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„Heute ist der schönste Tag seit ich bei Hertha BSC in der Verantwortung stehe“. Finanz-Geschäftsführer Ingo Schiller und Sportdirektor Michael Preetz lächelten um die Wette. Gerade hatten die Berliner die strategische Partnerschaft mit dem Finanzinvestor Kohlberg Kravis Roberts & Co. L. P. bekannt gegeben. In einem insgesamt über 60 Millionen umfassenden Deal erwarb die amerikanische Beteiligungsgesellschaft einen Anteil von ca. 9,7 Prozent am notorisch klammen Hauptstadt-Klub. Und plötzlich waren alle Schulden weg. Oberflächlich gesehen jedenfalls. In der ersten Euphorie war die Zukunft für alle Beteiligten vor allem eines: Rosa.

Wie positiv diese erste strategische Beteiligung eines Finanzinvestors an einem Bundesligaverein denn dann wirklich ist, wird wohl erst die Zukunft zeigen. Die Liebe zum deutschen Fußball dürfte die für gewöhnlich kühl agierenden amerikanischen Investoren wohl kaum bewogen haben, ihr Geld in den seit Jahren hochverschuldeten Bundesligisten zu stecken. In diesen Kreisen zählt vielmehr nur eines – die Rendite. So könnte die Beteiligung die Hertha noch teuer zu stehen kommen. Wie teuer zeigen Vergleiche mit englischen Premier League Clubs, die nach dem Einstieg von Finanzinvestoren inzwischen erheblich verschuldet sind. Auf der anderen Seite hat die Deutsche Fußball Liga solchen Beteiligungen aber vernünftigerweise deutliche Grenzen gesetzt. Der Verkauf ihres Tafelsilbers verschafft den Berlinern somit wieder etwas mehr finanziellen Spielraum, wird sie aber in der Zukunft zu einem rigiderem wirtschaftlichen Handeln zwingen.

Die Nachricht vom Einstieg der Amerikaner kam allerdings zu einem denkbar günstigen Zeitpunkt. Sportlich gesehen konnte die Hertha auf eine ausgesprochen erfolgreiche Hinrunde zurückblicken, in der man die Überraschungsmannschaft der Hinrunde stellte. Platz sechs lies die ersten Anhänger bereits vom Europapokal träumen. Inzwischen ist wieder etwas Ernüchterung eingekehrt. Lediglich zwei Spiele konnten in der Rückrunde gewonnen werden, beide auswärts bei den zuletzt desolat auftretenden Stuttgartern und Hamburgern. Zu Hause lässt man hingegen regelmäßig die Punkte liegen. Am vergangenen Samstag setzte es eine ernüchternde 0:3 Heimpleite gegen das nicht gerade als auswärtsstark bekannte Team aus Hannover. Trainer Jos Luhukay hakte danach Europa ab. „Ab heute braucht man nicht mehr darüber zu reden“, dämpfte der Niederländer die Erwartungen. Der Kader sei qualitativ nicht stark genug. Ein allzu frühes Urteil möchte man meinen, denn mit vier Punkten Rückstand befindet man sich immer noch auf Tuchfühlung mit den begehrten Qualifikationsplätzen. Und dass man es mit der Konkurrenz durchaus aufnehmen kann, hatte man eine Woche zuvor beim 1:1 in Mainz bewiesen. Notwendig wäre dafür aber ein Sieg in Mönchengladbach. Luhukays Aussage ist somit taktisch zu verstehen. Verliert er, ist er der Realist, punktet er, ist er der heimliche Gewinner.

„Vergesst den Europapokal!“ konnte man vor Wochenfrist auch aus dem Umfeld von Mönchengladbach vernehmen. Zu ernüchternd waren die Auftritte in der Rückrunde, als man nach einem desolaten Auftritt gegen den ebenfalls kriselnden Konkurrenten aus Leverkusen zwar in den darauffolgenden Spielen immer wieder erfolgsversprechende Ansätze zeigte, es aber über Wochen hinweg nicht schaffte, sich selbst zu belohnen. Die Verunsicherung war greifbar, die Ratlosigkeit ebenso. Dass in dieser Phase die erfreuliche Vertragsverlängerung mit Lucien Favre bekannt gegeben wurde, war ein starkes Zeichen. Dass im letzten Spiel die Negativserie ausgerechnet beim Tabellenzweiten Dortmund verdient durchbrochen wurde, gehört zu den schönen Geschichten, welche der Fußball schreibt. Ob damit die Krise beendet wurde, ist natürlich fraglich. Eine Niederlage gegen die auswärts gefährlichen Berliner würde den Sieg in Dortmund  relativieren und Europa tatsächlich in weite Ferne rücken. „Vergesst Europa!“ möchte man daher der Mannschaft vor diesem Sechs-Punkte-Spiel zurufen. Oder wie es Lucien Favre wohl besser ausdrücken würde: „ Denkt von Spiel zu Spiel“.

Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen dass die Personalie Raffael besondere Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird. Nicht nur seine gemeinsame Vergangenheit mit den Hauptstädtern rückt ihn in den Fokus. Besonders die letzten Spiele haben gezeigt, wie immens wichtig der Brasilianer mittlerweile für das Offensivspiel der Borussia geworden ist. Erwischt er einen schlechten Tag, nimmt auch die Gefährlichkeit der Borussia spürbar ab. Diese Abhängigkeit stimmt bedenklich, beraubt sie die Borussia doch um die viel beschworene Variabilität im Angriffsspiel. Es darf also damit gerechnet werden, dass die Berliner versuchen werden, ähnlich wie im Hinspiel, Raffael zu neutralisieren und dann aus ihrer stabilen Deckung heraus den Erfolg zu suchen. Umgekehrt ist aber auch das Angriffsspiel der Hertha nicht unbedingt von Überraschungen gekennzeichnet. Ramos heißt hier der Schlüssel zum Erfolg. Trotz deutlicher technischer Defizite hat der Kolumbianer bislang eine hervorragende Saison gespielt und ist daher auch bei vielen Scouts der Konkurrenz auf dem Zettel, wobei aller Voraussicht nach die Scouts aus Dortmund am erfolgreichsten gearbeitet haben. Die neuerlichen Meldungen des bevorstehenden Wechsels zum BVB, die von offizieller Seite gewohnt halbherzig dementiert wurden, beherrschten in der vergangenen Wochen das Berliner Medien-Umfeld und lenkten damit ein wenig von der sportlichen Situation ab. Dabei böte sich nach dem 0:3 gegen Hannover auch hier ausreichend Material. Nicht ohne Grund kritisierte Jos Luhukay die fehlende Aggressivität und das pomadige Auftreten seiner Mannschaft in den letzten (Heim-)Spielen.

Ein Verlierer dieser ansonsten bislang so erfreulichen Saison ist Ronny. Raffaels Bruder, der mit seiner Schussstärke zumindest  für entscheidende Überraschungsmomente sorgt, passt nicht mehr so ganz in Luhukays geschlossenes System. Es ist damit zu rechnen, dass die Gäste zunächst stark defensiv ausgerichtet sein werden. Für die Borussia heißt es daher Ruhe bewahren und wie in Dortmund frühzeitig den Kampf anzunehmen. Auch, wenn man in Führung gehen sollte.

Personell wird Borussia durch die Gelb-Rote Karte von Nordtveit die jüngste Erfolgself verändern müssen. Granit Xhaka wird für den Norweger in die Startelf zurückkehren. Ein Fragezeichen steht noch hinter zwei weiteren Defensivspielern. Für Filip Daems, den eine Rippenprellung plagt, wird Tony Jantschke in die Viererkette rücken. Bei der U21 hat er jahrelang höchst erfolgreich auf der linken Abwehrseite verteidigt. Favre sah ihn zuletzt allerdings eher in der Zentrale, so dass auch ein Verschieben von Alvaro Dominguez auf die Seite eine mögliche Option wäre.

Schwieriger zu ersetzen als Daems wäre der zweite Sechser. Für Christoph Kramer (Wadenprobleme) stünden Lukas Rupp oder Thorben Marx bereit. Letzterer könnte somit ausgerechnet gegen seinen Ex-Verein sein Comeback in der Startelf feiern. Neben Marx und Raffael wird es auch für van den Bergh, Baumjohann, Ndjeng sowie für beide Trainer ein Wiedersehen mit dem Ex-Klub geben, wobei mit Kluge und Cigerci sogar noch zwei weitere Ex-Borussen unberücksichtigt bleiben.

Borussia: ter Stegen - Korb, Stranzl, Dominguez, Jantschke - Herrmann, Xhaka, Kramer, Arango  - Raffael, Kruse

Hertha: Kraft - Pekarik, Langkamp, Brooks, van den Bergh - Allagui, Hosogai, Skjelbred, Ronny, Schulz - Ramos

SEITENWAHL-TIPPS

Thomas Häcki: Die Borussia beißt sich an Hertha Defensive die Zähne aus. Folgerichtig trennen sich beide Teams mit 0:0, was nur der Konkurrenz hilft.

Michael Heinen: Momentan wäre es vermutlich besser, in Berlin antreten zu dürfen. Auch wenn die Hertha auswärts ein unbequemer Gegner ist, muss Borussia aber so langsam wieder zu alter Heimstärke zurückfinden. Dies gelingt mit etwas Mühe durch einen 2:1-Sieg.

Christian Heimanns: Das Duell der aktuellen und ehemaligen Trainer von Borussia und Berlin entscheidet der aktuelle Borusse mit 2:1 für sich, wobei das Ergebnis deutlicher ausfällt als das Spiel.

Christoph Clausen: Der Sieg in Dortmund wird mit einem 2:0 vor heimischem Publikum veredelt. Diesmal steht auf der anderen Seite ein Trainer, der wie ein Erwachsener verlieren kann.

Christian Spoo: Es wird nicht schön, es wird nervenaufreibend. Am Ende können wir uns dennoch über drei Punkte freuen, denn Borussia gewinnt mit 2:1.