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HSV„Beton. Es kommt drauf an, was man draus macht.“ So warb vor Jahren die Betonindustrie. Gedacht war das als Imagepolitur, Beton gewissermaßen als sexiest Baustoff alive. Was die Kölner und Gladbacher am Sonntag aus Beton machten war das ödeste rheinische Derby seit Menschengedenken und das erste torlose der Bundesligageschichte. Die Heimmannschaft gefiel sich in der konsequenten Verhinderung eines Fußballspiels, den Gästen gelang es nicht, eines zu erzwingen.

Ergebnismäßig ist alles im Reinen: Borussia ist ungeschlagen und steht in der berühmten Hans-Meyer-Rechnung bei plus/minus Null. In Sachen Spektakel neigt der bisherige Gladbacher Saisonverlauf aber zu Extremen: entweder rauschendes Fußballfest oder spielerische Ödnis. Selbst das rheinische Derby hätte sich von letzterem zu ersterem entwickeln können, falls Max Kruse kurz nach der Pause seinen Kopfball nur eine Handbreit weiter nach links platziert hätte. Hätten die Kölner irgendwann doch offensiv mehr riskiert, hätten sich die Räume ergeben können, die den Gladbacher Stärken so entgegenkommen. Blöderweise sind das vier „hätte“ in zwei Sätzen.

Vom „hätte“ zum „hat“ fehlte es der Borussia an Geistesblitzen. Dabei, und das gibt zu denken, stand offensiv schon fast die stärkste Mannschaft auf dem Platz, die der Kader zu bieten hat. Einzig Fabian Johnsons wiederholte Verwendung auf der linken offensiven Außenbahn sorgt für Verwunderung nicht nur bei Berti Vogts. Die plausibelste Erklärung ist, dass Lucien Favre vor Oscar Wendt einen Spieler haben möchte, der zwar offensive Qualitäten mitbringt, die Ausflüge des Schweden aber auch defensiv absichern kann. Bisher hat das in der Theorie besser geklappt als in der Praxis. Johnson, bei der WM als Rechtsverteidiger noch überragend, blieb auf der neuen Position erneut Fremdkörper im Gladbacher Offensivspiel

Die Suche nach der richtigen Balance auf den Gladbacher Außenbahnen ist keine einfache. Johnson nach rechts hinten, klingt logisch. Aber André Hahns Defensivbemühungen waren bislang oft zu ungestüm, als dass Hahn hinter sich ohne weiteres einen so offensiv denkenden Außenverteidiger wie Johnson vertragen würde. Weil andererseits Hahns offensive Wucht und Torgefahr der Borussia gut tut, spricht das eher für Korb als für Johnson. Oder Hahn nach links und Patrick Herrmann nach rechts? Herrmann war bei seinen letzten Einsätzen eine Belebung, und es war überraschend, wie spät er in Köln eingewechselt wurde.

Viel gelobt worden ist die Gladbacher Transferpolitik des Sommers für Verbesserungen in der Breite. Das stimmt und könnte sich im weiteren Saisonverlauf noch sehr bezahlt machen, gerade wenn die ersten ernsthaften Verletzungen eintrudeln sollten. In der Spitze ist die Borussia aber eher nicht besser besetzt als in der letzten Saison, und auch da tat sie sich gegen massierte Abwehrreihen schon schwer.

Eine solche kommt auch am Mittwoch in den Borussiapark. Natürlich kam aus Gladbacher Sicht der Hamburger Trainerwechsel zur Unzeit. Unter Mirko Slomka taumelte der Club hilflos durch die Liga. Schon der Klassenerhalt der letzten Spielzeit darf als der vielleicht unverdienteste der Bundesligageschichte bezeichnet werden. Wenn eine Prüfung nur haarscharf bestanden wird, ist manchmal die Rede davon, das Auto habe sich auf vier platten Reifen durchs Ziel geschleppt. Aber selbst das würde dem Hamburger Klassenerhalt zu viel Ehre an tun. Ein passenderes Bild wären drei Autos, die gemeinsam zehn Meter vor dem Ziel in ihre Einzelteile zerfallen und sich so hartnäckig keinen Millimeter mehr bewegen, dass am Ende die Ziellinie zu dem minimal am weitesten vorne platzierten Haufen aus Schrauben, verbogenem Blech und durchgeschmorten Kabeln getragen werden musste.

In Hamburg war man darauf fest entschlossen, es soweit nie wieder kommen zu lassen. Die Ausgliederung der Profi-Abteilung, die Rückkehr von Dietmar Beiersdorfer und Betriebsamkeit auf dem Transfermarkt waren die Folge. Trotz des Theaters um Hakan Calhanoglou, der seinen Wechsel nach Leverkusen mit Kurtscher Unverforenheit erzwang, wuchs so an der Elbe der Optimismus. Vor allem die feste Verpflichtung Pierre-Michel Lasoggas, in der letzten Saison in der Hamburger Lokalpresse schon als möglicher Bundesliga-Torschützenkönig gehandelt, hellte die Gesichter auf. Zahlreiche Spieler kamen mit Stammplatzpotential: Matthias Ostrzolek und Cleber für die Abwehr, Valon Behrami für die Sechserposition, Nicolai Müller, Lewis Holtby und Julian Green für die Offensive.

Personell runderneuert, zeigte der HSV auf dem Spielfeld aber das gleiche Gesicht wie in der letzten Saison. Im Pokal konnte man gegen Zweitligaabsteiger Cottbus zwar mit Ach und Krach im Elfmeterschießen noch eine Erstrundenblamage verhindern. In der Liga aber blieb man in vier Partien hintereinander ohne jeden Treffer: 0:0 in Köln, 0:3 zuhause gegen Paderborn, 0:2 in Hannover und 0:0 gegen Bayern München.

Die letzte Nullnummer aber löste geradezu Euphorie aus. Wenige Tage zuvor hatte der Verein sich von Mirko Slomka getrennt und U23-Coach Joe Zinnbauer zum Cheftrainer befördert. Eine mutige, für Beobachter des Hamburger Fußballs aber nicht so überraschende Entscheidung. Zinnbauer hatte bei den HSV-Amateuren überragende Arbeit geleistet. Der Mann, der seine Fußballkarriere nach überschaubaren Erfolgen schon mit 26 beendet hatte und dann im Investmentgeschäft groß raus kam, gilt vor allem als glänzender Motivator. So fühlte sich auch Lewis Holtby vom neuen Chef vor dem Bayern-Spiel „richtig heißt gemacht“.

In der Tat trotzte der HSV der (freilich durch Rotation geschwächten) Münchner Startruppe ein torloses Remis vor allem dank seiner neu entdeckten Leidenschaft ab. Daneben zeigte vor allem Behrami als Mann vor der Abwehr eine überragende Leistung, auch die Innenverteidiger Djourou und Westermann, in der Vergangenheit oft genug für grobe Patzer gut, präsentierten sich aufmerksam und zweikampfstark.

Für die Borussia könnte es am Mittwoch also ein Déja vu geben: Wieder trifft sie auf einen Gegner, der sein Heil erst einmal in konsequenter Defensivarbeit suchen dürfte. In welcher Aufstellung das geschehen wird, verrätselte Zinnbauer zwar noch („Wir richten unsere Aufstellung auf den Gegner aus. Deshalb kann es auch nach einer guten Leistung Wechsel geben“). Sicher ist nur, dass die verletzten Ilicevic, Jansen und van der Vaart fehlen werden. In welcher Besetzung auch immer, ein Hamburger Sturmlauf aber wäre, gelinge gesagt, eine Überraschung. So gesehen, die zweite Gladbacher Chance binnen einer halben Woche, aus Beton mehr zu machen als ein 0:0.

Aufstellungen:

Borussia Mönchengladbach: Sommer – Johnson, Jantschke, Dominguez, Wendt – Xhaka, Kramer – Herrmann, Traore – Raffael, Kruse.
Hamburger SV: Drobny – Diekmeier, Djourou, Westermann, Ostrzolek – Behrami, Jiracek – Müller, Holtby, Stieber – Lasogga.

Schiedsrichter: Deniz Aytekin.
Assistenten: Benjamin Brand, Marco Achmüller.
Vierter Offizieller: Michael Emmer.

SEITENWAHL-Meinung:

Christoph Clausen: Ich hoffe auf mehr, befürchte aber eine weitere Nullnummer.

Thomas Häcki: Wenn der Gegner kompakt steht, wird es schwer. Da der HSV sein neues Heil in eben dieser Kompaktheit sucht, bleibt es beim 0:0.

Michael Heinen: Borussia tat sich zuletzt schwer gegen tief stehende Gegner. HSV-Trainer Zinnbauer wird das ebenfalls erkannt haben und seine Mannschaft entsprechend einstellen. Daher reicht´s für Borussia erneut nur zu einem 1:1-Unentschieden.

Christian Spoo: Ich erwarte "Köln reloaded", hoffe allerdings, dass Zirngiebel oder wie der heißt den Mauerfußball noch nicht so perfektioniert hat, wie Stöger. Deswegen gibts einen mühsamen 1:0-Sieg für Borussia.