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Ein gellendes Pfeifkonzert im Borussia-Park, schimpfende Fans auf den Tribünen, ein sichtlich und hörbar angefressener Sportdirektor im Interview nach dem Abpfiff. Man kommt nicht mehr daran vorbei: die Krise bei Borussia ist da. Mannschaft und Fans warten weiter auf den ersten Sieg im Jahr 2014, zum zweiten Mal in Folge wurde ein sicher geglaubter Sieg aus der Hand gegeben. Und was dazu kommt: die Leistung des Teams wird von Spiel zu Spiel schlechter. „Sauer“ sei er, sagte Max Eberl nach dem 2:2 gegen Hoffenheim. Aber worauf?

Wirklich sauer sein kann man im Grunde nur, wenn die Mannschaft sich hängen lässt, wenn es an Einsatz mangelt oder wenn Überheblichkeit die Quelle für die spielentscheidenden Fehler ist. All das trifft auf Borussia im Jahr 2014 aber nicht zu. Der Wille ist bei jedem aufgebotenen Spieler zu spüren. Das Problem der Mannschaft ist mit wenigen Ausnahmen, über die noch zu reden sein wird, nicht Überheblichkeit, sondern – zunehmend mit jedem nicht gewonnenen Spiel – mangelndes Selbstvertrauen, vielleicht gar Angst.

Julian Korb sagte nach dem Spiel, man habe nach dem 2:0 aufgehört, Fußball zu spielen. Hier irrt Korb: Borussia hat gegen Hoffenheim überhaupt nicht angefangen, Fußball zu spielen. Beide Tore waren nicht Resultat eines gelungenen Spielzuges. Das erste war ein (schönes) Glückstor nach einem Torwartfehler, das zweite war Folge einer Standardsituation – einer der zuletzt offenkundig verpönten lang geschlagenen Ecken.

Ansonsten hatte Borussia gegen Hoffenheim „Fußballspielen“ so gut wie gar nicht im Programm. Dachte man zunächst noch, es sei eine neue Taktik, dem Gegner weitgehend den Ball zu überlassen, schien es spätestens nach dem Wechsel so, als sei dieses Phänomen Resultat der eigenen Unzulänglichkeiten. Borussia war, 2:0-Führung hin, 2:0-Führung her, fast 90 Minuten lang die schlechtere Mannschaft. Dass es dennoch große Chancen gab, ist der nicht immer sattelfesten Hoffenheimer Defensive zu verdanken. Dass die Chancen, wie schon gegen Bremen, samt und sonders ausgelassen wurden, dass Borussia also jene Effizienz komplett abgeht, die in der Hinrunde zu den Charakteristika des eigenen Spiels zählte, ist im Ergebnis fatal.

Borussia fehlt in der Offensive jede Schlagkraft, es fehlt Zielstrebigkeit, es fehlt oft Fortune. Bezeichnend sind die Auftritte des Max Kruse (auf dem Platz, nicht bei Wetten dass...). Der Shooting-Star der Hinrunde läuft viel, versteckt sich nicht, trifft aber im Zweifelsfall immer die falsche Entscheidung. Sollte er schießen, spielt er ab, so jeweils bei den beiden Gelegenheiten  am Ende beider Halbzeiten. Sollte Kruse den Mitspieler suchen, schießt er aufs Tor, besonders ärgerlich war das beim Freistoß unmittelbar vor dem Abpfiff. Was ihm aber auch den Mitspielern kaum mehr gelingt, sind ansehnliche Kombinationen. Das Spiel mit Pässen in die Tiefe findet kaum mehr statt – und wenn finden diese Pässe ihren Abnehmer in einem Abwehrspieler des Gegners.

Der zweite Offensivmann, dessen Leistung einer besonderen Beobachtung bedarf, ist Branimir Hrgota. Favres Lieblingselève hat gute Anlagen, das ist im Spiel immer wieder zu beobachten. Hrogta kann Fußball spielen, er muss aber ebenso offenkundig noch sehr sehr viel lernen. Der junge Schwede ist einer der wenigen Borussen, deren Auftritten gelegentlich eine gewisse Überheblichkeit anzumerken ist. Es gibt Spielsituationen, in denen ein Hackentrick schlicht nicht angebracht ist – dann nämlich, wenn die Mannschaft eine 2:0-Führung aus der Hand gegeben hat und es im Grunde nur die Devise „überlegt und konsequent nach vorne spielen“ geben kann. Hrgota spielt den Hackentrick trotzdem. Die vollmundige Ankündigung des Nachwuchsmannes, im Gegensatz zu Juan Arango ein Mann für das Spiel in die Tiefe zu sein, mag theoretisch richtig sein – gegen Hoffenheim zögerte Hrgota aber fast immer genau dann, wenn ein Lauf in die Tiefe nötig wäre. Julian Korb verzweifelte in der zweiten Halbzeit mehrfach sichtlich, wenn sein Vordermann das Tempo drosselte und nicht die Linie entlang durchstartete, wie es zu wünschen war. Das größte Problem aber liegt in Hrgotas Unfähigkeit oder Unwillen, nach hinten mitzumachen. Solange der Schwede auf den Außenpositionen spielt, muss er zwingend auch verteidigen, muss nachsetzen, wenn er den Ball verliert. Vermutlich ist Hrgota einfach für diese Position nicht geschaffen. Er ist Stürmer und gehört in die Mitte. Es ist schön, dass Lucien Favre einem Spieler aus der zweiten Reihe etwas zutraut. Es scheint aber wenig sinnvoll, schlechte Leistungen dieses Spielers schön zu reden (so nach der Partie in Bremen), zudem muss sich der Trainer fragen lassen, warum er den Spieler immer und immer wieder auf einer Position einsetzt, die seine nicht zu sein scheint. Dass die zentralen Positionen (zurecht) von Raffael und Kruse abonniert sind, kann nicht der Grund sein, die Mannschaft sehenden Auges zu schwächen.

Eins sei klargestellt: Dass es in der Offensive hakt, liegt nicht zu allererst an Branimir Hrgota, die Personalie ist lediglich ein offensichtlicher Ansatz, etwas zu ändern. Von außen kaum zu beeinflussen sind die Formkrise von Max Kruse und die Formschwankungen von Raffael und Patrick Herrmann. Alternativen zu diesen dreien gibt der Kader kaum her. Man möchte meinen, dass es nur eine Medizin gibt, um die Offensivprobleme zu heilen: ein Erfolgserlebnis. Am liebsten schon am kommenden Samstag in Braunschweig.

Ein kurzer Blick noch auf die Defensive: hier nähert sich Granit Xhaka leider wieder der Form seiner ersten Saison an. Ballverluste im Mittelfeld sind häufig ihm anzulasten. Eine Chance für Havard Nordtveit wäre zumindest eine Überlegung wert. Womöglich würde sich damit auch die Zahl der gegnerischen Chancen durch Distanzschüsse wieder reduzieren.

Dass Martin Stranzl gegen Hoffenheim zweimal entscheidend patzte, sei ihm angesichts mehrerer gelungener Tacklings und angesichts seiner nahezu unermesslichen Verdienste für die Mannschaft verziehen. Dass Borussia ohne den glänzend aufgelegten Marc-André ter Stegen das Spiel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verloren hätte, treibt einen mit Blick auf die Zeit nach dieser Saison schon eher in den Blues.

Ein weiterer möglicher Grund, weniger enttäuscht als vielmehr sauer zu sein, sind die sowohl was Personal als auch den Zeitpunkt angeht teilweise bizarr anmutenden Auswechslungen, die Trainer Lucien Favre vornimmt. Man darf aber getrost davon ausgehen, dass der Ausbruch des Sportdirektors nicht darauf gemünzt war. Und was sollte Favre auch tun? Der Blick auf die Ersatzbank bedeutet derzeit Trostlosigkeit. Kein Akteur, dem man zutraut, dem lahmenden Spiel des Teams entscheidende Impulse zu verleihen. Die Borussenbank anno 2014 erlaubt bei Bedarf die Stärkung der Defensive, nicht aber ein Ankurbeln des Offensivspiels. Und genau daran krankt das Spiel der Mannschaft im Moment. Offen bleibt, warum Favre nach dem Ausgleich einen Offensivmann (Raffael) vom Platz nimmt und durch einen Defensivspieler (Nordtveit) ersetzt. Der Wechsel hätte vor dem Hoffenheimer Tor Sinn ergeben, danach war er schlichtweg absurd. Inwieweit es zielführend war, sich selbst durch zwei weitere Wechsel Zeit zu nehmen, darf man gerne diskutieren. Für das Spiel konnten Amin Younes und Peniel Mlapa jedenfalls nicht mehr tun, als die für sie ausgewechselten Hrgota und Xhaka. Monieren sollte man aber allenfalls, dass diese Wechsel überhaupt vorgenommen wurden. Sie vorher vorzunehmen, hätte vermutlich keinen positiven Effekt gehabt. Younes wirkt bei seinen Kurzeinsätzen immer wie ein Fremdkörper im Spiel, Mlapa ist den Nachweis seiner Bundesligatauglichkeit bislang schuldig geblieben – wobei er zugegeben auch kaum Gelegenheit dazu hatte. Die fehlende Qualität auf der Bank wirft die Frage auf, warum um alles in der Welt im Winter Luuk de Jong ersatzlos abgegeben wurde. Anstatt einer Antwort sei eine Anmerkung erlaubt: wäre er nicht abgegeben worden, hätte Favre ihn vermutlich trotzdem nicht spielen lassen.

Lucien Favre hat gegen Hoffenheim nach eigenen Angaben ein gutes Spiel gesehen. Hoffen wir, dass er das vor allem in der zweiten Hälfte beherzte Spiel des Gegners meinte. Oder, dass er nicht meint, was er sagt und zumindest wo es in seiner Macht liegt, bis zum nächsten Spiel etwas ändert.