Es war kein schöner Samstag für alle Freunde der Borussia. Zuvorderst die unglückliche 1:2-Niederlage gegen den VfL Wolfsburg vermieste die Laune. Anschließend musste aber zu allem Überfluss noch das seit einigen Jahren elendig zum vermeintlichen "Klassiker" aufgeblasene Duell der derzeit stärksten deutschen Vereinsmannschaften ertragen werden. Die aus mehreren Gründen unglückselige Niederlage der Bayern gegen Mainz schien die Bundesliga für 3 Tage wieder vermeintlich spannend zu machen. Die nach Sensationen gierenden Medien nahmen das Geschenk dankbar an und pressten aus der Situation den letzten Rest an vermeintlichem Nervenkitzel - wohl ahnend, dass es für diese Saison der wohl letzte Spannungsmoment in Sachen Meisterschaft sein würde.

Das 0:0 bestätigte diese Ahnung, denn 5 Punkte Vorsprung sind realistisch kaum aufzuholen in einer Welt der Großkopferten, in der Punktverluste so selten sind wie ein echter Hoffenheim-Fan. Noch 2012 bejubelten die Dortmunder einen Bundesliga-Rekord, als sie mit 81 Punkten die meisten Punkte holten, die bis dato je ein Deutscher Meister eingefahren hatte. Schon ein Jahr später wurden sie von den Bayern noch einmal um gleich 10 Punkte übertrumpft. Seitdem hat man sich daran gewöhnt, dass es schon mindestens 80, wenn nicht gar 90 Punkte sein müssen, um den Titel zu erlangen. Ein Wert, den realistischerweise nur diese beiden Topklubs erreichen können.

Das gestrige Topspiel bot zweifelsohne sehr ansehnlichen Fußball zweier hochklassiger Mannschaften. Weniger verständlich war aber die Überraschung, mit der sich Medien und soziale Netzwerke daran ergötzten. Selbsterklärend standen dort 22 der technisch und taktisch besten Fußballer der Liga auf dem Platz und es wäre schon eher einer Sensation gleichgekommen, wenn die sich ein Fehlpassfestival a la Köln - Frankfurt geliefert hätten. Abgesehen davon, dass man hohes Tempo, feine Technik und gute Taktik von diesen Akteuren als Selbstverständlichkeit erwarten muss, war es nicht mehr als ein ordentliches 0:0 mit einer überschaubaren Anzahl zwingender Torchancen. Das absolute sportliche Highlight der Saison war es aber nur für die Freunde des Hypes und der Effekthascherei.

Rechnet man die aktuellen Punktzahlen der beteiligten Teams auf eine ganze Saison hoch, so werden die Bayern mit 86 und der BVB mit 79 Punkten die Spielzeit beschließen. Schon jetzt haben beide Teams 16, bzw. 21 Punkte Vorsprung auf Platz 3 - ein Bild, das sich selbst bei einem Sieg der Hertha in Hamburg heute nachmittag nur marginal verbessern wird. Das mediale Gipfeltreffen zeigte aber eins ganz deutlich: Die Öffentlichkeit scheint durch die einseitige Überlegenheit der Bayern in den vergangenen Jahren mittlerweile selbst nach den einst so gefürchteten "spanischen Verhältnissen" zu lechzen und würde es dankend annehmen, wenn es wenigstens noch einen zweiten Verein gäbe, der mit den Bayern mithalten kann. Der BVB wies gestern insbesondere in Hälfte 2 nach, dass ihm dazu noch einiges fehlt. Wenn es ihm nicht gelingen sollte, diesen letzten Schritt zu gehen, werden die Medien in einigen Jahren zur Not auf ein Kunstprodukt wie RB Leipzig hoffen. So wie schon im Vorjahr verzweifelt versucht wurde, dem VW-Farmteam aus Wolfsburg eine ernsthafte Verfolgerrolle anzudichten.

Es steht außer Frage, dass der BVB in den vergangenen Jahren vieles richtig gemacht hat, von der Einkaufspolitik bis hin zur Auswahl der Trainer. Ohne die regelmäßig sprudelnden Champions-League-Gelder wäre es aber Utopie, jemals in solche Sphären vorstoßen zu können, geschweige denn sich dort zu halten. Für Mannschaften wie Borussia oder gar Mainz ist es nicht unmöglich, temporär in die obere Tabellenregion zu gelangen und um die CL-Plätze zu kämpfen. Das Beispiel der Gladbacher Borussia zeigt, dass mit extrem kluger Vereinsführung und einer glücklichen Verquickung günstiger Umstände vieles möglich ist. Mit jedem Jahr, in dem die Topklubs aber 4-5fach so hohe Umsätze generieren wie der durchschnittliche Rest wird es aber zunehmend schwieriger, die dadurch entstehenden Wettbewerbsnachteile auszugleichen. Sollte dies gelingen, so ist zudem absehbar, dass den finanziell schlechter gestellten Teams die besten Spieler, Trainer und Manager weggekauft werden. Denn auch ein kluges Management  ist letzten Endes käuflich, wenn man nur genügend russisches Gas in der Hinterhand hat.

Fußball-Deutschland wird sich entscheiden müssen, ob es langfristig 2-3 internationale Topklubs vorweisen möchte, die Deutschland im Europapokal gut vertreten und national dominieren oder ob eine spannende und halbwegs gleichmäßig starke Bundesliga erstrebenswerter ist. Zu 100% fairen Wettbewerb wird es ebenso wenig geben wie der Videobeweis niemals 100%ige Gerechtigkeit wird herstellen können. Die Deutsche Fußball Liga - bzw. mindestens 30 der 36 dort vertretenen Profiklubs - sollte aber ein ureigenstes Interesse daran haben, die Voraussetzungen für so viel Wettbewerb wie irgend möglich zu schaffen. Es ist ein Phänomen, das sich auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen immer wieder zeigt, wie es der reichen und mächtigen Minderheit weniger Topklubs regelmäßig gelingt, ihre Interessen gegenüber der Mehrheit durchzusetzen.

Die Verteilung der TV-Gelder, die in dieser Frage regelmäßig als Gradmesser des vermeintlichen Wettbewerbs herhalten muss, ist dabei nur ein ganz kleiner Tropfen auf dem glühend heißen Stein. Die keinesfalls selbstverständliche Vorgehensweise, den erfolgreichsten Teams das meiste Geld zu geben, wurde ohnehin noch nie in Frage gestellt. Die weniger erfolgreichen Vereine begnügen sich in der Debatte allein schon mit der allzu devoten Forderung, dass ihnen nicht allzu viel weniger verabreicht wird. Neben den nationalen TV-Einnahmen sind es zudem solche aus Marketing oder Merchandising, die das Einkommen der ohnehin schon reichen und erfolgreichen Klubs im Vergleich zum Rest noch einmal deutlich mehren.

Die größten Verhinderungsparameter eines fairen Wettbewerbs sind aber derzeit die Aushebelung der 50+1-Regelung durch Vereinskonstrukte wie in Leipzig, Sinsheim, Wolfsburg und Leverkusen - aber auch z. B. in Hamburg und Gelsenkirchen - sowie die horrenden Geldzahlungen in der Champions League. Aufgelöst werden müsste dies idealerweise auf europäischer Ebene, um auch im Europacup den Wettbewerbsgedanken zu wahren. Die Unmöglichkeit, gemeinsame europäische Lösungen für dringliche Problemstellungen zu finden, wird derzeit aber bereits auf der politischen Bühne des Kontinents auf kläglichste Weise vor Augen geführt.

Im Fußball ist man gar nicht erst so naiv, eine solche europäische Lösung ernsthaft anzustreben. Vielmehr wird sich mit der Realität abgefunden, in den letzten Runden der Champions League und an der Tabellenspitze der großen Ligen stets dieselben Mannschaften wiederzufinden. Wenn alle 10 Jahre mal ein Leicester City auftaucht, wird dieses Phänomen frenetisch bejubelt. Wäre es aber nicht noch viel schöner, wenn solche Überraschungen eher die Regel als die Ausnahme wären und wenn nicht schon vor Beginn einer Saison zu 99% feststünde, wer am Ende oben landen wird?

Die Öffentlichkeit hat sich leider anders entschieden. Eine drastische Umverteilung der europäischen Gelder - insbesondere aus der Champions League - würde von den Medien nicht als Segen für mehr Wettbewerb, sondern als unfaire "Bestrafung" der leistungsstarken Teams wahrgenommen. Der in anderen Lebensbereichen so scharf kritisierte Turbo-Kapitalismus ist im Fußball hoffähig geworden und wird als unvermeidliches Faktum angenommen. Dabei zeigen ausgerechnet die USA als Vorreiter des kapitalistischen Systems, dass es im Sport auch anders geht - mit Salary Caps und Drafting Systemen, die den finanzschwächeren Teams Möglichkeiten bieten mitzuhalten. Es ist traurig, dass solche Diskussionen im eigentlich stärker sozial-marktwirtschaftlich geprägten Europa nicht ernsthafter geführt werden.