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"Es war ein hartes Stück." Mit diesem Urteil über den mühsamen 2:1-Erfolg in Berlin stand Lucien Favre nicht alleine. Wieder einmal sehr spät erlöste sich die Mannschaft in einer Partie, die sie angesichts der deutlichen Überlegenheit schon viel früher für sich hätte entscheiden müssen. Am Ende zählen aber nur die wichtigen 3 Punkte und die Rückkehr auf Platz 3, die Borussia etwas Druck genommen hat vor dem vielleicht schon vorentscheidenden Duell mit Bayer Leverkusen am kommenden Samstag.

Noch nicht am Ziel

Die immer näher rückende Champions League sollte aber nicht vorschnell gefeiert werden. Trotz der überragenden Zwischenbilanz von jetzt schon 60 Punkten, trotz der konstant souveränen Spielweise und der Führung in der Rückrundentabelle ist bislang noch nichts erreicht außer dem sicheren Einzug in die Gruppenphase der Europa League. Noch immer besteht die nicht geringe Möglichkeit, am Ende im selben Wettbewerb starten zu müssen wie der BVB, was angesichts der gezeigten Saisonleistungen beider Vereine eine geradezu groteske Schlusspointe des Fußballgottes wäre.

Um dieses Horrorszenario zu vermeiden, stehen der Fohlenelf noch 3 schwierige Aufgaben bevor gegen Mannschaften, die ihr in der Vergangenheit so einige Probleme bereitet haben. Gegen Augsburg gab es in bislang 7 Bundesliga-Begegnungen erst einen einzigen Sieg. Noch beängstigender sind aber die Serien gegen Leverkusen und in Bremen, wo seit 1989 bzw. sogar 1987 kein einziger Sieg mehr errungen werden konnte. Mindestens zwei dieser Negativläufe sollten beendet werden, damit der große Traum von der Champions League Gruppenphase auf direktem Weg realisiert werden kann. In ihrer aktuellen Verfassung ist der Fohlenelf das absolut zuzutrauen, denn sie hat mehr Qualität als jede andere Borussen-Mannschaft seit eben jenen 1980er-Jahren, so dass Quervergleiche mit der Vergangenheit nicht mehr als ein lustiger Zeitvertreib für Statistik-Nerds sein sollten.

Bayern schenkt ab

Einfach wird es aber speziell am nächsten Wochenende nicht werden, wenn die nicht minder starken Leverkusener in den Borussia-Park reisen. Auch der große Konkurrent kann auf eine beachtliche Erfolgsserie zurückblicken, gewann er doch 8 der letzten 9 Bundesliga-Partien. Zuletzt wurde gar der deutsche Meister souverän mit 2:0 bezwungen, wozu dieser aber in nicht unwesentlichem Maße beitrug. Es ist nichts dagegen zu sagen, vor dem wichtigen Champions League Duell mit Barcelona 2-3 Stammspieler zu schonen. Selbstverständlich hätte auch die aufgebotene, mit diversen Topstars gespickte Bayern-Elf in Leverkusen etwas mitnehmen können. Speziell Mario Götze hätte dies im Alleingang erledigen können. Wenn aber Trainer Pep Guardiola wie schon im Vorjahr vor der Partie deutlich macht, dass die Bundesliga bereits beendet sei und damit keinen echten Stellenwert mehr besitzt und wenn dies dann noch mit dem Debüt zweier Amateurspieler bekräftigt wird, dann setzt dies ein verheerendes Zeichen und ist eine unverschämte Respektlosigkeit der gesamten Liga gegenüber. Es wäre auch von den stressgeplagten Bayern nicht zu viel verlangt gewesen, zumindest den Willen zu dokumentieren, diese Bundesliga-Partie ernst zu nehmen und gewinnen zu wollen. Mit den getätigten Aussagen und der Aufstellung hat Guardiola das Gegenteil getan und den Leverkusenern damit den Sieg auf dem Präsentierteller überlassen. Im vergangenen Jahr folgte die Quittung durch zwei deutliche Niederlagen gegen Real Madrid. Es ist nämlich für eine jede Mannschaft psychologisch nicht einfach, einen Negativlauf zu ignorieren und auf Knopfdruck wieder auf Hochleistung zu schalten. Durch die zwei Niederlagen haben die Bayern an Spannung verloren und gehen nunmehr mit Ballast in das ohnehin schwierige Spiel beim FC Barcelona. Sollte sich dort die Geschichte aus dem Vorjahr wiederholen, wird sich auch Pep Guardiola fragen lassen müssen, warum er aus den damaligen Fehlern nicht gelernt hat. Dies umso mehr, da er diese damals nachträglich öffentlich einräumte. Für Borussia käme dies aber ohnehin zu spät. Ein erneuter Punktverlust des größten Konkurrenten wäre viel wert gewesen. Dank der eigenen starken Leistungen ist man zum Glück aber nicht auf andere Vereine angewiesen, sondern hat es weiter selbst in der Hand, in die finanziell und sportlich lukrative Gruppenphase der Champions League einzuziehen.

Späte Treffer haben Methode

Dies verdankt Borussia wieder einmal einem späten Treffer zu einem Zeitpunkt, als viele Fans bereits anfingen, sich auf das Unentschieden einzurichten. In der Vorwoche gegen den VfL Wolfsburg wie auch gegen Stuttgart, Hamburg und Köln musste gar bis zum allerletzten Moment auf den entscheidenden Last-Minute-Treffer gewartet werden. Solch späte Tore werden immer auch als glücklich wahrgenommen. Borussia hatte dieses Glück in dieser Saison aber bereits so häufig auf ihrer Seite, dass es nicht mehr mit dem Zufall allein erklärt werden kann. Vielmehr steckt dahinter das System von Lucien Favre, der seiner Mannschaft kontinuierlich eintrichtert, bis zum allerletzten Moment und auch in kritischen Situationen mit notorischer Geduld weiterzuspielen, um dann doch noch im entscheidenden Moment überraschend zuzuschlagen.

Dies steht im krassem Gegensatz zu allem, was der gemeine Fußballfan und eine Vielzahl anderer Fußballlehrer für einzig richtig erachten. Schon jeder Computer-Manager lebt seit Urzeiten vor, dass bei einem Rückstand spätestens ab der 60. Minute offensiv gewechselt und die Taktik auf "Brechstange" umgestellt werden muss. Die Gefahr, daraufhin in einen Konter zu laufen, gilt es zu akzeptieren, um die letzte Hoffnung auf eine positive Wende am Leben zu erhalten.

Wie anders stellt es sich hingegen dieser Tage in der Realität der Borussia dar?! Selbst in der 120. Minute in Bielefeld wurde lieber noch der gepflegte Kurzpass im Mittelfeld gesucht anstatt den Ball irgendwie hoch in den gegnerischen Strafraum zu bugsieren. Das Beispiel zeigt, dass dies nicht immer von Erfolg gekrönt sein muss. Erstaunlich oft ist es das aber, wie sich in den letzten Wochen eindrucksvoll zeigte.

Borussia hatte in den beiden letzten Partien auch schon vor den siegbringenden Treffern eine gute Partie bestritten. Die so gefürchtete Wolfsburger Offensive kam zu keiner allzu gefährlichen Großchance und lediglich bei zwei Schüssen aus der Distanz in Tornähe. Mit der Hertha hatte die Borussen-Defensive zeitweilig zwar etwas größere Probleme, was angesichts des Ausfalls der beiden besten Abwehrspieler nicht überraschen darf. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, hatte die Fohlenelf aber auch in der Hauptstadt das Geschehen im Griff und hätte mit etwas mehr Zielstrebigkeit und Effizienz sogar den Nachteil der gegenüber Bayer schlechteren Tordifferenz ausgleichen können.

Favre knows best

Wie schon gegen Wolfsburg nutzte Favre lange Zeit nicht einmal seine Wechseloptionen, um frische Kräfte zu bringen und ggf. für zusätzliche Belebung zu sorgen. Die hochwertigen Offensivoptionen Traoré, Hazard, Hahn und Hrgota kamen erst nach der 70. Minute oder blieben sogar bis zum Schlusspfiff auf der Bank. Das Opfern eines Defensivspielers zugunsten einer offensiveren Variante ist für Favre ohnehin nur eine Option für den absoluten Notfall und widerspricht seiner Grundüberzeugung, dass sich Geduld doch häufiger auszahlt als blinder Aktionismus. Da Geduld nicht gerade die Urtugend des hochemotionalisierten Fußballfans ist, fällt es diesem manchmal schwer, das zu akzeptieren. Da werden die allzu späten und vermeintlich zögerlichen Wechsel des Übungsleiters kritisiert. Nicht zuletzt die Last-Minute-Treffer dieser Saison geben dem Schweizer aber Recht. Und wer weiß: Vielleicht könnte es sogar sein, dass Lucien Favre am langen Ende dann doch noch mehr Fußballsachverstand mitbringt als wir Fußballfans.