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Mit 45 Minuten Verspätung ist Borussia vergangenen Montag in die Saison gestartet. Nach dem letztlich überzeugenden 4:1-Sieg beim FC St. Pauli wartet am Samstag mit dem BV09 aus Dortmund eine ungleich größere Bewährungsprobe auf die ebenso neu formierte wie junge Elf von Lucien Favre. Der westfälische Gegner ist unter neuer Führung hoch motiviert, die trostlose Vorsaison endgültig vergessen zu lassen. Was würde da besser passen als ein Heimsieg im Spitzenspiel gegen einen Mitkonkurrenten um die europäischen Plätze?!

Aus der schwachen Saison 2014/15 ziehen die Dortmunder immerhin den Vorteil, jetzt bereits mit 3 Pflichtspielen im Gepäck in die Bundesliga-Saison starten zu können. Gerade die Viererkette hat sich in diesen Partien sowie in der vorherigen Vorbereitung konsequent eingespielt und kassierte bislang noch kein einziges Gegentor. Auch für sie folgt jetzt der erste echte Prüfstein der noch jungen Saison, denn weder der Chemnitzer FC noch der Wolfsberger AC gehören zur internationalen Spitzenklasse. Selbst wenn manche Medienprodukte dies in ihrer allzu sensationslüsternen Berichterstattung über das Europa League-"Testspiel" zu suggerieren versuchten.

Im Tor wird wohl erst Samstag nachmittag die Nominierung von Roman Bürki offiziell verkündet. Dabei wird diese Entscheidung in den Überlegungen des Trainerteams schon seit längerem feststehen. Anderslautende Aussagen von Thomas Tuchel dürften alleine zur Beruhigung der zukünftigen Nr. 2 dienen. Der verdiente und bei den Fans beliebte Roman Weidenfeller soll zumindest das Gefühl bekommen, eine echte Chance erhalten zu haben und nur ganz knapp an der Nr. 1 vorbeigestrichen zu sein. Wer allerdings die Torwartleistungen der vergangenen Spielzeit verfolgt hat, der kann den Routinier nicht ernsthaft als gleichwertigen Konkurrenten für Bürki sehen. Der Ex-Freiburger spielte eine überragende Saison, die sehr nah an die Leistungen seines Landsmanns im Dress der Borussia herankam. Auf dem Niveau hat Weidenfeller in seiner 16jährigen Karriere nur eine einzige Spielzeit lang gehalten - diese Topleistungen der Saison 2012/13 beförderten ihn zum Medienliebling und über den öffentlichen Druck später in den Kader von Jogi Löw. Was zur Folge hatte, dass er sich jetzt ebenso wie seine Mitspieler Durm, Großkreutz und Ginter als Weltmeister bezeichnen darf, obwohl diese Akteure zum Titelgewinn so viel beigetragen haben wie Sinan Kurt zur letztjährigen Meisterschaft des FC Bayern.

Weidenfellers sonstige Leistungen im vergangenen Jahrzehnt waren konstant ordentlich, lagen aber nicht nur was das moderne Torwartspiel angeht deutlich unter den regelmäßigen Topleistungen von Jungkeepern wie ter Stegen, Leno oder eben Bürki. Letzterer wird jetzt auch auf höherem Niveau konstant beweisen dürfen, dass er tatsächlich zu den internationalen Toptorhütern gehört. Das Potential dafür hat er weitaus mehr als es ein Weidenfeller je hatte und erst recht als ein Mitch Langerak, der inzwischen nach Stuttgart abgeschoben werden konnte.

Das Duell der Schweizer Nationalkeeper wird aber nicht das einzig spannende Aufeinandertreffen sein. Auch Marco Reus und Patrick Herrmann könnten sich endlich mal wieder auf dem Platz gegenüberstehen. Beim letzten Aufeinandertreffen im vergangenen April war der Dortmunder nicht spielfähig, während der Gladbacher eines der besten Spiele seiner bisherigen Karriere absolvierte. Unvergessen Herrmanns Sololauf über den gesamten Platz, mit dem er das 2:0 vorbereitete. Möglich, dass sich Lucien Favre an diese Situation erinnert, wenn er über die Besetzung seiner Offensive nachdenkt. Allerdings stellte der Coach zuletzt heraus, dass Herrmann - wie so oft zu Beginn einer Saison - nicht in absoluter Topform aus dem Urlaub gekommen ist, was eher gegen einen Einsatz von Beginn an spricht.

Auf den Außenbahnen scheinen ohnehin der derzeit überragende Ibrahima Traoré und der defensiv mit Oscar Wendt perfekt harmonierende Fabian Johnson gesetzt. Die Rotation dürfte hier erst mit Beginn der Champions League einsetzen. Für Herrmann bliebe dann noch die Möglichkeit, sich in der Zentrale zu beweisen und den im Pokal glücklosen Drmic zu ersetzen. Auf dieser Position sieht Favre zwar eigentlich eher André Hahn als Kandidaten. Der fällt aber verletzt aus und scheint derzeit ohnehin etwas hinter der Konkurrenz zurückzustehen. Anstelle des unfitten Herrmann könnte somit auch Thorgan Hazard seine Chance erhalten. Beim brillanten 4:1-Treffer am Montag funktionierte das Zusammenspiel mit Raffael so gut, dass Favre es dieses Mal von Beginn an austesten könnte.

Aber auch Lars Stindl blühte nach dem Seitenwechsel in offensiverer Rolle erst so richtig auf und harmonierte speziell mit Traoré dermaßen gut, dass er ebenfalls für eine etwas defensivere Doppelspitze mit Raffael in Frage kommt. Die 6er-Position neben Xhaka könnten dann z. B. Mo Dahoud oder Andreas Christensen bekleiden, die diese Rolle defensiver interpretieren und so die starke Mittelfeldzentrale der Dortmunder einbremsen könnten.

Vermutlich werden aber erneut die erfahrenen Stindl/Xhaka auf der Doppelsechs zum Einsatz kommen. Gegen St. Pauli ging dies letzten Endes gut, weil die beiden offensiv mehr richtig machten als defensiv falsch. Die Verteidigung stand aber insgesamt selbst gegen den Zweitligisten nicht so unfehlbar wie es diverse Medienartikel dieser Tage glauben machen wollten. Von der Solidität, die Borussia insbesondere in der vergangenen Rückrunde auszeichnete, war sie jedenfalls noch weit entfernt. Die Rekordanzahl von 7+3 Gegentoren darf aber auch kein Maßstab sein, an dem die neubesetzte Viererkette gemessen werden sollte.

Christensen und Schulz haben sich mit ihrem engagierten Pokalauftritt aber zweifelsohne weitere Chancen verdient. Ob dies ausgerechnet schon bei einem der schwersten Saisonspiele im Signal-Iduna-Park der Fall sein muss, ist eine der schwierigeren Entscheidungen, die Favre zu treffen hat. Die Routiniers Stranzl und Dominguez stehen verletzungsbedingt nicht zur Verfügung. So blieben noch Roel Brouwers und Tony Jantschke, die etwas mehr Erfahrung in die anspruchsvolle Begegnung einbringen könnten. Julian Korb würde den Teilzeit-Kapitän dann auf der rechten Seite vertreten.

Anders als der BVB, der defensiv seine Bestbesetzung schon gefunden zu haben scheint, muss Favre noch nach den geeignetsten Zutaten für seinen Abwehrkuchen suchen. Neben Reus werden insbesondere noch Aubameyang sowie der sich aktuell in Hochform befindliche Mkhitaryan darauf aus sein, den jungen Fohlen Lehrgeld auszuzahlen. Offen ist beim BVB nur noch die Frage, wie die Mittelfeldzentrale optimal besetzt werden kann. Kagawa und Kampl werden sich vermutlich zunächst auf der Bank wiederfinden. Sven Bender musste im Pokal angeschlagen ausgewechselt werden, kann durch Julian Weigl aber problemlos ersetzt werden. Das 19jährige Talent kam von den Münchener Löwen und hat sich sofort gut in die BVB-Elf eingefunden. Auch Gonzalo Castro ist als deutliche Verstärkung zu erachten. Diese beiden viel versprechenden Sechser werden den Abgang von Sebastian Kehl mehr als nur gleichwertig ersetzen können. Da auch auf der Torhüterposition eine Leistungssteigerung eingekauft wurde, ist die Mannschaft gegenüber der Vorsaison besser aufgestellt. Wenn es Thomas Tuchel jetzt noch gelingt, die offensichtlichen Probleme im Mannschaftsgefüge besser in den Griff zu bekommen als es zuletzt Jürgen Klopp gelungen war, steht einer Rückkehr des BVB in die absolute Spitzengruppe nicht mehr viel entgegen.

Borussia muss sich nicht nur aufgrund der starken 2. Halbzeit auf St. Pauli hinter keinem Bundesliga-Team verstecken und sollte auch in Dortmund selbstbewusst auftreten. Selbstbewusster jedenfalls als es letztes Jahr der Fall war, wo selbst bei den kriselnden Westfalen ein allzu devotes Verhalten an den Tag gelegt wurde und die Niederlage mit 0:1 noch relativ glimpflich ausfiel. Überhaupt gingen 8 der letzten 9 Partien im Signal-Iduna-Park verloren. Es wird also mal wieder Zeit, eine Negativbilanz zu tilgen - eine Disziplin, in der sich die Fohlenelf zuletzt in ganz hervorragender Manier ausgezeichnet hat.

Dortmund: Bürki - Piszczek, Sokratis, Hummels, Schmelzer - Reus, Weigl, Gündogan, Castro, Mkhitaryan - Aubameyang

Borussia: Sommer - Jantschke, Schulz, Christensen, Wendt - Traoré, Stindl, Xhaka, Johnson - Raffael, Hazard

Seitenwahl-Tipps

Michael Heinen: "Der Gegner kommt zur falschen Zeit. Borussia muss sich gerade in der Defensive erst noch finden, was gegen die stärkere BV09-Offensive nur bedingt gelingt. Am Ende steht ein unglückliches 2:3 aus Sicht der echten Borussia."

Christian Heimanns: "In einem guten Spiel zweier starker Mannschaften holt die erstgeborene Borussia ein 2:2 heraus."

Christian Spoo: "Dortmund glaubt wieder an sich, was grundsätzlich schade, am Samstag für Borussia aber ganz konkret ungünstig ist. Der Tuchel-euphorisierte BvB gewinnt mit 3:1."

Christoph Clausen: "Noch im Urlaub verpasst Jürgen Klopp eine gute Leistung seines Ex-Teams. Weil aber der Gegner nicht minder stark ist, trennen sich beide am Ende mit 1:1."