Kunstrasen, fehlender Spielrhythmus, Abgänge, Ausfälle, Auswärtsspiel; das alles konnte Borussia Mönchengladbach kompensieren und in Bern gegen die Young Boys mit 3:1 gewinnen. Der Sieg der besseren Mannschaft dürfte außer Frage stehen; dass die bessere Mannschaft mehr Glück hatte, ebensowenig. 2012 stand Borussia Mönchengladbach zum ersten Mal in der Qualifikation zur Champions League. Damals wollten die Gladbacher mit einer neuformierten Mannschaft Dynamo Kiew im Hin- und Heimspiel euphorisch überrennen und wurden vom erfahreneren Team mit 1:3 abserviert.  Gestern, fast genau vier Jahre später, traten die Borussen als gesetztes Team und als Favorit in Bern an, blieben deutlich unter ihrer bestmöglichen Leistung und gewannen trotzdem mit 3:1.

Trainer Andre Schubert hatte seinen letzten Eindrücken vertraut und dabei etwas überraschend Strobl neben Kramer auf die Sechserposition gestellt und eine Dreierverteidigung ohne Vestergaard gebracht.  Das dabei entstehende 3-4-3 System deutet mit Wendt und Traoré auf den Außenbahnen eine grundsätzlich offensive Ausrichtung an, dabei war diese Aufstellung noch deutlich zurückhaltender als in der vergangenen Saison mit Xhaka und Dahoud zentral.


Gegen die offensiv schlagkräftigen aber ansonsten durchschnittlichen Berner zeigte sich dabei, dass die Borussen die Spielkontrolle hatten, wenn sie sie wünschten. Mit den zweikampfstarken Stindl und Raffael vor den vier Mittelfeldspielern kann vielen Gegnern der Spielfluss abgeschnitten und schnell zum Gegenangriff übergegangen werden. Im Lauf der weiteren Saison wohl eher mit Dahoud, obwohl Strobl eine solide Partie bot. Von der Spielweise her scheint Nordtveit perfekt ersetzt worden zu sein, mit allen Stärken und Schwächen.


Die Abwehr bietet allerdings noch Gelegenheit für so einige Überlegungen. Der Sieg in Bern war nicht nur durch Glück vorne gesegnet gewesen (das 1:2 von Hahn sieht im Nachhinein aus wie pures Abseits, das 1:2 durch Raffael wäre ohne eine heimische Hacke am Tor vorbeigegangen), sondern auch durch verpasste Chancen der Hausherren. Und gelegentlich kommt der Eindruck auf, dass die Dreierkette in Probleme gerät, sobald sie nicht hinreichend auf den Außenbahnen geschützt wird. Dabei wird es auch in Zukunft öfter (erneut) um diese Punkte gehen: Muss Oscar Wendt als einziger Außenbahnspieler links sich stärker defensiv orientieren, um die Innenverteidigung nicht zu entblößen? Ist Traoré auf der rechten Seite trotz unbändigen Einsatzes zu chaotisch und defensiv zu wenig in der Rolle? Ist die Mannschaft in einem 4-4-2 nicht sicherer aufgehoben?


Interessant wird es, wenn Dahoud zurück im Team ist. Favre musste sich regelrecht überwinden, ihn als enorm offensiven Sechser neben Xhaka aufzustellen, wobei die Variante unter Schubert dann überzeugt hat. Es wird aber auch in der nun beginnenden Saison darum gehen, die Balance nicht zu verlieren und das Spektakel der letzten Saison weniger abenteuerlich angehen zu lassen.


Ein weiterer Punkt wird früher oder später auch für Aufmerksamkeit sorgen. Die Borussen haben bisher selten, vielleicht nie, einen so breit aufgestellten hochklassigen Kader gehabt. Da sitzen Nationalspieler auf der Bank, kosten Ergänzungsspieler ihre 8 Mio. Euro, drängen hochkarätige Talente ins Team. In der sportlichen Klasse ein Traum für einen Trainer, der in drei Wettbewerben etwas beweisen will. Die Konkurrenz ist so hoch, dass nur Topleistungen in Spiel und Training dauernde Einsätze bringen werden. Dabei sollte nicht außer Acht bleiben, dass dieser Konkurrenzkampf nichts anderes als ein harter Verdrängungswettbewerb ist, der den Mannschaftsgedanken nicht gerade fördert. Erfolg hält so ein Team zusammen - oder, falls es sportlich gerade nicht hundertprozentig läuft, ein Trainer mit menschlichen Fähigkeiten, mit Führungsstärke und Autorität. Nebenbei auch Spieler wie Stranzl, die den Respekt der Kollegen haben und das Mannschaftsgefüge stärken.


Wenn alles gut läuft, ist der Erfolg groß genug, um alle Spieler im Dienst der Mannschaft zu halten. Oder, falls es doch mehr nach mittlerem Tabellenmittelfeld aussieht, ist die Struktur der Mannschaft gefestigt genug, auch Rückschläge zu überstehen, ohne dass enttäuschte Spieler sich hängen lassen. Wenn alle, oder wenigstens fast alle Spieler ihre Perspektive sehen, kann der Konkurrenzkampf die Mannschaft auf die richtige Drehzahl bringen, um in der Champions League zu bestehen und in der Bundesliga wieder vorne dabei zu sein.