Einer der faszinierenden Aspekte des Lebens im Ausland ist, dass man immer wieder schleichende Veränderungen im deutschen Sprachgebrauch feststellt, die dem daheim gebliebenen gar nicht auffallen. So bemerkten meine Frau und ich, dass Besucher bei uns in Schottland anfang des Jahrtausends regelmässig die Feststellung „Das geht gar nicht!“ von sich gaben, einen Satz den wir nur ohne das „gar“ kannten. Seit ca. 3 Jahren stellen wir fest, dass Freunde und Verwandte immer wieder „alles gut“ befinden, wo wir eher mit „alles klar“ oder „alles in Ordnung“ groβ geworden sind. „Alles gut“ trifft auch die Stimmung im Kreis der Borussia am gestrigen Abend nach dem relativ ungefährdeten 2:0 Sieg bei Werder Bremen. Was Wolf Werner, Gerd vom Bruch, Jürgen Gelsdorf, Bernd Krauss, Hannes Bongartz, Norbert Meier, Friedel Rausch, Rainer Bonhof, Hans Meyer, Ewald Lienen, Holger Fach, Dick Advocaat, Horst Köppel, Jos Luhukay und Michael Frontzeck als Borussentrainer nie fertigbrachten (einige weil sie schon wieder weg waren, bevor überhaupt ein Spiel in Bremen anstand), schaffte Dieter Hecking nun schon zum zweiten Mal innerhalb eines Kalenderjahres: einen Auswärtssieg bei Werder Bremen. Und im Gegensatz zu den Siegen gegen Stuttgart und Hannover, denen man mit dem Prädikat „glanzlos“ noch schmeichelt, gingen die 3 Punkte diesmal auch mit einer insgesamt ansprechenden Leistung einher.

Also alles gut bei Borussia oder eher alles WIEDER gut? Denn wie immer sich die Gemütslage nach dem Spiel in Bremen geändert hat, die (auch auf Seitenwahl) vorher geäusserten Bedenken waren durchaus berechtigt. Die schon erwähnten rumpeligen Heimsiege konnten die Erinnerungen an das Debakel in Dortmund und die peinliche Niederlage gegen Frankfurt zu Hause nicht überdecken. So richtig überzeugt hatte die Borussia zuletzt nur in der 2. Halbzeit in Leipzig und zu konstatieren, dass das angesichts der Ansprüche auf einen Platz im oberen Tabellendrittel etwas dünn ist/war, ist keine Miesepeterei sondern nur die Feststellung einer Tatsache. Ein wenig fühlte man sich an die Saison 2006/07 erinnert als man auch mit einem sehr erfahrenen Trainer (Jupp Heynckes) ergebnismäβig ordentlich startete (Tabellenplatz 5 nach 7 Spieltagen mit 12 Punkten) ohne aber so richtig zu überzeugen. Das Ende ist bekannt: nach dem 7. Spieltag blieb man monatelang sieglos und stieg später sang- und klanglos ab.

Obwohl die Borussia gegen die sieglosen Bremer als Favorit anreiste, herrschte daher doch eine gewisse Skepsis unter den Gladbachfreunden vor dem gestrigen Spiel. Umso erfreulicher war dann der Auftritt der Fohlenelf. Von Beginn an war man bemüht das Spiel zu dominieren, den Ball zirkulieren zu lassen. Nun muss man nur an die erste Hälfte gegen Stuttgart denken um zu wissen, dass Ballbesitz allein nicht vor schlechtem Spiel schützt und auch gestern lief zu Beginn durchaus nicht alles rund bei der Borussia. Man kam zunächst nicht in gefährliche Positionen, die öffnenden Pässe waren meist Seitenwechsel, vertikal gespielt wurde kaum und auch so mancher Fehlpass verhinderte, dass das Bremer Tor in den ersten 20 Minuten ernsthaft in Gefahr geriet. Trotzdem symbolisierte die Spielweise der Borussia von Beginn an das Selbstverständnis eines Favoriten, der mit drei Punkten auf Platz 5 springen wollte.

In den Folgeminuten zeigte sich, dass die Borussia auch die individuelle Klasse hat um solche Ansprüche zu rechtfertigen. Raffael war zwar wiederum noch ein Stück von seiner Bestform entfernt, aber Hazard und auch Stindl waren an diesem Abend gut aufgelegt und setzen die entscheidenen Akzente, vor allem beim Führungstreffer als der Belgier zunächst scheiterte, aber Stindl den abgeprallten Ball dann filigran verarbeitete und einen der sehenswertesten Gladbach-Treffer der Post-Arango-Ära erzielte.

Neben individueller Qualität hat die Borussia 2017 auch die unter Lucien Favre einst so verpönten Standards wiederentdeckt, wie der gut ausgeführte und noch besser abgeschlossene Eckball in der 34. Minute zeigte, als Vestergaard das Spiel gegen seinen Ex-Verein fast schon entschied.

Positiv ist auch zu bemerken, dass man im zweiten Durchgang im Gegensatz zum Spiel in Augsburg die sich bietenden Räume in der Hälfte des Gegners zu einer Reihe von gefährlichen Kontern nutzen konnte. Damit ist man aber auch gleich bei einem (wiederkehrenden) Kritikpunkt angelangt: die Chancenverwertung in der 2. Hälfte liess zu Wünschen über; das Spiel hätte man deutlicher und früher für sich entscheiden müssen!  Zum Teil war dieser Leichtsinn angesichts der Führung auch defensiv zu beobachten, denn - obwohl eigentlich in allen Belangen unterlegen - kamen die Bremer gegen Ende des Spiels doch zur ein oder anderen Chance, die im schlechtesten Fall das Spiel nochmal unnötig spannend hätte machen können.

Insgesamt aber kann und muss man mit dem Auftreten der Borussia in Bremen zufrieden sein. Natürlich war der Gegner schwach, aber einen Bundesligisten auswärts so zu dominieren wie der VFL es in der ersten Halbzeit tat, ist trotzdem nicht selbstverständlich. Bayern und Schalke z.B. taten sich bei ihren Siegen in Bremen z.B. erheblich schwerer. Zumindest in diesem Spiel war bei der Borussia vieles gut, aber nun gilt es diese Leistung in den Folgespielen zu bestätigen. Auf individueller Ebene haben wir bereits Stindl und Hazard hervorgehoben, defensiv zeiget auch Zakaria mit einigen wichtige Zweikampfgewinnen wieder seine Bedeutung für das Gladbacher Spiel. Der einzige Spieler der an diesem Abend wirklich negativ abfiel war Fabian Johnson, der sehr blass blieb und das obwohl die Länderspielpause diesmal für ihn nicht mit einem anstregenden Flug auf den amerikanischen Kontinent verbunden war. Erfreulich war es den in den ersten Saisonspielen so gut aufgelegten Traoré wieder auf dem Platz zu sehen, auch wenn er bei seinen Kurzeinsatz zunächst noch etwas überhastet wirkte, was angesichts der mangelnden Spielpraxis nicht überrascht.

Mit Leverkusen und Hoffenheim kommen nun in der Liga Gegner die eher auf Augenhöhe sein sollten als es Stuttgart, Hannover oder Bremen waren und vermutlich mehr Aufschluss darüber geben werden ob die Borussia in dieser Saison wirklich wieder auf dem Level ist, um internationale Plätze anzustreben. Hoffen wir dass nach diesen Spielen dann wirklich „alles gut“ ist.