korb, Jantschke, Stranzl, Wendt – Kramer, Xhaka – Herrmann, Arango – Raffael, Kruse.

 

SEITENWAHL-Tipps:

Christian Grünewald: Borussia muss sich steigern, wenn man in Stuttgart etwas holen will. Ansonsten droht eine 0:2-Niederlage.

Christian Spoo: Vier Siege in Folge? Mal nicht unbescheiden werden! In Stuttgart verliert Borussia mit 0:2.

Christoph Clausen: Mal wieder nichts zu holen in Stuttgart. Borussia unterliegt mit 0:2.

Thomas Häcki: Als Berliner hat man naturgemäß ein ungutes Gefühl, wenn Schwaben zu Besuch kommen (und dann nicht mehr gehen wollen). Auch im Fußball wäre mein Gefühl mulmiger, wenn der VfB zu Gast wäre. Ist er aber nicht und deswegen gewinnen wir auch 2:1 im Ländle.

Michael Heinen: In Stuttgart sieht Borussia selten gut aus. In den letzten 15 Spielen gab es nur einen Sieg, dafür aber 10 Niederlagen, bei denen Borussia 9x ohne eigenes Tor blieb. Diese Tradition wird beim 0:1 leider fortgesetzt.