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FC St. PauliDorffestcharakter, ein lauer Sommerkick gegen einen Fünftligisten, hoch gewinnen und keine Verletzten. So stellt man sich als Bundesligist den idealen Start in eine DFB-Pokal-Saison vor. Man muss schon ins Jahr 2008 zurückgehen, als Borussia dieses Szenario zuletzt erlebte. Christian Wulf war noch Ministerpräsident in Niedersachsen, Tebartz van Elst wurde Bischof von Limburg, Barack Obama President elect der USA. Roland Koch verlor sein Regierungsamt in Hessen, die Deutsche Post ihr Briefmonopol, Lehman Brothers die Solvenz. Und Borussia siegte in der ersten Pokalrunde bei Fünftligisten Fichte Bielefeld mit 8:1. Beste Torschützen waren Marin und Colautti, in der Abwehr spielte Jaurès, im Mittelfeld Svärd.

Seitdem meinte es die wechselnden Losfeen mit den Gladbachern weniger gut. Die im Topf befindlichen Fünft- oder gar Sechstligisten wurden anderen zugeteilt. Borussia bekam es vereinzelt mit Regionalligisten, häufiger aber mit Gegnern aus den Profiligen zu tun: FSV Frankfurt, Erzgebirge Aue, Jahn Regensburg, Darmstadt 98 und jetzt eben St. Pauli. Alles Aufgaben mit unzureichendem Wellness-Faktor.

Dafür aber gleich viel Atmosphäre: Kiez, Kicker und Kult: Die beliebte Tripel-Alliteration kommt nicht von ungefähr. Dass die Stimmung am Millerntor unter der baulichen Runderneuerung nicht gelitten hat, wurde zum Saisonstart eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Dazu ein Flutlichtspiel, eine Live-Übertragung. Vielleicht doch ein noch schönerer Saisonstart als das „lauer Sommerkick“-Szenario? Hängt vom Ausgang ab.

Natürlich ist eine Mannschaft, die es in dieser Spielzeit mit Gegnern wie Barcelona, Chelsea oder Manchester zu tun haben könnte (während man sich in Dortmund über einen Sieg gegen den Wolfsberger AK ein Loch in den Bauch freut), gegen einen Zweitligisten klar favorisiert. Aber leicht ist trotzdem anders. Was Euphoriewellen ausrichten können, hat die Borussia in der Vergangenheit selbst freudvoll erlebt. Es wäre verfrüht zu behaupten, dass der FC St. Pauli schon auf einer solchen reitet, aber die Strömungen sind günstig. Erst die Rettung in der Liga nach fulminantem Schlussspurt, dann ein guter Start in die neue Saison mit einem Remis gegen Bielefeld (nicht Fichte, sondern Arminia; die Arminia, die Borussia letzte Saison aus dem Pokal warf) und einem Sieg beim Fast- Bundesligisten Karlsruher SC
War die erste Partie noch durchwachsen – nach vorne fiel St. Pauli wenig ein und hinten musste man sich am Ende bei Torwart Himmelmann bedanken, der das torlose Remis festhielt – so konnte sich das Team von Ewald Lienen in Karlsruhe erheblich steigern. Der Sieg war vollauf verdient und hätte bei clevererem Umgang mit den eigenen Konterchancen noch deutlich höherer Erfolg ausfallen können. Vor allem defensiv überzeugten die Paulianer mit einer kompakten und konzentrierten Leistung, die, wie es Innenverteidiger Lasse Sobiech ausdrückte, eine „gewisse Härte“ nicht verleugnete. „Brutal gut“, fand Ewald Lienen, meinte es aber wohl nicht so, wie es in diesem Zusammenhang klingt.

Der Auswärtserfolg war dreifach bemerkenswert: Weil der KSC in den letzten Jahren eher in der Kategorie „St. Pauli-Anstgegner“ angesiedelt war. Weil der Kiez-Club in der letzten Saison die schlechteste Auswärtsbilanz der Liga hatte. Und weil Linksverteidiger Marcel Halstenberg den Ball mit seinem rechten Fuß aus der Distanz ins Tor knallte, was bislang ähnlich häufig vorkam wie Hattricks von Max Eberl.

Eine Euphoriewelle? Nein, diese Erwartung zu dämpfen, gaben sich alle Beteiligten hinterher redlich Mühe und verwiesen auf die relegationsbedingt verkürzte Saisonvorbereitung der Karlsruher. Aber immerhin „ein Fingerzeig“ (Sobiech).

Borussia hat es also am Montag mit einer kampf- und defensivstarken, von Erfolgserlebnissen gestärkten und einem begeisterungsfähigen Publikum angetriebenen Mannschaft zu tun. Kein Selbstgänger, aber dennoch natürlich eine bewältigbare Aufgabe. Vor allem offensiv ist bei Pauli noch einiger Sand im Getriebe: Lennart Thy, in der Schlussphase der letzten Saison Schütze entscheidender Tore, sucht nach seiner Effizienz und auf Sonntagsschüsse oder Kopfballtore eines Innenverteidigers wie in Karlsruhe wird man sich nicht immer verlassen können. Schwer trifft Pauli auch der Ausfall von Neuzugang Ryo Miyaichi, den man als Mann fürs Kreative eingeplant hatte. Der Japaner konnte sich zuvor bei Arsenal und Enschede nicht durchsetzen, galt am Millerntor aber als Hoffnungsträger. Erste Eindrücke aus der Vorbereitung waren vielversprechend, dann riss das Kreuzband. In Karlsruhe war vor allem der junge Sebastian Maier mit immensem, teils rustikalem Einsatz und mächtigen Distanzsschüssen Antreiber des Offensivspiels, die hohe Fußballkunst ist das Seine aber noch nicht.

Mo DahoudBei der Borussia gibt es ein personelles Déjà vu. Schon letzte Saison musste Lucien Favre in der ersten Pokalrunde auf Max Kruse und Christoph Kramer verzichten, damals verletzungs-, jetzt wechselbedingt. Ob André Hahn als Sturmspitze in Frage kommt, entscheidet sich wohl erst beim Abschlusstraining, Tendenz: zumindest nicht von Beginn an. So hat Favre für die Position vor Raffael die Wahl zwischen Drmic und Stindl (und vergessen wir nicht Hr …, ach lassen wir das). Die Entscheidung ist keine leichte: Einerseits harmonierte Stindl mit Raffael gegen Porto erfreulich gut, andererseits schien der Neuzugang aus Hannover noch stärker, wenn er aus Tiefe kommen konnte. Letzteres würde für einen Einsatz als zweiter Sechser neben Granit Xhaka sprechen. Andererseits: Wann Mo Dahoud ins kalte Wasser werfen, wenn nicht nach einer solch überzeugenden Vorbereitung? Auf den Flügeln geht an Traoré aktuell kaum ein Weg vorbei, Herrmann ist sein wahrscheinlichstes Pendant.

Martin StranzlMalad ist weiterhin Martin Stranzl. Diese Nachricht löst bei Freunden der Gladbacher in der Regel und mit gutem Grund Unruhe bis Panik aus, die souveränen Leistungen von Andreas Christensen und Marvin Schulz in der Vorbereitung sind aber dazu angetan, diese zu mindern. Christensen ist nach den letzten Eindrücken quasi gesetzt, ob Brouwers (wahrscheinlicher) oder Dominguez (unwahrscheinlicher) statt Schulz an seiner Seite agieren, offen. In welcher Besetzung auch immer: Der zu erwartende heiße Kampf am Millerntor ist zu gewinnen, natürlich. Im Fichte Bielefeld-Modus würde er ganz sicher verloren.

FC St. Pauli: Himmelmann – Nehrig, Sobiech, Gonther, Halstenberg – Alushi, Rzatkowski – Sobota, Maier, Buballa – Thy.
Borussia Mönchengladbach: Sommer – Jantschke, Brouwers, Christensen, Wendt – Xhaka, Dahoud – Traoré, Herrmann – Raffael, Stindl.

Schiedsrichter: Florian Meyer.
Assistenten: Christoph Bornhorst, Stefan Lupp.
Vierter Offizieller: René Rohde.

SEITENWAHL-Prognose

Christoph ClausenUnangenehmer Gegner, harter Kampf, am Ende reicht es aber zu einem 2:0.

Christian Spoo: Borussia kommt schlecht aus den Startblöcken. Pauli mauert, Gladbach tut sich schwer. Das Spiel geht in die Verlängerung - am Ende steht es 0:0. Wer die folgende Elfmeterlotterie gewinnt, mag ich nicht prognostizieren.