VfB StuttgartÄrzte loben Wechselbäder als hautstraffend und kreislaufanregend. Mit diesem Gedanken könnten sich beide Teams, die sich am Dienstagabend im Borussia-Park gegenüberstehen, ihren bisherigen Saisonverlauf verbal aufhübschen. Bei der Borussia konnte man zu Saisonbeginn immerhin mit einiger Verlässlichkeit zwischen starken Leistungen zuhause und schwachen in der Fremde rechnen. Aber auch diese Vorhersehbarkeit gilt inzwischen nicht mehr: Zuhause gegen den HSV kam zwar aber auch einiges Pech dazu. Gegen einen Gegner, der zurzeit zu Recht am Tabellenende steht und im Borussiapark lange in Unterzahl spielte, agierten die Gladbacher aber spielerisch schlicht zu behäbig, um das Glück zu erzwingen. Auswärts zeigte die Borussia binnen weniger Tage zwei völlig verschiedene Gesichter: Einer rundum souveränen Leistung in Glasgow folgte ein blamabler Auftritt in München. Es war einer jener Fälle, in den man konstatieren muss: Man kann in München verlieren, natürlich, aber doch bitte nicht so.

Wechselbäder auch in Stuttgart. Unter dem neuen Trainer Jos Luhukay, der nach dem Abstieg als Wiederaufstiegs-Spezialist auserkoren worden war, startete man zuhause gegen St. Pauli erfolgreich und unterlag dann in Düsseldorf. Warmes Bad mit Auswärtssiegen in Heidenheim (im Pokal) Homburg (3:0), dann wieder eisiges Klima nach der Heimniederlage gegen Sandhausen. Nur vier Spieltage und Jos Jukuhay war Stuttgarter Geschichte.

Tiefgreifende und offen ausgetragene atmosphärische Spannungen mit Sportvorstand Jan Schindelmeiser trugen zu der so schnellen Trennung maßgeblich bei. Der war Luhukay offenbar ohne weitere Absprache vor die Nase gesetzt worden und hatte in Sachen Personalpolitik seine eigenen Vorstellungen verfolgt. Mit den so verpflichteten Spielern wiederum wusste der Trainer nur sehr bedingt etwas anzufangen, woraus er auch öffentlich kein Hehl machte. Diese Konstellation wäre schon bei anderen Protagonisten wenig krisentauglich gewesen. Sie war es umso weniger bei Jos Luhukay, der schon an früherer Wirkungsstätte nicht gezögert hatte, von sich aus Konsequenzen zu ziehen. So auch in Stuttgart, wo der Trainer sein Engagement aufkündigte und in die Niederlande zurückkehrte, nachdem er von Präsident Porth öffentlich kritisiert worden war und ein Schlichtungsversuch in Form eines runden Tisches zu Luhukays Unzufriedenheit verlaufen war.

Sein Amt übernahm Hannes Wolf, nachdem Interimslösung Olaf Janßen sich mit Siegen in Kaiserslautern und gegen Braunschweig ausgesprochen achtbar geschlagen hatte. Nach einem Remis in Bochum begeisterte Wolfs Heimdebüt das ansonsten schwer entflammbare Stuttgarter Publikum: „Oh, wie ist das schön“ brandete von den euphorisierten Gängen, als eine umformierte Stuttgarter Elf Greuther Fürth mit 4:0 besiegte und vor allem in der ersten Hälfte nach Belieben an die Wand spielte. Dabei hatten die Schwaben vorher noch mit der Spielterminierung gehadert: Am Montagabend war das Team neben Verletzungen auch durch diverse Länderspielabstellungen dezimiert. Doch gerade die Debütanten, die auch durch diesen Umstand in die Startelf fanden, sollten zu Matchwinnern avancieren.

Einiges war hinterher von nachträglicher Genugtuung gegenüber Jos Luhukay zu lesen: Der hatte etwa in seinem letzten Spiel auf der Trainerbank des VfB die Neuzugänge Carlos Mané (aus Lissabon ausgeliehen) und Benjamin Pavard (fest aus Lille verpflichtet) noch nicht einmal in den Kader berufen und ihre Verpflichtung öffentlich kritisiert. Schindelmeiser hatte sich gerade von diesen beiden Transfers, bei dem der VfB sich gegen hochkarätige Konkurrenz durchgesetzt hatte, viel versprochen. Gegen Fürth brauchte der Champions League-erprobte Mané nur vier Spielminuten für seine ersten beiden Saisontore und war auch danach von der Fürther Defensive kaum zu halten. Manés erster Tor wurde durch einen langen Ball von Innenverteidiger Pavard eingeleitet, wobei die Beobachter hinterher stritten, ob das Zuspiel genial oder doch eher unbeabsichtigt war. Keine solchen Zweifel gab es beim dritten Tor, das Pavard selbst per Kopf erzielte. Am Ende stand der Sprung auf Rang 3 und mehr als nur zaghafte Träume vom sofortigen Wiederaufstieg, auch wenn der neue Trainer sich hinterher redlich um verbale Mäßigung bemühte.

Er mochte eine Vorahnung gehabt haben: Im nächsten Spiel sollte es wieder eisig werden. Bei Dynamo Dresden ging der VfB mit 0:5 unter und Wolf hatte allen Grund, von einem „grausamen Spiel“ zu sprechen. Und auch der nachträgliche Dissens Luhukay-Schindelmeiser wurde um eine neue Facette erweitert: Wie um des Niederländers Bedenken doch noch zu rechtfertigen, lieferte Benjamin Pavard in der Abwehr eine indiskutable Leistung, während Carlos Mané im Angriff diesmal glücklos agierte und die Großchance zur möglichen Stuttgarter Führung ausließ.

Zumindest ansteigende Temperaturen schließlich am vergangenen Wochenende, als der VfB zuhause gegen 1860 München zwar nicht brillierte, aber insbesondere auch durch eine stabilisierte Defensive einen 2:1-Sieg relativ ungefährdet nach Hause fuhr. Wolf hatte zuvor verschiedentlich umgestellt, unter anderem Terodde und den jungen Öczan ins Angriffszentrum beordert (beide steuerten je einen Treffer bei) und Sunjic für Pavard in die Innenverteidigung. Für leichte Dissonanzen sorgte allenfalls Rechtsverteidiger Kevin Großkreutz, der seine Auswechslung mit sichtlichem Missfallen quittierte. Wolf wollte dies hinterher aber nicht zu hoch hängen.

Was am Dienstag vom VfB zu erwarten ist, lässt sich schwer prognostizieren. Nach Abstieg, Kaderumbau, Querelen in der Leitung und Rochaden auf der Trainerbank ist das Team noch sehr in der Findungsphase. Hochtalentierte Neuzugänge von außerhalb (Asano, Pavard, Mané) wie aus der eigenen Jugend (Öczan) können an guten Tagen höheren Ansprüchen genügen, müssen aber noch lernen, ihr Potenzial kontinuierlich auszuschöpfen. Defensiv sind die Stuttgarter oft ein unangenehmer Gegner: Selbst in Dresden ließen sie lange wenig zu, erst gegen Ende brachen alle Dämme.

Personell könnte bei den Schwaben Ginczek in die Startelf zurückkehren. Der schmerzlich vermisste Angreifer wurde nach langer Verletzungssaga behutsam aufgebaut und gegen 1860 erstmals immerhin eingewechselt. Mit Raffael und Hazard vermisst auch die Borussia Schlüsselspieler. Zwecks Stärkung des kreativen Moments in der Mittelfeldzentrale könnte Dahoud in die Startelf zurückkehren. Eine überlegenswerte, wenn auch mutige Rotationsvariante wäre Djibril Sow, der in der Vorbereitung ja durchaus gefiel. Wahrscheinlicher indes ist ein Startelfdebüt von Nico Schulz, der in München nach seiner Einwechslung wenigstens für etwas Belebung sorgte. In der Abwehr dürfte sich insbesondere Korb um eine Auszeit beworben haben; statt seiner ist mit Jantschke zu rechnen.

 

Aufstellungen:

Borussia Mönchengladbach: Sommer – Jantschke, Vestergaard, Elvedi – Kramer, Strobl – Herrmann, Dahoud, Schulz – Stindl, Hahn.

VfB Stuttgart: Langerak – Großkreutz, Subjic, Baumgartl, Insua – Zimmermann, Gentner – Asano, Mané – Öczan, Ginczek.

Schiedsrichter: Günter Perl.

SEITENWAHL-Meinung:

Christoph Clausen: Gegen einen defensiv gut sortierten Gegner wird das Spiel schwerer, als der Begriff „Pflichtaufgabe“ suggeriert. Am Ende bejubelt Borussia aber doch ein knappes 1:0.

Thomas Häcki: Irgendwie scheint bei der Borussia jeglicher Esprit verflogen zu sein. Das wird auch gegen ebenfalls höchst mittelmäßige Schwaben deutlich. Die Fohlen erarbeiten sich einen 2:1-Erfolg. Wenig glanzvoll, aber Hauptsache weiter.

Michael Heinen: Aus den letzten zehn Heimspielen gegen den VfB gab es nur einen Sieg. Wollen wir hoffen, dass das 4:0 aus dem letzten März das Ende dieser Serie besiegelt hat. Um dies zu unterstreichen, setzt sich Borussia im Pokal mühsam, aber erfolgreich mit 2:1 nach Verlängerung durch. Elfmeterschießen wäre irgendwie auch doof gewesen.

Claus-Dieter Mayer: Gegen forsch auftretende Schwaben tut sich der VfL lange schwer. Die einzig gelungene Kombination des Abends nutzt letztendlich Stindl zum etwas schmeichelhaften 1:0-Sieg.

Uwe Pirl: Nach einem zähen Spiel gegen den Verein für Bewegungsspiele siegt Borussia 2:1 und erspart uns damit eine Krisendiskussion.

Christian Spoo: Was Dynamo Dresden kann, sollte Borussia auch hinkriegen: den VfB deutlich schlagen. Mit einem souveränen 3:0 gelingt der Einzug ins Achtelfinale.