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Am Samstagabend ist es endlich soweit. Der FC Bayern München und Borussia Dortmund treffen im Champions League Finale aufeinander – einer Veranstaltung, die in der deutschen Öffentlichkeit den größten Medienhype ausgelöst hat seit dem Sommermärchen 2006.

 Zweifelsohne ist es eine große Auszeichnung für den deutschen Fußball und die Bundesliga, dass ihre beiden erfolgreichsten Mannschaften um den begehrtesten Vereinstitel kämpfen dürfen. Wo vor wenigen Jahren noch der Fall in die internationale Bedeutungslosigkeit befürchtet wurde, wird inzwischen über die Wachablösung der spanischen und englischen Ligen diskutiert. Die internationale Wahrnehmung der Bundesliga hat sich durch diese Spielzeit immens verbessert. In der Auslandsvermarktung, bei der sich Deutschland traditionell schwerer tut als andere Länder, werden sich die Erfolge der beiden Marktführer für alle Vereine auch monetär positiv auswirken.

Es gibt also gute Gründe, das deutsche Finale als Segen für die Bundesliga zu verstehen. Es gibt aber auch eine Schattenseite, die in der medialen Betrachtung dieser Tage weitgehend ausgeblendet wird. Das deutsche Finale kann sich nämlich für die Bundesliga ebenso sehr zum Fluch entwickeln, indem sich die Dominanz der beiden Topvereine immer weiter ausweitet und zementiert. Die beiden Finalteilnehmer haben in dieser Saison jeweils über 60 Mio. Euro alleine in der Champions League eingenommen. Zum Vergleich: Borussia hätte selbst bei einem Gewinn der Europa League maximal einen Betrag von ca. 10-15 Mio. Euro erreichen können – ein Wert, den jeder Champions League Teilnehmer schon sicher hatte, bevor er in diesem Wettbewerb zum ersten Mal gegen den Ball trat.

Die Verhältnismäßigkeit der Wettbewerbe verschiebt sich immer mehr zugunsten der so genannten „Königsklasse“. Die Europa League verkommt hingegen trotz teils hochkarätiger sportlicher Besetzung zu einem besseren UI-Cup. Und auch die nationalen Meisterschaften werden zunehmend von der öffentlichen und monetären Bedeutung der Champions League an die Wand gedrückt.

Die Rede ist oft von „spanischen Verhältnissen“, also von einer Situation, in der 1-2 Mannschaften dauerhaft dominieren, ohne reelle Chance für andere Vereine, jemals mit ihnen mithalten zu können. Faktisch werden diese Verhältnisse durch den Champions League Modus für sämtliche größeren Ligen unausweichlich. Realistisch könnten sie allein durch „englische Verhältnisse“ ersetzt werden, also von einer Situation, in der Investoren willkürlich einzelne Vereine aufkaufen und mit Millionen vollpumpen.

In beiden Szenarien wird durch astronomische Summen – ob Champions League- oder Investoren-Gelder – ein Wettbewerbsvorteil geschaffen, der für normale Vereine unerreichbar ist. Das Geld bietet zwar keine Garantie für den Erfolg und es gibt genügend Vereine, die nicht fähig sind, den Wettbewerbsvorteil sportlich zu nutzen. Sämtliche Spitzenvereine, die ordentlich geführt werden, werden aber für den Rest dauerhaft unerreichbar bleiben.

Wenn man einmal davon absieht, dass die Bayern und der BVB zu Beginn ihres sportlichen Aufstiegs von politischen Entscheidungen enorm profitiert haben, sind ihre sportlichen Erfolge die Konsequenz aus ihrem hervorragenden Management und Führungsstärke, wofür ihnen größter Respekt zu zollen ist. Trotzdem kann es für den deutschen Fußball nicht gesund sein, wenn die bestehenden Verhältnisse dermaßen unverrückbar zementiert werden. Die Bundesliga lebte immer von ihrer Spannung und Ausgeglichenheit, so dass auch Überraschungsmeisterschaften, wie z. B. von Wolfsburg, Stuttgart oder Kaiserslautern, möglich waren. In den beiden letzten Jahren hingegen übertreffen sich die beiden Top-Klubs mit jeweils historischen Punkterekorden. Ihre Überlegenheit drückte sich insbesondere in der Rückrunde aus, wenn ihre Mannschaften eingespielt und ins Rollen gekommen waren. Im Vorjahr blieb der BVB nach der Winterpause bei 15 Siegen und 2 Remis ungeschlagen. Dieses Jahr zog der FC Bayern nach mit gar 16 Siegen und nur einem Unentschieden, das zudem noch beim BVB erspielt wurde. Selbst mit ihren B-Mannschaften waren die beiden Klubs für andere Bundesligisten nicht zu bezwingen und Borussias fulminante 3:1-Führung wurde z. B. von den Bayern mit Leichtigkeit gekontert und gedreht.

Diese bedenkliche Entwicklung ist letztlich ein Produkt der internationalen Lobbyarbeit der europäischen Großklubs in den vergangenen 20 Jahren. Die Einführung von Gruppenspielen im Europapokal der Landesmeister 1991/92, die im darauf folgenden Jahr in die Gründung der Champions League mündete, war ein erster Schritt, ihnen Planungssicherheit und somit gesicherte Einnahmen zu garantieren, mit der sich die selbsternannte europäische Vereinselite ihre Vormachtstellung sichern wollte.

Ab 1997/98 durften die 8 größten Verbände neben ihrem Meister auch noch den Vizemeister in die Champions League entsenden. Seit 1999/2000 gilt die bis heute bekannte Regelung, nach der die drei größten Verbände bis zu 4 Teilnehmer stellen können. Für Topklubs, wie Real Madrid, Barcelona, Manchester United oder Bayern München, wurde so die Garantie geschaffen, selbst in schlechten Spieljahren an den Geldtöpfen partizipieren zu können.

Im Jahr 2000 organisierte sich Europas Vereinselite in der so genannten G-14, um noch effektiver Einfluss zu nehmen. Ihre Idealvorstellung: Das Schaffen einer geschlossenen Gesellschaft, die in einer Europaliga den Besten der Besten ausspielen. Sportliche Qualifikationen werden als eher lästig, die Möglichkeit einer Nicht-Teilnahme gar als Majestätsbeleidigung empfunden. Im Jahr 2006 stellte die G-14 daher einen entsprechenden Antrag bei der UEFA, das Teilnehmerfeld der Champions League unabhängig von den nationalen Meisterschaften zu bestücken, so dass jedes Jahr dieselben Vereine antreten dürften. Auch wenn dieses Ziel damals noch am Widerstand in der Öffentlichkeit scheiterte, so wurde es inzwischen faktisch durch die Hintertür erreicht – in Folge der exorbitanten Geldausschüttungen in der Champions League und den vergleichsweise lächerlichen Beträgen in der Europa League, durch die die nationalen Meisterschaften zunehmend dominiert werden können.

Selbst die Einführung des grundsätzlich mehr als begrüßenswerten Financial Fairplay bringt Vorteile für die Topklubs, die wohl kaum selbst jemals in den Bannstrahl der UEFA gelangen werden. Vielmehr kann so verhindert werden, dass vormals kleinere Vereine durch das finanzielle Wohlwollen eines Mäzens oder einer Firma in die Phalanx der Großen einbrechen können. Die Großen wollen eben unter sich bleiben – oder wie es Times-Kolumnist Martin Samuel so schön ausdrückte: „Ausgestattet mit jedem erdenklichen Vorteil will Goliath, dass David sogar noch mit einem festgebundenen Arm kämpft.“

Gelöst werden kann das Problem nur international, indem die Gelder der Champions League deutlich zugunsten der Europa League und den einzelnen Landesverbänden umverteilt werden. Da es aber nicht im Interesse der einflussreichen Großklubs, der gut mitverdienenden UEFA sowie der vom CL-Hype profitierenden Medien ist, am Status Quo Entscheidendes zu ändern, wird sich die Entwicklung kaum noch aufhalten lassen. In spätestens 5-10 Jahren wird zu diskutieren sein, ob die allzu dominanten Spitzenklubs nicht wirklich in einer eigenen Liga besser aufgehoben wären, um damit den Wettbewerb der nationalen Ligen wiederherzustellen. Den Kritikern wird man entgegenkommen, indem 2-4 Plätze in der ansonsten geschlossenen Gesellschaft für jährlich wechselnde Teilnehmer freigehalten werden, die sich dafür sportlich qualifizieren können. Spätestens dann werden die Elitevereine ihren Endsieg davongetragen haben, während die Bundesliga endgültig in die faktische Zweitklassigkeit abfallen wird.