Die ersten 11 Spiele – 6 Bundesligaspiele, 4 Champions League Spiele und eines im DFB-Pokal sind gespielt. Die Länderspielpause gibt nicht nur den Spielern – soweit nicht mit den jeweiligen Nationalmannschaften unterwegs – ein wenig Zeit zum Durchatmen nach den englischen Wochen. Auch für SEITENWAHL ist der Mittwoch-Samstag-Rhythmus eine Herausforderung.

Zeit also für eine Zwischenbilanz der bisherigen Saison. Zeit auch, um die eine oder andere Beobachtung aus den letzten Wochen ausführlicher zu formulieren. Zeit, um die Entwicklung der Mannschaft in dieser Saison vor dem Hintergrund der Differenz zwischen Heim- und Auswärtsauftritten kritisch zu würdigen.

Die Ergebnisse – Stark angefangen, dann aber nachgelassen

Der Saisonstart war fast makellos – zwei souveräne Siege gegen Young Boys Bern, dazwischen die zugegebenermaßen mühsam bewältigte Pflichtaufgabe im DFB-Pokal sowie ein sehr starker Auftritt zum Bundesligaauftakt gegen Leverkusen erzeugten eine gewisse Euphorie und sicherlich nicht bei wenigen Fans die Erwartung, dass Borussia auch weiter siegreich durch die Saison stürmen würde.

Doch der Bruch kam bereits nach der ersten Länderspielpause: Auf die nach einem schwachen Auftritt verdiente Niederlage in Freiburg folgte eine zwar sicherlich erwartbare, aufgrund ihres Zustandekommens und der Höhe des Ergebnisses jedoch einer Demontage gleichkommende Niederlage in Manchester. Hierfür konnte sich die Mannschaft zwar mit einem hohen Sieg gegen naiv verteidigende Bremer zunächst schadlos halten. Die nachfolgenden Ergebnisse – ein Unentschieden in Leipzig, ein mühsamer Heimsieg gegen Ingolstadt, der starke, jedoch der Niederlage endende Auftritt gegen Barcelona sowie die hohe Niederlage auf Schalke - kann man nur als wechselhaft bezeichnen. Insofern ist der Saisonstart bis zum jetzigen Zeitpunkt zwar kein Misserfolg, es gibt jedoch keinerlei Anlass zu Euphorie mehr. Vor allem darf man sich nicht von „Pflichtsiegen“ in Heimspielen gegen Gegner wie Bremen und Ingolstadt blenden lassen.

Die Spielweise - Zuhause dominant, auswärts naiv, planlos oder hektisch

Eines der offensichtlichen Markenzeichen von Borussia Mönchengladbach unter Lucien Favre war, dass jeder Spieler in jeder Situation genau wusste, was er zu tun hat (die ersten fünf Spiele der vergangenen Saison einmal beiseitegelassen). Mannschaftstaktisch führte das dazu, dass auf dem Spielfeld jederzeit eine klar erkennbare Formation vorhanden war. Das ermöglichte es es der Mannschaft vor allem beim Umschalten von Offensive auf Defensive schnell wieder eine Ordnung zu finden, die es dem Gegner schwermacht Tore gegen Borussia zu erzielen.

Eine der signifikantesten Beobachtungen aus den vergangenen Wochen ist, dass diese Ordnung mehr und mehr verloren geht. Von dem ursprünglichen Ansatz, auf der in der Vergangenheit gelegten Basis aufzubauen und diese behutsam zu modifizieren - beispielsweise indem das System etwas offensiver ausgelegt wird - ist nicht mehr viel zu erkennen. Insbesondere das Defensivverhalten wirft Fragen auf: Die in Heimspielen gegen etwas tiefer stehende Gegner praktizierte dominante Spielweise überdeckt möglicherweise grundsätzliche Probleme, die in Auswärtsspielen offen zutage treten. Auffällig ist insbesondere der Umstand, dass die im derzeit praktizierten System sehr hoch stehenden Außenspieler (insbesondere Traoré) in defensiven Umschaltsituationen relativ lang brauchen, um wieder hinter den Ball zu kommen. In Heimspielen, wo der jeweilige Gast eher etwas tiefer und damit weiter weg vom Gladbacher Tor agiert, hat die Mannschaft etwas mehr Zeit, um diese Situationen zu bewältigen. Auswärts dagegen ist die regelmäßige Konsequenz ein Tempogegenstoß aus dem Mittelfeld, der die äußeren Spieler der Dreierkette dazu nötigt nach außen zu rücken, also eine Position einzunehmen wie ein Außenverteidiger in einer Viererkette. Die Folge dessen ist viel Raum im Zentrum, der durch die ebenfalls hoch stehenden defensiven Mittelfeldspieler nicht mehr geschlossen werden kann.

Hier drängt sich der Eindruck auf, dass für derartige Situationen innerhalb des Spielsystems mit Dreierkette nicht wirklich ein Plan vorhanden ist. Hinzu kommt, dass sich die Mannschaft gerade gegen Gegner wie Ingolstadt oder die Filiale des österreichischen Dosenproduzenten zunehmend in von Zweikämpfen geprägte Pressingduelle auf engem Raum vor und hinter der Mittellinie zwingen lässt, die von außen nur hektisch wirken, anstelle das Spiel zu beruhigen.

Das Spielsystem - Passt die Dreierkette wirklich zu Borussia?

Es ist sicherlich richtig, dass Borussia Mönchengladbach in der letzten Saison mit Dreierkette unbestreitbare Erfolge eingefahren hat. Das prägnanteste Beispiel ist der Sieg gegen Bayern München, bei dem dieses System erstmals praktiziert wurde. Dennoch bestehen erhebliche Zweifel, ob dieses Spielsystem zur aktuellen Zusammenstellung des Kaders wirklich passt.

Defensiv sind wie oben beschrieben gravierende Lücken die Folge der sehr offensiv ausgerichteten Außenspieler.

Im Spielaufbau gelingt es mit der gewählten Formation kaum noch, den Ball über die Kreativspieler wie beispielsweise Dahoud nach vorne zu bringen, wenn der Gegner das Zentrum des Spielfeldes effektiv zustellt. Stattdessen erfolgt die Spieleröffnung fast ausschließlich über den zentralen Verteidiger. Die Anzahl der Ballkontakte von Yannick Vestergaard in der ersten Halbzeit gegen Schalke belegt das. Diesbezüglich wirkte die frühere Variante, bei der sich einer der defensiven Mittelfeldspieler zwischen die Innenverteidiger zurückfallen ließ, um sich gewissermaßen den Ball für die Spieleröffnung abzuholen, deutlich effektiver – sie brachte vor allem mehr Kreativität ins Spiel. Allerdings ist das nur mit Viererkette praktikabel, wenn gleichzeitig die Außenverteidiger aufrücken und dadurch Unterzahl im Mittelfeld vermeiden sowie gleichzeitig Anspielstationen schaffen. Mit Dreierkette funktioniert genau das nicht, weil die Außenspieler ohnehin schon weit aufgerückt (und meist zugestellt) sind, andererseits jedoch ein zusätzliches Verschieben der äußeren Glieder der Dreierkette nach vorne Harakiri wäre.

Ein weiterer Punkt ist, dass die Aufgabenstellung an die Außenspieler im derzeitigen System diese ihrer eigentlichen Stärken beraubt. Dies gilt speziell für Ibrahima Traoré bzw. Patrick Herrmann auf der rechten Seite. Beide Spieler haben ihre Stärken in der Offensive, Traoré im Dribbling, Herrmann eher im schnellen Spiel. Sie kommen jedoch kaum noch in die Situation, diese Stärken ausspielen zu können, weil sie aufgrund ihrer veränderten Rolle einen deutlich weiteren Weg zum Tor haben als früher. Dass Traoré sich zwar bemüht, mit seinem Verhalten im Defensivzweikampf jedoch nicht unbedingt eine Hilfe ist, hat das Schalke-Spiel ebenfalls belegt. Oskar Wendt und Fabian Johnson bekommen das auf der linken Seite deutlich besser hin, höchstwahrscheinlich weil beide gelernte Defensivspieler sind.  

Alles in allem spricht viel dafür, dass die Dreierkette zwar eine situationsbezogen spielbare Variante ist. Berücksichtigt man aber die derzeitige Kaderzusammenstellung, scheinen die Nachteile dieses Ansatzes dessen Vorteile im Vergleich zur Viererkette mittlerweile zu überwiegen. Hinzu kommt natürlich, dass der Überraschungseffekt des Bayernspiels mittlerweile verpufft ist. Die Gegner haben sich schlicht und einfach auf das neue Gladbacher System eingestellt.

Der Trainer – Vertragsverlängerung zum richtigen Zeitpunkt?

André Schubert hat statistisch gesehen eine beeindruckende Bilanz aufzuweisen. Kommentatoren haben schon darauf hingewiesen, dass mit den in einem Jahr erspielten 65 Punkten auch schon Vereine Deutscher Meister geworden sind. Eigentlich sollte das Anlass genug sein, um jeden Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Vertragsverlängerung mit dem Trainer von vornherein auszuschließen. Dennoch sind die skeptischen Stimmen aus dem weiteren Umfeld des Vereins nie vollständig verstummt, was den Verein durchaus in eine schwierige Situation bringt: Bleiben nach der Vertragsverlängerung die Erfolge aus, werden sich alle diejenigen bestätigt fühlen, die Schubert schon immer für den falschen Trainer gehalten haben. Hätte man dagegen zum jetzigen Zeitpunkt den Vertrag nicht verlängert, wäre die Diskussion darüber, was einer Verlängerung eigentlich entgegensteht, früher oder später von der Öffentlichkeit an den Verein herangetragen worden. In diesem Fall wäre eine unangenehme Trainerdiskussion nicht zu vermeiden gewesen.

Aufgrund der unbestreitbaren Erfolge ist die Vertragsverlängerung eine vollkommen nachvollziehbare Entscheidung. Zudem hat der Verein mit der Vertragsverlängerung die deutlich größere Chance auf ruhiges Fahrwasser, nämlich dann, wenn sich die Mannschaft stabilisiert und die Ergebnisse langfristig stimmen.

Hierin liegt die eigentliche Herausforderung für den Trainer: André Schubert hat es geschafft, nach dem Fehlstart in die letzte Saison Euphorie zu schaffen und gemeinsam mit der Mannschaft eine nicht mehr für möglich gehaltene Aufholjagd hingelegt. Diese Euphorie ist Vergangenheit. Er muss nun im nächsten Schritt beweisen, dass er eine Bundesligamannschaft mit dem Anspruch sich in der Spitzengruppe der Liga zu etablieren, nachhaltig entwickeln und besser machen kann. Gelingt ihm das, werden die Skeptiker verstummen. Gelingt ihm das nicht, werden gar die Ziele verfehlt, wird auch die Vertragsverlängerung eine erneute Trainerdiskussion nicht verhindern.

Die letzten Äußerungen legen nahe, dass sich der Trainer der Gefahr bewusst ist, dass die Heimserie eher reißen könnte als es gelingt, die Auswärtsmisere zu beenden. Wir dürfen deshalb gespannt sein, wohin der Weg führt!