Noch vor zwei Wochen weckte der verdiente 3:2-Derbysieg in Köln berechtigte Hoffnungen auf die Europa League. In den letzten beiden Partien folgten aber weit größere Kaliber als der rheinische Dauerrivale und gegen die Teams aus Hoffenheim und Dortmund bekam die ersatzgeschwächte Fohlenelf deutlich ihre Grenzen aufgezeigt. Nachdem bereits die 6 vorherigen Matches gegen die Top4-Teams der Liga ähnlich erfolglos verlaufen sind, lässt sich konstatieren, dass Borussia in dieser Saison nicht die nötige Qualität mitbringt, um auf diesem Niveau mithalten zu können. Spätestens wenn einige Stammspieler ausfallen unterscheidet sich das Niveau des Kaders nicht mehr wesentlich von dem aus Mainz, Frankfurt oder Köln. Von daher ist es zwar schade, aber letztlich hochverdient, dass am Ende dieser höchst durchschnittlich verlaufenen Spielzeit aller Voraussicht nach kein europäischer Platz stehen wird.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Die Defensive hatte sich zu Rückrundenbeginn unter Hecking stabilisiert. In den letzten Partien erwies sie sich aber wieder als höchst anfällig. Tobias Strobl ist leider kein gleichwertiger Ersatz für Christoph Kramer und erreicht ebenso wenig das Niveau, dass ein Havard Nordtveit in den vergangenen Jahren abrufen konnte. Neben dem defensiv noch lernbedürftigen Mo Dahoud benötigt die Mannschaft aber eine sichere Stütze, die ihr aktuell leider fehlt. Darunter leidet auch die Viererkette. Jannik Vestergaard ist zu fehleranfällig, Nico Elvedi fehlt es manchmal noch an Erfahrung. Und selbst der grundsätzlich über jeden Zweifel erhabene Andreas Christensen ist mit seiner Aufgabe, diese Abwehr anführen zu müssen, verständlicherweise noch etwas überfordert.

Der Angriff bereitete gestern ebenfalls Sorge, bestach er doch einzig durch seine Effizienz. Angesichts des Viererpacks, den Max Kruse gestern geschnürt und damit Bremen auf den so begehrten 6. Platz katapultiert hat, muss man bedauern, dass Max Eberl seine Überlegungen bzgl. einer Rückholaktion vor Saisonbeginn nicht wahrgemacht hat. Aus heutiger Sicht war dies ein Fehler, denn ein solcher Spielertyp würde Borussias Offensive enorm gut tun. Angesichts des fortgeschrittenen Alters von Raffael mehren sich dessen Verletzungen und es müssen immer wieder Spieler wie Hahn, Herrmann oder Drmic auflaufen, die aktuell nicht über das ganz große Niveau verfügen. Aus Eberls damaliger Sicht vor Saisonbeginn war die Entscheidung gegen Kruse schon eher nachzuvollziehen. Dieser hatte gerade in Wolfsburg nicht gerade seine beste Saison hinter sich und stand angesichts zahlreicher Eskapaden in der Kritik. André Hahn wiederum hatte soeben die beste Rückrunde seiner Karriere gespielt und trug sehr wesentlich zu Borussias Lauf in die Champions League bei. Mit ihm, Hazard, Stindl und Raffael besaß Borussia vier hochkarätige Alternativen für die zwei Planstellen im Sturmzentrum. Dem noch für viel Geld eine fünfte Option hinzuzufügen, hätte aus damaliger Sicht zu einem Überangebot führen können.

Für die neue Saison wird Eberl hier aber jetzt definitiv reagieren müssen. Für den inzwischen 32jährigen Raffael wird eine hochwertige Alternative benötigt, sodass Borussia einmal mehr vor der Herkulesaufgabe stehen wird, eine komplette Mittelachse neu besetzen zu müssen. Dass der Kader bereits jetzt – vor den bevorstehenden Abgängen von Christensen und Dahoud – offensichtliche qualitative Mängel aufweist, macht die Aufgabe für Borussias Scoutingabteilung nicht leichter.

Zuvor geht es in den verbleibenden fünf bis sechs Spielen dieser Saison aber noch um einen ehrenhaften Abschluss, um zumindest noch das Minimalziel der Einstelligkeit zu erreichen und am Ende vor dem 1.FC Köln zu stehen. Mit dem Einzug ins Pokalfinale am kommenden Dienstag könnte die Mannschaft sich und den Fans noch einen Höhepunkt erarbeiten mit der Chance, sich in einem einzigen Spiel den Einzug in die Europa League zu verdienen. Dies ist gleichfalls noch über die Liga möglich, wenngleich der Rückstand auf Platz 7 durch die ungünstigen Resultate der Konkurrenz inzwischen auf drei Punkte angewachsen ist. Die kommenden Gegner aus Mainz, Wolfsburg und Augsburg sind zwar qualitativ deutlich schwächer als der BVB, kämpfen aber mit Vehemenz gegen den Abstieg, wodurch sich Borussia keine so uninspirierte Leistung wie gestern in der 1. Halbzeit wird leisten können.

Für den gestrigen Gegner war das noch immer kein normales Spiel im Borussia-Park, eine Woche nach dem unsäglichen Anschlag auf den eigenen Mannschaftsbus und nur einen Tag nachdem die Tat endlich aufgeklärt werden konnte. Die Psyche spielt im Fußball eine sehr große Rolle, sodass anzunehmen ist, dass die Leistung der Dortmunder Spieler in den vergangenen Spielen durch die durchlebte Extremsituation beeinflusst worden ist. Ein jeder Mensch geht mit solchen Situationen aber unterschiedlich um, sodass es unanständige Küchenpsychologie wäre, dies von außen zu bewerten oder gar von einem möglichen „Befreiungseffekt“ zu fabulieren, weil die Spieler jetzt den Täter endlich kennen. Ebenso dumm und peinlich ist es, wenn dieser Anschlag instrumentalisiert wird, um ihn z. B. mit den Anfeindungen gegen Hoffenheim in Verbindung zu bringen – so niveaulos diese in Köln auch ausgefallen sein mögen.

Wir sollten lieber alle gemeinsam über die bevorstehende endgültige Aufklärung hocherfreut sein. Eine solche Extremtat aus Habgier ist für den gesunden Menschenverstand zwar nur schwer nachzuvollziehen. Die Gefahr eines Nachahmungstäters ist aber gering, zumal der angedachte Weg ans große Geld zu kommen selbst im worst case nicht hätte funktionieren können. Dass Menschen bereit sind andere Menschen für Geld umzubringen, ist zwar traurig, aber wahrlich keine neue Entdeckung unserer Zeit. Das wichtigste bleibt daher, den betroffenen Spielern des BVB zu wünschen, in den nächsten Wochen endlich wieder vollständig zur Tagesordnung übergehen und die schrecklichen Ereignisse hinter sich lassen zu können.